Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REPORT

INTERVIEW/030: Down to Earth - Prof. Dr. Klaus Töpfer im Gespräch (SB)


Umweltpolitik, ihre Brennpunkte und Lektionen



Der ehemalige Bundesumweltminister und frühere Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms Prof. Dr. Klaus Töpfer hielt am zweiten Tag des 32. Weltkongresses der Geographie, der vom 26. bis 30. August 2012 an der Universität Köln veranstaltet wurde, die erste von zwei sogenannten Keynote Lectures. In seinem rund halbstündigen Vortrag unter dem Titel "On the way to the Anthropocene. Consequences for scientific research, societal understanding and political responsibility" (Auf dem Weg ins Anthropozän. Konsequenzen für wissenschaftliche Forschung, gesellschaftliche Verständigung und politische Verantwortung) sprach er über den wachsenden menschlichen Einfluß auf die Umwelt. Die Wissenschaft würde dem bereits eine quasi-geologische Wirkung attestieren und erwägen, dies das Erdzeitalter des Anthropozäns zu nennen, erklärte der Gründungsdirektor des Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS ). Im Anschluß an den Vortrag ergab sich für den Schattenblick die Gelegenheit, dem Referenten einige Fragen zu stellen.

Interviewpartner im Gespräch - Foto: © 2012 by Schattenblick

Prof. Dr. Klaus Töpfer und SB-Redakteur
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schattenblick: Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Rio+20-Konferenz, die in der Medienberichterstattung schon wieder in Vergessenheit zu geraten droht?

Prof. Dr. Klaus Töpfer: Wer mit realistischen Analysen nach Rio gefahren ist, der wird sehen, daß die Ergebnisse keineswegs hinter dem zurückfallen, was man erwarten konnte. Daß sie nicht so sind, wie wir sie brauchen, muß man hinzufügen, und so hoffe ich sehr, daß auch der Follow-up-Prozeß noch vieles weiterführt, was begonnen ist. Letzter Satz dazu: Ich war der Leiter der deutschen Delegation 20 Jahre zuvor. Als wir zurückkamen, wurde das auch massiv kritisiert, was wir gemacht haben. Heute ist jeder davon überzeugt, daß das ein wirklich wichtiger Schritt nach vorne gewesen ist. Etwas Ähnliches erhoffe ich mir nun auch, obwohl das eher unwahrscheinlich ist.

SB: Worauf könnten denn beispielsweise die Bewohner der flachen Inselstaaten oder Küsten von Bangladesch ihre Hoffnung richten, daß die internationale Gemeinschaft doch noch wirksame Maßnahmen zur Verhinderung des Meeresspiegelanstiegs beschließen wird?

KT: In Rio+20 war das nicht der zentrale Punkt, einfach deswegen, weil wir dafür ja mit der Conference of the Parties to the UN Framework Convention on Climate Change [1] ein eigenes Instrument haben. Aber ganz eindeutig: Das, was jetzt eingeleitet worden ist, reicht beim besten Willen nicht aus, um die Dramatik des Klimawandels in den Griff zu bekommen. Das sind ja die Überlegungen, die uns deswegen sehr viel stärker auch an die Frage der "adaptation" heranführen, der Anpassung an den Klimawandel, bis hin zu solchen Fragen, ob man das Klima nicht aktiv beeinflussen kann. Das bezeichnen wir als Climate Engineering. Alles dies sind Dinge, die darauf aufbauen. Es ist nicht so, daß ich dies gerne möchte, aber ich sehe in der Welt sehr viele Aktivitäten in dieser Richtung.

SB: Was kann an einer Ökonomie, die auf Wachstum beruht, nachhaltig sein?

KT: Auch die Natur ist durch Wachstum gekennzeichnet. Das Entscheidende ist, daß dieses Wachstum nicht aus dem Kreislauf herausführt. Überall dort, wo wir lineares Wachstum haben, wo wir gekennzeichnet sind durch Wegwerfen, durch Materialverzehr, überall dort ist Wachstum in einer Welt mit neun Milliarden Menschen nur schwer zu verantworten. Eine Welt mit soviel Menschen kann nicht eine Wegwerfgesellschaft sein. Deswegen ist es ganz wichtig, daß wir etwa wachsen über die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft, einer Kreislaufgesellschaft. Da gibt es sehr viele Möglichkeiten, wichtige Positionen zu besetzen. Sie sehen es ganz konkret in der Energie. Ich bin sehr davon überzeugt, daß es gelingt, von den erschöpflichen Ressourcen wegzukommen und uns den erneuerbaren Ressourcen und der Möglichkeit des Kreislaufs zuzuwenden.

SB: Wie bewerten Sie als ehemaliger Umweltminister die Entwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das eine Zeitlang ein großer Exportschlager war und jetzt etwas ausgebremst wird hinsichtlich der Solarförderung bei gleichzeitiger Unterstützung der großen Offshore-Windparks, also der "big technology"?

KT: Es ist sicherlich recht einfach zu verstehen, daß etwas, das am Anfang, als noch sehr wenige das machten, ein wirksames Instrument war, dann Probleme bereitet, wenn es in großem Umfange gemacht wird. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war durch die hohen Kosten für erneuerbare Energien gekennzeichnet, was keine Überraschung war, denn am Anfang sind alle solche Techniken sehr teuer. Das wurde umgelegt auf alle Verbraucher. Wenn aber nur wenig produziert wird, ist der Zuwachs bei allen Verbrauchern gering. Nun kippt das um. Es gibt immer weniger, die das vom Preis her runterführen könnten, und außerdem wissen wir alle, daß die erneuerbaren Energien eben keine kontinuierlich verfügbaren Energien sind. Das bringt viele notwendige Überlegungen mit sich, wie wir das "Design des Energiemarktes", wie wir es nennen, verändern. Das ist nicht ein Abgehen von der Förderung der erneuerbaren Energien, sondern eine dauerhafte Stabilisierung und Weiterentwicklung auf einem Weg, der eben einem Marktdesign mit so vielen nicht kontinuierlich erzeugten Energien gerecht wird.

SB: Die Nuklearkatastrophe von Fukushima hat angeblich keine Todesopfer gefordert und inzwischen wird der mehrfache Super-GAU teilweise schon als Erfolgsgeschichte gefeiert, weil ja niemand gestorben und das Ganze doch im Rahmen der Möglichkeiten, trotz aller Schwierigkeiten, bewältigt worden sei. Teilen Sie diese Einschätzung?

KT: Ich war vor kurzer Zeit in Fukushima. Ich bin in der Region gewesen, die eigentlich eine No-go-Area ist, wo man nur mit Sondergenehmigungen rein darf. Ich glaube, daß solche Wertungen die Dinge massiv verharmlosen, von den ökonomischen Konsequenzen ganz zu schweigen, denn alles dies ist ja mit enormen finanziellen Konsequenzen verbunden. Das würde mich weniger irritieren, aber es zeigt eben, daß solche Technologien nicht geeignet sind, den Energiebedarf einer Welt mit neun Milliarden Menschen zu befriedigen. Ich hatte heute nicht die Gelegenheit, über Energie zu sprechen, aber dazu hätte es gut Gelegenheit gegeben.

SB: Herr Töpfer, vielen Dank für das Gespräch.

Prof. Töpfer und SB-Redakteur - Foto: © 2012 by Schattenblick

Ein Plädoyer für die Kreislaufgesellschaft
Foto: © 2012 by Schattenblick

13. September 2012