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RESSOURCEN/218: USA - Finaler Raub der Reservate ... (SB)



Es handelte sich um eine der größten Massenmobilisierungen in der jüngeren Geschichte der ursprünglichen Bevölkerung Nordamerikas. Zeitweise hatten 5.000 Menschen in dem Protestlager Oceti Sakowin ("Sieben Feuer") gegen den Bau der Dakota Access Pipeline (DAPL) gelebt und sich mehr als 200 Indianerstämme solidarisch mit den Sioux des Standing Rock Reservats, die den Protest anführten und deren Trinkwasser durch die Pipeline gefährdet ist, erklärt.

Dennoch wurde die Pipeline zu Ende gebaut. In Zukunft wird sie vermutlich noch mehr Umweltschäden anrichten, als bereits jetzt zu erwarten sind. So berichtete kürzlich der milliardenschwere CEO des Pipelinekonzerns Energy Transfer Partners (ETP), Kelcy Warren, er hoffe, demnächst eine Erhöhung der Durchleitungsmenge bekanntgeben zu können.

Zur Zeit befördert die Dakota Access Pipeline täglich 500.000 Barrel (1 Barrel entspricht rund 159 Litern) Öl, später sollen es täglich 570.000 Barrel werden. Normalerweise steigern Pipelinebetreiber die Durchflußmenge, indem sie entweder dem Öl ein chemisches Gleitmittel beimengen, so daß der Reibungswiderstand an den Rohrwandungen abnimmt, oder indem sie den Druck in der Pipeline erhöhen. Insbesondere letzteres hätte zur Folge, daß bei jeder Leckage größere Mengen Öl austreten werden als unter den heutigen Betriebsbedingungen.

Gegen den Bau der 3,8 Mrd. Dollar teuren und fast 1900 Kilometer langen Pipeline durch das Army Corps of Engineers im Auftrag von ETP hat sich nicht nur unter den Indigenen, sondern auch unter Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen eine breite Widerstandsbewegung aufgebaut. Die Pipeline verbindet das Bakken-Ölfeld in North Dakota mit einem Knotenpunkt in Illinois. Dabei führt die Strecke unter dem Oahe-Stausee entlang, nur wenige hundert Meter nördlich des Sioux-Reservats Standing Rock, und zwar durch ein Gebiet, das bei der ursprünglichen Bevölkerung als heilig gilt. Dort hat sie ihre Ahnen bestattet. Jenes Gebiet haben die Nachfahren der hauptsächlich aus Europa stammenden Invasoren Nordamerikas den Menschen mit der fadenscheinigen Begründung weggenommen, jetzt, da dort sowieso keine Büffel mehr lebten, hätten sie auch nicht mehr das Recht auf das Territorium, da dieses vertraglich an die Büffeljagd gebunden sei.

Als der Oahefluß zum See aufgestaut wurde, ging dies zu Lasten - man ahnt es bereits - der Indigenen, die dadurch 23.000 Hektar Weideland verloren. Das von über 8.000 Menschen bewohnte Standing Rock Reservat deckt den größten Anteil seines Trinkwasserbedarfs aus dem Oahe-Stausee. Somit bildet die Ölpipeline eine ständige Gefahr für das Leben im Reservat, denn eine Kontamination des Trinkwassers hätte schwerwiegende Folgen, die unter Umständen nicht zu beheben wären.

Bei einer öffentlichen Veranstaltung, die am 13. August 2018 an der Universität von Mary in der Stadt Bismarck, North-Dakota, mit dem texanischen Ölmilliardär Warren stattfand, nahm neben weiteren Industrievertretern auch US-Energieminister Rick Perry teil. Der ehemalige Gouverneur von Texas, der nicht glaubt, daß der Klimawandel menschengemacht ist, betonte in seiner Eröffnungsansprache die hohe Bedeutung von Infrastruktur und schimpfte über Bundesstaaten, die dem Bau von Pipelines Steine in den Wege legen: "Ich halte es für unverantwortlich, wenn Bundesstaaten Ressourcen blockieren, die im nationalen Interesse dieses Landes liegen." An diese Aussage knüpfte Warren an und erklärte: "Ich liebe dich, Rick. Ich liebe das, was du gerade gesagt hast." [1]

Der Abend war offensichtlich ein Heimspiel für die Industriemagnaten und die von ihnen "geschmierten" - in den USA werden Schmiergelder an Politiker als "Wahlkampfhilfe" bezeichnet - Verantwortlichen in der Regierung. So wurde Rick Perry, nur zwei Wochen nach Ende seiner Amtszeit als Gouverneur, Vorstandsmitglied bei Energy Transfer Partners und sitzt dort noch heute. Warren wiederum hat Perrys Wahlkampf zur Präsidentenwahl 2016 mit sechs Millionen Dollar unterstützt. Kein Wunder, daß er den Klimawandelleugner "liebt".

