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INTERVIEW/051: Rohstoff maritim - nach letztem Stand der Wissenschaft, Dr. Peter Buchholz im Gespräch (SB)


Internationaler Workshop zu den mineralischen Ressourcen des Meeresbodens vom 18. bis 20. März 2013 in Kiel

Interview mit Dr. Peter Buchholz, Leiter der Deutschen Rohstoffagentur (DERA), am 20. März 2013 im Anschluß an den Workshop "Seafloor Mineral Resources: scientific, environmental, and societal issues" in Kiel



Der Abbau mineralischer Rohstoffe vom Meeresboden steht in den Startlöchern. Noch sind die Fördertechnologien nicht im industriellen Maßstab erprobt und Rohstoffe aus terrestrischen Lagerstätten wirtschaftlich günstiger zu gewinnen. Doch die in der Tiefsee lagernden Manganknollen, Massivsulfide und Kobaltkrusten enthalten Rohstoffe, die von der Industrie gebraucht werden, wie zum Beispiel Kupfer, Kobalt, Zink, Nickel, Platin, Molybdän, Lithium, Gold, Indium, Germanium, Wismut und Selen sowie verschiedene Metalle aus der Gruppe der Seltenen Erden.

Um den marinen Bergbau ging es auch auf dem Workshop "Seafloor Mineral Resources: scientific, environmental, and societal issues" (Mineralische Ressourcen des Meeresbodens: wissenschaftliche, umweltbezogene und gesellschaftliche Fragen), der vom 18. bis 20. März 2013 von dem Kieler Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" zusammen mit dem GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung durchgeführt wurde.

Wie sieht gegenwärtig die globale Rohstoffversorgung aus - läßt sich eine Verknappung absehen? Was wären die "kritischen" Rohstoffe? Könnte der marine Bergbau eine wachsende Nachfrage decken und welche Bedingungen müßten dafür bestehen? Das waren einige der Fragen, die der Leiter der Deutschen Rohstoffagentur (DERA), Dr. Peter Buchholz, in seinem Vortrag "World metal production and future demands" (Weltmetallproduktion und zukünftiger Bedarf) auf dem Workshop angesprochen hat.

Portrait - Foto: © 2013 by Schattenblick

Dr. Peter Buchholz
Foto: © 2013 by Schattenblick

Die DERA, im Oktober 2010 gegründet und im März 2012 von Hannover nach Berlin-Spandau umgesiedelt, ist Teil der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die wiederum dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie untersteht. Die Rohstoffexperten der Behörde sollen die Politik beraten, Analysen für die Industrie erstellen und Maßnahmen vorschlagen, wie die Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft sichergestellt werden kann.

Nachdem in den neunziger Jahren ein allgemeiner Preisverfall bei Rohstoffen zu beobachten war, schnellte die Nachfrage im vergangenen Jahrzehnt vor allem als Folge der Produktivkraftentwicklung Chinas, dessen Bruttoinlandsprodukt häufig im zweistelligen Bereich wuchs, an. Auch der Export von chinesischen Gütern nahm von Jahr zu Jahr deutlich zu (einzige Ausnahme 2009).

Wenn ein Preisverfall bei Rohstoffen stattfindet, wird kaum noch in die Exploration für mineralische Ressourcen investiert, berichtete Dr. Buchholz. Umgekehrt gilt selbstverständlich das gleiche. Wenn die Nachfrage wächst, nimmt auch die Bereitschaft der Explorations- und Bergbauunternehmen zu, Rohstofflagerstätten zu erkunden und zu erschließen. Aus der Vergangenheit könne man lernen, daß die Rohstoffpreise real, also inflationsbereinigt, nicht kontinuierlich steigen. Natürlich weiß man nicht, was in der Zukunft passieren wird, erklärte der Referent.

Abgesehen vom Wirtschaftswachstum machte er auf einen zweiten wichtigen Nachfragefaktor aufmerksam. Durch neue Technologien verändert sich die Art des Rohstoffs, der verstärkt nachgefragt wird. Typisches Beispiel dafür sind die Metalle der Seltenen Erden, die unter anderem für Starkmagnete in Windrädern und Elektroautos verwendet werden.

