Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REDAKTION


RESSOURCEN/179: Fracking gefährdet die Gesundheit ... (SB)


US-Mediziner und Physiker warnen vor Fracking


"Unsere Untersuchung der begutachteten Literatur aus Medizin und Gesundheitswesen lieferte keine Hinweise darauf, daß Fracking auf eine Weise praktiziert werden kann, die nicht die menschliche Gesundheit gefährdet." [1]

Dies ist eine der Kernaussagen einer umfassenden Studie der Non-profit-Organisationen Concerned Health Professionals of New York und Physicians for Social Responsibility in den USA nach der Auswertung von über 500 Studien zum Fracking. In der großen Mehrheit der Einzeluntersuchungen sei festgestellt worden, daß Fracking die Qualität der Luft verschlechtert, Gewässer verschmutzt und die öffentliche Gesundheit beeinträchtigt, hieß es in dem am 14. Oktober 2015 in der dritten Auflage veröffentlichten Kompendium. Darum fordern die beiden Organisationen US-Präsident Barack Obama und Surgeon General (Generalarzt) Vivek Murthy auf, die Risiken von Fracking anzuerkennen.

Die Erdöl- und Erdgasindustrie wendet Fracking bzw. hydraulic fracturing schon seit vielen Jahrzehnten an. Wenn heute von Fracking gesprochen wird, dann ist damit in der Regel das technologisch anspruchsvolle horizontale Anbohren von Erdgas- oder Erdölfeldern in teils mehreren tausend Meter Tiefe sowie das wiederholte Aufbrechen des Gesteins mittels eines unter extrem hohen Druck eingepreßten Gemischs aus Wasser, Chemikalien und Sand gemeint.

In Deutschland ist das Thema Fracking nach einem regelrechten Medien-Hype vor rund einem Jahr wieder in den Hintergrund gerückt. Die Große Koalition kann sich nicht auf einen im April vorgelegten Gesetzentwurf zum Fracking einigen und hat das Thema zunächst vertagt. [2]

Die Akte "Fracking" liegt aber sozusagen noch auf dem Schreibtisch, und laut dem Gesetzentwurf soll Fracking in Deutschland nicht pauschal verboten werden. Zur Einschätzung, welche Gefahren für Mensch und Umwelt von der sogenannten unkonventionellen Gasförderung ausgehen, sollte deshalb auf einen Blick über den Teich ins Fracking-Land Nummer eins nicht verzichtet werden.

Mehr als 15 Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger leben innerhalb einer Meile (1,6 km) von einem Fracking-Standort, der seit dem Jahr 2000 angelegt wurde, entfernt. "Seit Jahren hören wir Geschichten. Jetzt wurde der anekdotische Beweis durch den wissenschaftlichen Beweis bestätigt", sagte die New Yorker Kinderärztin und Bioethikerin Kathleen Nolan, Co-Autorin des Reports, laut der Website insideclimatenews.org. "Es gibt keine Rechtfertigung dafür, die Leute diesen Risiken auszusetzen." [3]

Bis vor wenigen Jahren wurden selbst in den USA kaum Untersuchungen über die Verbreitung von Luftschadstoffen durch Fracking durchgeführt. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, daß der Nachweis, daß ein bestimmter Fracking-Standort eine bestimmte Erkrankung ausgelöst hat, kaum zu erbringen ist. Die Forschung hat jedoch mittlerweile diverse Inhaltsstoffe der Fracking-Fluide und -Emissionen identifiziert und Korrelationen zu einem Anstieg der Rate an Frühgeburten, geringerem Geburtsgewicht und anderen negativen Gesundheitsfolgen erstellt. Darum sei es "unaufrichtig" von der Erdöl- und Erdgasindustrie, die Wissenschaftlichkeit der Untersuchungsergebnisse in Frage zu stellen, meint David Brown, Umweltmediziner des Southwest Pennsylvania Environmental Health Project. "Irgendwann muß man mal einen Punkt machen. Schließlich leben Menschen in der Nähe der Bohrstellen und es gibt viele Fälle negativer Gesundheitsfolgen."