Warren hat auch Trump finanziell unterstützt. Mal betrug das Geschenk 3000 Dollar quasi auf die Hand, dann 100.000 Dollar für den Trump Victory Fund und mal 66.800 Dollar für das Republican National Committee. Die Investitionen haben sich bezahlt gemacht. Am 24. Januar 2016, nur vier Tage nach Ablegen seines Amtseids, hat der frisch gekürte US-Präsident Donald Trump per Dekret angeordnet, daß die Dakota Access Pipeline zügig weitergebaut werden soll, obschon noch kein Umweltgutachten vorlag. Nicht nur für Warren, auch für Trump selbst hat sich die Unterschrift gelohnt, hat er doch zwischen 1500 und 50.000 Dollar in Energy Transfer Partners investiert [2].

Bismarck war insofern der passende Ort für diese Art von Stelldichein der weißen Oberschicht, als daß ein ursprünglicher Vorschlag vorgesehen hatte, die DAPL dichter an der Stadt zu verlegen [3]. Das hätte jedoch das Trinkwasser des vorwiegend von Weißen bewohnten Bismarcks gefährdet, weswegen die Standing-Rock-Route gewählt worden war. Dort leben ja "nur" die Sioux ...

Obschon das Army Corps of Engineers letztlich für Warren tätig ist, indem es die Pipeline gegen breiten Widerstand in der Bevölkerung gebaut hat, ist der CEO nicht gut auf die "Jungs" zu sprechen. Es sei "das schlechteste Army Corps of Engineers", das er in seiner Karriere erlebt habe, so Warren. Ein Grund für diese Ablehnung dürfte sein, daß das Corps auch mehr als ein Jahr nach Eröffnung der DAPL noch immer an einem Umweltgutachten für die Pipeline arbeitet. Ein noch wichtigerer Grund, weil persönlich auf Warren gemünzt, liegt vermutlich darin, daß das Corps ihn einst dazu verpflichtet hatte, mit den Anführern der Standing-Rock-Indigenen zu sprechen.

Allen Beteuerung zum Trotz, daß die DAPL sicher ist und keine Leckagen auftreten werden, erfolgte der erste Ölaustritt bereits am 4. April 2017 in South Dakota. Damals flossen 318 Liter Rohöl aus. Seitdem sind vier weitere Lecks, teils kleiner, teils größer, aufgetreten. Energy Transfer Partners behauptet, daß die Lecks innerhalb ihrer Einrichtungen entstanden sind und die Vorfälle somit glimpflich abliefen. Auch ein Schwesterprojekt, die Energy Transfer Crude Oil pipeline (ETCO), verzeichnete im vergangenen Jahr drei Lecks. Andere Installationen des texanischen Pipeline-Unternehmens liefen ebenfalls nicht störungs- und leckagefrei [4].

Energy Transfer Partners behauptet, es dauere maximal neun Minuten, bis ein Leck in der DAPL entdeckt und die Pipeline geschlossen werde. Das halten Experten für maßlos übertrieben. Sie gehen von mehreren Stunden, unter Umständen sogar mehreren Tagen aus, wie sie in einem gut 300 Seiten umfassenden Bericht "Impacts of an Oil Spill from the Dakota Access Pipeline on the Standing Rock Sioux Tribe" vom 21. Februar 2018 schrieben [5]. Im übrigen ist es schlicht ein Erfahrungswert, daß ein Leck in einer unterirdisch verlaufenden Pipeline häufig erst von einem Landwirt gemeldet wird, der einen schwarzen Fleck auf seinem Feld entdeckt, der immer weiter wächst.

Bei einem Notfall darf die Pipeline nicht schlagartig dichtgemacht, sondern muß Schritt für Schritt geschlossen werden. Je höher der Ausgangsdruck in der Leitung, desto langwieriger ist dieser Vorgang. So würde also eine Erhöhung des Drucks nicht nur das Material stärker beanspruchen und dadurch die Leckgefahr erhöhen, sondern auch die Ausflußmenge vergrößern.

Die Sioux-Indianer von Standing Rock bekämpfen weiter auf dem Rechtsweg die "schwarze Schlange", wie sie die Dakota Access Pipeline nennen. Warren, Perry und Konsorten wirken sehr selbstgefällig, wenn sie einander bei öffentlichen Veranstaltungen die Bälle zuspielen und gar nicht erst den Eindruck aufkommen lassen, daß der Raubzug der weißen Eroberer Nordamerikas gegen die Reservatsbevölkerung beendet sei.


Fußnoten:

[1] https://grandforksherald.com/news/traffic-and-construction/4485768-ceo-says-dakota-access-pipeline-expansion-be-announced-soon

[2] Alle Finanzierungsangaben von der von Greenpeace betriebenen Seite Polluter Watch:
http://polluterwatch.org/kelcy-warren

[3] https://abcnews.go.com/US/previously-proposed-route-dakota-access-pipeline-rejected/story?id=43274356

[4] https://theintercept.com/2018/01/09/dakota-access-pipeline-leak-energy-transfer-partners/

[5] https://www.standingrock.org/sites/default/files/uploads/srst_impacts_of_an_oil_spill_2.21.2018.pdf

20. August 2018


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