Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REDAKTION


RESSOURCEN/235: Wasser ist zum Waschen da - der unstillbare Durst ... (SB)



Der direkte Wasserverbrauch für Waschen, Trinken, Duschen, etc. macht nur einen kleinen Teil des Wassers aus, der verbraucht wird, um einen privilegierten Konsumstil zu pflegen. In einer aktuellen Untersuchung wurde der Wasserverbrauch zur Erzeugung elektrischer Energie, der sogenannte Wasser-Fußabdruck, für die Europäische Union berechnet. Demnach verbraucht jede(r) EU-Bürger(in) 1301 Liter Wasser täglich allein für Strom. Das entspricht vier gefüllten Badewannen. Fast ein Drittel davon entfällt auf die Stromgenerierung in Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken, wohingegen die Erneuerbaren Energien zur Zeit mit 1,7 Prozent zu Buche schlagen.

Vor dem Hintergrund der letztjährigen Dürre in Europa, die sich trotz Regens in diesem Jahr fortsetzt, machen solche Verbrauchszahlen die Anfälligkeit der vorherrschenden Lebensweise deutlich. Sie ist nicht zukunftstauglich. Dabei zählt die Europäische Union klimatisch und ökonomisch noch zu den bevorteilten Regionen der Erde. Wenn beispielsweise irgendwo in Afrika Dürre ausbricht, dann sind die Folgen oft unmittelbar existenzgefährdend.

Davy Vanham vom Joint Research Centre, dem gemeinsamen Forschungszentrum der Europäischen Union, und seine Kollegen wollten wissen und beschreiben, wieviel virtuelles Wasser in geographisch möglichst genauer Auflösung für die verschiedenen Energiegewinnungsformen gebraucht werden. Daraus könnten sich dann Empfehlungen an die EU-Kommission für den zukünftigen Energiemix, bei dem der Wasser-Fußabdruck berücksichtigt wird, ergeben.

Den größten Wasserbedarf im Jahr 2015, bezogen auf eine Energieeinheit (Terajoule), hatten Biomasse der ersten Generation, Speicherkraftwerke und Holz (9114 - 137.624 m³/Terajoule). Im mittleren Bereich liegen Atomenergie und fossile Energien (136 - 627 m³/Terajoule); am günstigsten schneiden Windenergie, Photovoltaik, Geothermie und Wasserkraftwerke (1 - 117 m³/Terajoule) ab.

Die Wahl des Energieträgers bestimmt somit nicht nur die Belastung der Erdatmosphäre mit Treibhausgasen, den Verbrauch endlicher Ressourcen und das Ausmaß der Kontamination des Menschen und seiner Mit- und Umwelt durch energiebezogene Schadstoffe wie Uran, Arsen, Dioxin, etc., sondern auch den Wasserverbrauch.

Hinter dem, was die elektrische Energieproduktion an Wasser benötigt, fällt der direkte Wasserverbrauch weit zurück. In Deutschland wurden 2017 im Durchschnitt pro Person 123 Liter Wasser täglich verbraucht, also weniger als ein Zehntel des Wassers zur elektrischen Energiegewinnung. Obgleich es so klingt, als würden hier Äpfel mit Birnen verglichen, wenn der direkte mit dem indirekten Wasserverbrauch abgeglichen wird, ergibt sich ihr gemeinsamer Nenner doch im Verbrauch. Nur weil Wasser beispielsweise bei der Kohleproduktion in Kolumbien verbraucht wird, heißt das nicht, daß dies nicht in der hiesigen Bilanz berücksichtigt werden müßte, wenn die Kohle exportiert und in der Europäischen Union verfeuert wird.

Für die Herstellung einer Tasse Kaffee werden 140 Liter Wasser verbraucht, ein Glas Milch ist sogar mit 200 Litern zu verbuchen. Für die Produktion eines Autos können rund 400.000 Liter veranschlagt werden. Wer sich alle acht Jahre ein neues Auto kauft, käme dann auf einen täglichen Wasser-Fußabdruck von 137 Litern allein für den Erwerb, noch nicht für den Unterhalt seines Fahrzeugs. Auf diese Weise läßt sich für jedes Produkt ein Wasser-Fußabdruck, auch virtueller Wasserverbrauch genannt, berechnen.

Wobei es an dieser Stelle weniger um die Exaktheit der Zahlen, als um einen mittels solcher Zahlen erzeugten Eindruck davon geht, auf welchen Voraussetzungen der Lebensstil in Deutschland und der Europäischen Union gründet. Zumal bei solchen Zahlen auch berücksichtigt werden müßte, inwiefern beispielsweise der Wasserdampf aus Kohle- oder Atomkraftwerken, die mit Flußwasser gekühlt werden, einen unwiederbringlichen Verlust darstellt oder ob nicht mindestens ein Teil davon als Niederschlag auf Land fällt und die Grundwasserspeicher auffüllt, die dann an anderer Stelle beispielsweise in der Landwirtschaft in Anspruch genommen werden. Die Berechnungen zum Wasser-Fußabdruck sind komplex und entufern, wenn nicht bestimmte Abschneidekriterien festgelegt werden.

Eingedenk des in der EU, insbesondere Deutschland privilegierten Konsumstils wird ersichtlich, daß die zähe Aufnahme bzw. vornehmlich die Abwehr von Flüchtlingen im Mittelmeer und den nordafrikanischen Ländern der Aufrechterhaltung und Verteidigung des Status quo gilt. Von einem weniger verbrauchsintensiven Konsumstil wäre folglich zu erwarten, daß die vorhandenen Ressourcen theoretisch auf mehr Menschen verteilt werden könnten. Es wäre allerdings naiv anzunehmen, daß das ein Motiv der EU ist, warum sie den Anteil der Erneuerbaren Energien am Energiemix bis 2020 auf 20 Prozent und bis 2030 auf 27 Prozent anheben und bis 2050 unter anderem mit Hilfe Erneuerbarer Energien Kohlenstoffneutralität erreichen will.

Wer wo in der Welt wieviel Wasser direkt und indirekt verbrauchen kann, ist weniger eine Frage der natürlichen Voraussetzungen, als vielmehr dessen, wer über die erforderlichen Gewaltmittel verfügt, um seine Vorteile gegenüber den Ansprüchen anderer durchzusetzen.


Fußnote:

[1] The consumptive water footprint of the European Union energy sector, Davy Vanham et al (2019), Environ. Res. Lett. 14 104016.

22. Oktober 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang