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RESSOURCEN/173: Hohe Radon-Werte in Pennsylvania seit Beginn des Fracking-Booms (SB)


"Diese Ergebnisse bereiten uns Sorge"

US-Forschergruppe entdeckt signifikanten Zusammenhang zwischen höheren Radon-Werten in Wohnhäusern und der Erdgasförderung mittels Fracking in Pennsylvania


Vor rund zehn Jahren hat im US-Bundesstaat Pennsylvania ein Boom der Gasförderung mittels der Methode des Frackings eingesetzt. Seitdem ist die Belastung von Wohnhäusern mit dem radioaktiven Gas Radon enorm gestiegen. 42 Prozent der Meßwerte überschreiten die von der Regierung noch als sicher angesehenen Grenzwerte, berichteten Forscher der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health im Journal "Environmental Health Perspectives" vom 9. April. [1]

Unter Pennsylvania befindet sich in 1,5 bis 2,5 Kilometer Tiefe die Marcellus-Formation mit der größten Erdgaslagerstätte der USA. Hier wird unter anderem Shalegas aus Schiefergestein gefördert.

Ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Frackingboom, der ab dem Jahr 2004 einsetzte, und der Radonbelastung wird durch weitere statistische Auffälligkeiten nahegelegt. Demnach weisen die Gebäude in den Counties (Bezirken), in denen seit zehn Jahren am meisten gefrackt wird, deutlich höhere Radonbelastungen auf als Gebäude in Counties, in denen wenig gefrackt wurde. Vor 2004 gab es solche Unterschiede zwischen den Counties nicht. Die Forscher hatten aus einer Datenbank des Umweltministeriums von Pennsylvania mehr als 860.000 Radonmeßwerte aus dem Zeitraum 1989 bis 2013 ausgewertet.

Üblicherweise drücken sich Wissenschaftler bei der Interpretation von Zusammenhängen zurückhaltend aus. Auch in diesem Fall behauptete Studienleiter Prof. Brian S. Schwartz vom Department of Environmental Health Sciences der Bloomberg School nicht, daß Fracking "die" Ursache für die hohen Radonwerte sein "muß". Aber er sagte laut einer Pressemitteilung der Bloomberg School: "Eine plausible Erklärung für erhöhte Radonkonzentrationen in Wohnhäusern ist die Entwicklung von Tausenden von unkonventionellen Gasförderstellen im Laufe der letzten zehn Jahre. Diese Ergebnisse bereiten uns Sorge." [2]

Zwischen 2005 und 2013 wurden in Pennsylvania 7469 Bohrungen zum Erschließen unkonventioneller Gasvorkommen aus der Marcellus-Shale-Formation abgeteuft. Beim Fracking wird zunächst vertikal, dann weiter horizontal in die gasführende Schicht gebohrt. Anschließend wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und diversen chemischen Stoffen unter anderem zum Abtöten von Bakterien in den Untergrund gepreßt, so daß das Gestein regelrecht aufbricht.

Beim Zusammenströmen von Erdgas aus zahlreichen kleineren Einschlüssen werden auch Schwermetalle und radioaktive Elemente wie Uran-238, das in Radium-226 und das wiederum in Radon-222 zerfällt, mitgefördert. Dieses radioaktive Gas hat eine Halbwertszeit von 3,8 Tagen, auch seine Zerfallsprodukte Polonium, Wismuth und Blei sind krebserregend. Radon gilt in der "beruflich nichtexponierten Allgemeinbevölkerung" weltweit an zweiter Stelle nach Rauchen als entscheidender Auslöser von Lungenkrebserkrankungen. [3]

Nach Einschätzung der US-Umweltbehörde EPA sterben jährlich rund 21.000 Einwohner der Vereinigten Staaten an Lungenkrebs durch Radon; deutsche Behörden geben für die Bundesrepublik die Zahl von 2000 Lungenkrebstodesfällen durch Radon an.

In Pennsylvania wiesen über den gesamten Untersuchungszeitraum von 1989 bis 2013 hinweg Wohnhäuser und andere Gebäude, die Wasser aus Brunnen bezogen, eine 21 Prozent höhere Radonbelastung auf als Häuser, die Wasser aus dem öffentlichen Versorgungsnetz bezogen. Außerdem wurde in Häusern in ländlichen und vorstädtischen Gebieten, in denen die meisten Gasförderstellen lagen, eine 39 Prozent höhere Radon-Konzentration als bei Häusern in den Städten registriert.

Man dürfe die Ergebnisse nicht ignorieren, sagte Schwartz. Die Studie könne noch verbessert werden, indem man weitere Informationen hinzufügt, wie zum Beispiel ob beim Kochen Erdgas verwendet wird oder nicht, aber solche Studien sollten tatsächlich auch durchgeführt werden, meinte der Forscher, da die Zahl der neuen Bohrstellen weiter steigt und das mögliche Problem, das in ihrer Studie festgestellt wurde, nicht verschwindet.

Joan A. Casey, die als Erstautorin genannt wird, sagte, es sei unklar, auf welchen Wegen es zu der erhöhten Radonbelastung kommt, also ob über die Brunnen als Folge des Frackings, über die Luft in der Nähe der Bohrstellen oder über das von den Einwohnern verwendete Erdgas aus der Frackingförderung. Casey vermutet, daß die Frackingindustrie, die 7000 Löcher in den Boden gebohrt hat, dadurch möglicherweise neue Wege geschaffen hat, auf denen das Radon zur Oberfläche aufsteigen kann.

Der Geowissenschaftler Michael Kosinowski von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) teilt die Einschätzung der Autoren hinsichtlich eines möglichen Zusammenhangs zwischen Fracking und erhöhten Radon-Werten nicht. Laut n-tv.de vermutet er, daß die Zunahme der Radon-Werte eher damit zusammenhängt, daß die Häuser in Pennsylvania seit 2005 verstärkt abgedämmt werden. Dadurch könne das Gas, das etwa mit Wasser oder Erdgas in die Gebäude gelangt, schlechter entweichen. [4]

Diese Möglichkeit, daß die bessere Versiegelung der Häuser seit etwa zehn Jahren ein Entweichen des Radons verhindert, hatte auch Casey angedeutet. Trotzdem ist zu fragen, ob nicht die bessere Versiegelung zumindest einen der Wege, auf dem Radongas in ein Haus eindringen kann, auch versperrt, nämlich daß das Gas durch Risse im Fundament in die Kellerräume älterer Gebäude wandert. Bei neuen Häusern wäre damit nicht zu rechnen.

Aber selbst wenn ein Zusammenhang zwischen der besseren Dämmung und der höheren Radonbelastung besteht, würde dies doch wohl für alle Counties gleichermaßen gelten. Wie aber kommt es zu den signifikanten Unterschieden zwischen Counties mit hohen und niedrigen Frackingaktivitäten? Wurde seit 2004 nur in den Frackinggebieten neu gebaut?

Durch diese Studie wird ein von der Fracking-Lobby verbreiteter Mythos in Frage gestellt, wonach diese Technologie der Erdgasförderung unbedenklich ist, weil zwischen der gefrackten geologischen Schicht und der Oberfläche mehrere Kilometer dichtes Gestein liegen und zudem eine Betonummantelung des Bohrlochs ein Entweichen von Gasen verhindert. Pennsylvania hatte schon immer ein Radonproblem, aber das war nie so groß wie seit Beginn der Fracking-Aktivitäten.


Fußnoten:

[1] Joan A. Casey, Elizabeth L. Ogburn, Sara G. Rasmussen, Jennifer K. Irving, Jonathan Pollak, Paul A. Locke und Brian S. Schwartz: "Predictors of Indoor Radon Concentrations in Pennsylvania, 1989-2013", in: Environmental Health Perspectives. 9. April 2015.
http://ehp.niehs.nih.gov/1409014/

[2] http://www.jhsph.edu/news/news-releases/2015/increased-levels-of-radon-in-pennsylvania-homes-correspond-to-onset-of-fracking.html

[3] http://www.aerzteblatt.de/archiv/69731

[4] http://www.n-tv.de/wissen/Fracking-erhoeht-die-Radon-Belastung-article14882026.html

12. April 2015


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