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RESSOURCEN/201: Riesige tote Zone im Golf von Mexiko (SB)


Algenblüte und Sauerstoffarmut - externalisierte Kosten der Landwirtschaft


Im Golf von Mexiko, vor der Südküste der USA, wurde die in diesem Meeresgebiet bislang größte jemals gemessene tote Zone entdeckt, teilte die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) mit. Seit 1985 wird hier der Zustand des Meeres regelmäßig beobachtet. Das aktuelle Ausmaß von 22.730 Quadratkilometern, das der gemeinsamen Fläche von Rheinland-Pfalz und Saarland entspricht, übertrifft den bisherigen Rekord von 22.007 Quadratkilometern, der im Jahr 2002 erreicht wurde. Die tatsächliche Fläche der aktuellen toten Zone ist sogar noch größer als angegeben, berichtete die Website Gulf Hypoxia. Es sei nicht mehr genügend Zeit geblieben, um auch noch das Meeresgebiet im westlichen Golf von Mexiko ausreichend zu erfassen. (tinyurl.com/y948kor3)


Blick aus dem All auf Südküste der USA und den Golf von Mexiko. Der gesamte flache, küstennahe Bereich ist hellgrün, das tiefere Meer dunkelblau - Foto: Jeff Schmaltz, MODIS Rapid Response Team, NASA GSFC

Satellitenaufnahme starker Sedimentbewegungen und einer Algenblüte im Golf von Mexiko vom 10. November 2009
Foto: Jeff Schmaltz, MODIS Rapid Response Team, NASA GSFC

Die Zahl der menschenverursachten toten Zonen ist weltweit auf über 500 gestiegen. Die tote Zone vor der Küste Louisianas und benachbarter US-Bundesstaaten ist die zweitgrößte der Welt. Solche toten Zonen entstehen durch vermehrtes Algenwachstum. Wenn die Algen dann absterben und zum Grund sinken, werden sie von Bakterien zersetzt, wodurch dem Wasser Sauerstoff entzogen wird. Dieser fehlt den anderen Bewohnern des Meeresgrunds und bodennaher Wasserschichten zum Atmen. Entweder sterben die Tiere dann oder es gelingt ihnen, rechtzeitig zu fliehen. Aus ihrem angestammten Lebensraum geflohene Fische weisen allerdings eine geringere Vermehrungsrate auf, und Shrimps werden nicht mehr so groß.

Die Algen vermehren sich deshalb so exzessiv, weil sie kräftig gedüngt werden. Über den breiten Strom des Mississippi gelangen enorme Mengen an Nährstoffen vor allem aus der Landwirtschaft in das Meeresgebiet. Dort reagieren die Pflanzen auf den Dünger genauso wie die Pflanzen an Land, sie wachsen. Begünstigt wurde der diesjährige Nährstoffeintrag durch die besonders große Wasserfracht mit entsprechend großen Mengen an Sedimentpartikeln, die der Mississippi im Mai und Juni dieses Jahres in den Golf von Mexiko eingebracht hat.

Auch in der Ostsee treten Jahr für Jahr tote Zonen auf, und auch hier ist die Landwirtschaft der Anrainerstaaten die treibende Kraft. Da die toten Zonen zumeist in den fischreichen, küstennahen Meeresgebieten auftreten, entsteht eine Art Teufelskreis: Der Fischfang leidet unter den sauerstoffarmen Zonen, wodurch sich langfristig das Konsumverhalten der Menschen ändert und sie weniger Fisch, dafür mehr Agrarerzeugnisse verzehren. Woraufhin mehr Dünger eingesetzt wird, um Nahrung zu erzeugen ...

Es gibt eine Reihe von Anknüpfungspunkten, an denen dieser Kreislauf unterbrochen werden könnte:

- Wenn die externalisierten Kosten der Landwirtschaft in die Kosten für die Erzeugnisse eingerechnet werden, würde sich der düngerintensive Anbau im Verhältnis zu einem an ökologischen Kriterien orientierten Anbau verteuern. Zu den zahlreichen externalisierten, das heißt ausgelagerten Kosten zählen unter anderem die Verluste der Fisch- und Shrimpsindustrie durch die von Algenblüten ausgelösten hypoxischen (sauerstoffarmen) Bedingungen.

- Würden nicht rund 40 Prozent des Maisanbaus der USA für die Herstellung von Ethanol aufgewendet, das als Treibstoff verbrannt wird, könnte der Düngereintrag deutlich reduziert werden.

- Mais wird großflächig angebaut, um unter anderem Tierfutter und Glucosesirup für Softdrinks und andere verarbeiteten Erzeugnisse herzustellen. Der immense Fleischverzehr gilt nicht nur als Faktor des Treibhauseffekts, sondern auch als mitverantwortlich für die Entstehung von toten Zonen. Außerdem werden in der Massentierhaltung große Mengen Gülle produziert, die via Mississippi in den Golf von Mexiko geschwemmt werden und dort die Algen blühen lassen.

Wie schwierig es ist, allein solche Verhältnisse unter den gegebenen Produktionsverhältnissen in Angriff zu nehmen, zeigen nicht nur die USA, sondern auch Deutschland und andere Ostseeanrainerstaaten. Solange das in diesen Ländern hauptsächlich propagierte landwirtschaftliche Produktionsmodell nicht in Frage gestellt wird und weiterhin wirtschaftliche Anreize bestehen, sich Massentierhaltung, Monokulturanbau und intensiv gedüngtem Anbau zuzuwenden, machen die Landwirte genau das, was von ihrem betriebswirtschaftlichen Standpunkt her vernünftig ist und von der Gesellschaft allem Anschein nach mehrheitlich auch so gewollt wird. Die toten Zonen sind der Preis, der für diese Produktions- und Lebensweise zu entrichten ist.

3. August 2017


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