Die Fracking-Industrie der USA ist zur Zeit wegen der niedrigen Weltmarktpreise für Erdöl und Erdgas schwer angeschlagen, weil sich das kostenintensive Verfahren nicht mehr rentiert. Bis vor wenigen Jahren gab es jedoch einen regelrechten "Goldrausch", wobei dieser an der Westküste begann und sich Jahr für Jahr weiter nach Osten verlagert hat. Seit 2008 wird auch in Pennsylvania gefrackt. Inzwischen beläuft sich die Zahl der aktiven Gasquellen in diesem Bundesstaat auf über 7700. In den letzten sieben Jahren wurden rund 4000 Verstöße gemeldet, und Einwohner haben Hunderte Beschwerden wegen Atemschwierigkeiten, Asthma, Hautproblemen, Kopfschmerzen und Nasenbluten bei den Ministerien für Gesundheit und Umwelt Pennsylvanias eingereicht.

Der Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, hat sich gegen Fracking gewendet und mit seinem Verbot reichlich Pluspunkte bei den New Yorkern gesammelt. Nun geht die Industrie indirekt vor und hat Anträge zum Ausbau von Pipelines und Kompressorstationen in New York gestellt, weil das Gas über Pennsylvanias Nachbarstaat an die Küste befördert werden soll. Deshalb fordern die Autorinnen und Autoren des Fracking-Reports Cuomo auf, die Ausbaupläne der fossilen Energiewirtschaft zu stoppen.

In der Bundesrepublik Deutschland haben sich zahlreiche Bürgerinitiativen, Umweltgruppen, Vertreter der Kirchen, Landtags- und Bundestagsabgeordnete gegen den vorgelegten Gesetzentwurf ausgesprochen, weil dieser nicht einfach nur viele Schlupflöcher offenläßt, sondern Fracking geradezu großflächig erlaubt. So berichtet die Website frackingfreieshessen.de, daß die geplanten Regelungen Fracking zur Gasförderung von der Gesteinsart und Fördertiefe abhängig machen. Das bedeute im einzelnen, daß Fracking im Sandstein generell erlaubt wird. Auch im Schiefergestein ab einer Tiefe von 3000 Meter soll es generell gestattet werden, und nur bei Schiefergestein flacher als 3000 Meter soll es zustimmungspflichtig werden. Darüber werde dann eine "Lobby-Kommission" entscheiden, so die Bürgerinitiative. [4]

Mit ihrem inszenierten Streit um einige Aspekte der Gesetzesvorlage wollen CDU/CSU und SPD anscheinend der Anti-Fracking-Bewegung, die bis in die bürgerlichen Medien Zuspruch fand, den Wind aus den Segeln nehmen. Möglicherweise greift die Taktik, denn der Report, der jetzt in den USA von den Physikern für soziale Verantwortung und Besorgten Gesundheitsarbeitern von New York vorgelegt wurde, findet in den deutschen Mainstreammedien kaum Erwähnung. Obgleich die Erkenntnis, daß Fracking so gut wie IMMER mit gesundheitlichen Schäden einhergeht, genügend Anlaß gäbe, die Regierung auf ihrem eingeschlagenen Kurs zu stoppen.


Fußnoten:

[1] http://concernedhealthny.org/wp-content/uploads/2012/11/PSR-CHPNY-Compendium-3.0.pdf

[2] http://www.euractiv.de/sections/energie-und-umwelt/fracking-spd-haelt-einigung-auf-gesetz-noch-fuer-moeglich-317292

[3] http://insideclimatenews.org/news/16102015/fracking-studies-overwhelmingly-indicate-threats-public-health-air-water-pollution

[4] http://www.frackingfreieshessen.de/index.php?page=Custom&pageID=67

2. November 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang