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RESSOURCEN/221: Nachhaltig - ohne Märkte unverkäuflich ... (SB)



Die Lebensmittelindustrie kommt dem Wunsch von Verbraucherinnen und Verbrauchern nach einer nachhaltigen Ernährungsweise scheinbar entgegen und druckt inzwischen diverse Zertifikate auf ihre Waren. Das soll beruhigen. Daß manche Produkte nicht halten, was sie versprechen, müssen dann andere herausfinden. Beispielsweise die Forschergruppe um Roberto Gatti von der Purdue-Universität in den USA. Die Gruppe, der auch Wissenschaftler der Staatsuniversität von Tomsk in Rußland angeschlossen sind, berichtete im Journal "Science of the Total Environment", daß in den von ihnen untersuchten Ländern für das als nachhaltig zertifizierte Palmöl mehr Tropischer Regenwald gerodet wurde als für unzertifiziertes Palmöl [1].

Die globale Herstellung von Palmöl hat sich von 37 Mio. t im Jahr 2006 auf 64,2 Mio. t in 2016 fast verdoppelt. Die Naturschutzorganisation WWF geht davon aus, daß jedes zweite Produkt im Supermarkt Palmöl enthält. Abgesehen von der Lebensmittelindustrie wird das Produkt für die Herstellung von Hundefutter, Kosmetika und, weit vor allen anderen, für Biotreibstoff verwendet. Deshalb wurde und wird für Ölpalmen (Elaeis guineensis), obschon bescheiden im Flächenanspruch, wegen der Steigerung der Palmölproduktion Tropischer Regenwald abgeholzt. Besonders betroffen sind die südostasiatischen Staaten Indonesien, Malaysia und Papua-Neuguinea. Sie haben zwischen 2001 und 2016 rund 31 Mio. Hektar Tropischen Regenwalds verloren, das macht etwa elf Prozent ihrer Landfläche aus.

Oftmals nach der Waldrodung, durch die Mensch und Tier ihre Heimat verlieren, werden die Flächen abgebrannt. Dabei entstehen gesundheitsschädlicher Rauch und Rußpartikel, und es werden Treibhausgase erzeugt, die zum Klimawandel beitragen. Indonesien hat ein Moratorium gegen Brandrodung und Moorentwässerung verhängt, aber das wird immer wieder gebrochen.

Der 2004 von der Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ins Leben gerufene Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) und die neun Jahre darauf gegründete Palm Oil Innovation Group haben Richtlinien erstellt, nach denen Palmöl als "nachhaltig" gekennzeichnet auf den Markt gebracht werden darf. Eines der Kriterien ist die Bewahrung des Waldes. Anscheinend gibt es keine Möglichkeit, Palmöl nachhaltig zu produzieren und den Weltmarkt zu bedienen, konstatiert Gatti und schlägt vor: "Wir sollten uns der Verwendung von Produkten mit Palmöl bewußt sein und Alternativen wie Raps, Canola, Leinsamen und Sonnenblumen in Betracht ziehen." [2]

Ein erstaunliches Resümee, wenn man bedenkt, daß Flächen- und Umweltbilanz der vorgeschlagenen Alternativen noch ungünstiger ausfallen als bei Ölpalmen. Laut WWF lassen sich pro Hektar rund 3,3 Tonnen Palmöl, aber nur 0,7 Tonnen Rapsöl oder nur 0,4 Tonnen Sojaöl gewinnen [3]. Es handelt sich also mitnichten um umweltfreundlichere Alternativen zu Ölpalmen. Den weiter steigenden Bedarf an Bioöl auf andere Weise zu decken, würde das Problem lediglich verlagern. Dadurch würden vielleicht in Südostasien etwas weniger Regenwälder abgeholzt, aber wahrscheinlich zugleich in anderen Breiten naturbelassene Flächen in Nutzung genommen. Es wäre zu vermuten, daß dies - nimmt man Deutschland als Beispiel - dann zum allgemeinen Insektenschwund beiträgt.

Abgesehen davon, daß selbst eine Monokulturplantage mit Ölpalmen vielleicht nachhaltig bewirtschaftet werden kann, solange die Plantage nicht expandiert und nie mehr Bäume abgeholzt werden als wieder nachwachsen - die Hauptertragsphase von Ölpalmen liegt zwischen vier und 18 Jahren; spätestens nach 25 Jahren gelten die Bäume als zu alt -, existieren keine Alternativen, die nicht auf die eine oder andere Weise umweltschädlich wären. Wollte man die Schadensentwicklung stoppen, müßte der Griff tiefer angesetzt werden, beispielsweise beim Konsum. Da ein beträchtlicher Anteil des weltweit erzeugten Palmöls Treibstoffen beigemischt und in Autos verfeuert wird, wäre der Verzicht auf Biotreibstoff ein erster Schritt. Nein, es wäre nur ein halber Schritt, denn dann würde der Anteil der fossilen Treibstoffe wieder zunehmen. Das wäre schlecht fürs Klima und ebenfalls schlecht für die Gesundheit insbesondere der Menschen, die in Ballungsräumen leben und die stickige Abgasluft atmen müssen.

Aber würde man beispielsweise die Idee des kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs konsequent verfolgen, würden sicherlich viele Menschen problemlos auf das eigene Auto verzichten. Der Treibstoffverbrauch ginge insgesamt zurück. Damit würde man wahrscheinlich mehr für den Erhalt des Tropischen Regenwalds tun, als wenn die Bioökonomiebranche unverdrossen ihren Wachstumskurs beibehält und ihren Ressourcen- und Flächenfraß auf andere Feldfrüchte ausdehnt.


Fußnoten:

[1] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969718341159?via%3Dihub

[2] https://www.purdue.edu/newsroom/releases/2018/Q4/purdue-study-sustainable-palm-oil-doesnt-make-the-grade.html

[3] http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Studie_Auf_der_OElspur.pdf

19. Dezember 2018


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