Ein Problem des Markts für mineralische Rohstoffe besteht darin, daß sie vom Bedarf bestimmt werden. Der Bergbau reagiert mit fünf bis zehn Jahren Verzögerung auf einen plötzlichen Mehrbedarf, weil es so lange dauert, um ein neues Bergwerk zu erschließen. Der zeitliche Verzug im Rohstoffangebot hat bei der Preisentwicklung in der Vergangenheit immer wieder zu Zyklen geführt. Es handele sich um ein dem mineralischen Rohstoffmarkt inhärentes Versagen (inheritant market failure in mineral markets), erklärte der DERA-Leiter.

Er brauchte es nicht eigens zu erwähnen, aber an dieser Stelle kommt die Deutsche Rohstoffagentur ins Spiel, welche die Rohstoffmärkte analysiert, um Fehlentwicklungen auf den Rohstoffmärkten so früh wie möglich zu erkennen, und Unternehmen auf potentielle Preis- und Lieferrisiken hinweist.

Der Referent verdeutlichte auch, daß eine Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung von Afrika als Ressourcenkontinent und seiner relativ geringen Bedeutung für die globale Rohstoffproduktion besteht. Investoren gingen nach Kanada oder Australien, da sei das Investitionsrisiko geringer. Das Risiko des marinen Bergbaus müßte mit dem dieser beiden Länder vergleichbar sein, sonst werde man Schwierigkeiten haben, Investoren zu finden, lautete die Einschätzung von Dr. Buchholz. Im Falle des Tiefseebergbaus in der "Area (= Gemeinsames Erbe der Menschheit)", die von der Internationalen Meeresbodenbehörde verwaltet wird, besteht ein derartiges "Länderrisiko" allerdings nicht.

Unbewohnte Blech- und Holzhütten am Hang - Foto: Andrew Dunn, 1992, freigegeben als CC-BY-SA-2.0 Generisch via Wikimedia Commons

Hinterlassenschaft des einstigen Rohstoffbooms: Geisterstadt von Jerome, Arizona. Einst wurde hier Kupfer, Gold und Silber abgebaut. Die einheimischen Yavapai wurden im Winter 1872/73 unterworfen und ins Reservat gesteckt. Keine zwanzig Jahre später begann der industrielle Bergbau und brachte der hier tätigen United Verde Mine einen Milliardenumsatz ein. 1953 schloß die letzte Kupfermine, als sich der Abbau nicht mehr rentierte
Foto: Andrew Dunn, 1992, freigegeben als CC-BY-SA-2.0 Generisch via Wikimedia Commons

Nach Abschluß des dreitägigen Workshops ergab sich für den Schattenblick die kurze Gelegenheit für einige Nachfragen an den Referenten.

Schattenblick: Befürwortet die Deutsche Rohstoffagentur den Bergbau am Meeresboden?

Dr. Peter Buchholz: Sowohl an Land als auch im Meer müssen Umweltgutachten einer Bergbauaktivität immer vorausgehen. Davon hängt es unter anderem ab, ob Bergbau dann möglich ist oder nicht. Wenn alle Parameter wie Umweltverträglichkeit und Sozialverträglichkeit genauestens untersucht werden und die Rechtssituation eingehalten wird, ist Bergbau sowohl an Land als auch im marinen Bereich für eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung wichtig.

SB: Was unterscheidet Ihre Arbeit von der eines Rohstoffhändlers oder Ökonomen, die sich ja auch mit der Voraussage von Ressourcenentwicklungen befassen? Was macht das Spezifische Ihres Berufs aus?

PB: Als Behörde haben wir natürlich die volkswirtschaftlichen Aspekte im Blick, wie sich Angebot und Nachfrage langfristig entwickeln. Und auf der Basis bewerten wir die Märkte.

SB: Sie sprachen heute vormittag in Ihrem Vortrag davon, daß China seit einigen Jahren Preistreiber für Rohstoffe ist. Das entspricht auch der allgemeinen Lesart, aber ist nicht China auch die Werkbank der Welt? Ist es nicht ungenügend, hier nur den Blick auf ein einziges Land zu richten? Oder ist die Binnennachfrage Chinas so groß, daß dort die ganzen Rohstoffe verbraucht werden?

PB: China ist in jedem Fall der Treiber bei der Rohstoffnachfrage, und das wird auch mittelfristig so bleiben. Natürlich haben die Industrienationen einen erheblichen Anteil an der globalen Nachfrage. Wir sehen aber nicht, daß andere Schwellenländer in den nächsten fünf bis zehn Jahren die Nachfrage auf den Rohstoffmärkten wesentlich beeinflussen werden.

SB: Die Frage hob auch auf die Sichtweise ab, daß China den Rohstoffboom ausgelöst haben soll. Ich frage mich, ob man nicht die gesamte Infrastruktur der globalen Handelsströme bedenken müßte.

PB: Ja, das ist sicherlich richtig, dafür müßte man im Detail über Export- und Importzahlen und Rohstoffinhalte der Waren verfügen. Hierzu gibt es aber keine Statistiken. Aber sicherlich - "Werkbank der Welt" -, die hohen Exporte in die weite Welt schlagen sich natürlich bei der Rohstoffnachfrage Chinas nieder.

SB: Habe ich das in Ihrem Vortrag richtig verstanden, daß für Sie das Risiko hinsichtlich der Verfügbarkeit eines Rohstoffs wächst, wenn eine Firmenkonzentration auftritt?

PB: Nein, nicht unbedingt. Bei der Betrachtung der Firmenkonzentration in einem Rohstoffmarkt kommt es darauf an, ob Firmen tatsächlich ihre Marktmacht ausüben oder nicht. Jeder Rohstoffmarkt ist hier anders. Alle Firmen haben ein Interesse, ihre Rohstoffe zu verkaufen, aufgrund von Substitutionsmöglichkeiten können sie nur bedingt eine Marktmacht ausüben. So ein Ersatz löst natürlich auch einen Gegendruck von der Abnehmerseite her aus.

Wir untersuchen aber auch die Länderkonzentration der Rohstoffproduktion. In den Ländern, in denen die Rohstoffe konzentriert sind und die ein erhöhtes Länderrisiko haben, muß man zweimal hinschauen. Weil wir nicht wissen, ob diese Länder in Zukunft Restriktionen im Bergbausektor einführen oder Rohstoffexporte begrenzen, ist der Rohstoffbezug aus diesen Ländern mit Risiken behaftet. Derartige Risiken bestehen beim Tiefseebergbau jenseits nationaler Jurisdiktion nicht. In diesem Gebiet hat man es nämlich mit einer einzigen, völkerrechtlich durch die Gesamtheit der Signatarstaaten zum Seerecht legitimierten Institution zu tun, der Internationalen Meeresbodenbehörde.

SB: In der Diskussion im Anschluß an Ihren Vortrag sprach Prof. Mark Hannington [1] davon, daß in den Abraumhalden der Bergbaukonzerne noch Rohstoffe von Interesse schlummern. Kommt es vor, daß mancher Abraum erzhaltiger ist als eine Lagerstätte, die aufgeschlossen werden soll?

PB: Es gibt Halden, die wirtschaftlich sehr interessant sind, doch grundsätzlich kann man nicht sagen, daß sie höhere Gehalte aufweisen als Primärlagerstätten. Aber es lohnt sich auf jeden Fall bei den gestiegenen Preisen, die alten Halden neu zu bewerten, und es kann sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch sinnvoll sein, sie wieder aufzubereiten.

SB: Herr Dr. Buchholz, vielen Dank für das Gespräch.

Türkisblaues Wasser fließt den Hang einer Abraumhalde hinunter - Foto: Andrew Dunn, freigegeben als CC-BY-SA-2.0 Unported via Wikimedia Commons

Abraumhalde des einstigen Kupferbergbaus in Jerome, Arizona. Weithin sichtbares Signal, daß hier nicht sämtliche Rohstoffe herausgelöst wurden
Foto: Andrew Dunn, freigegeben als CC-BY-SA-2.0 Unported via Wikimedia Commons


Fußnoten:

[1] Prof. Mark Hannington, Department of Earth Sciences der University of Ottawa
http://www.earth.uottawa.ca/details.php?id=60&lang=eng


Weitere Berichte und Interviews zum Kieler Workshop "Seafloor Mineral Resources: scientific, environmental, and societal issues" finden Sie, jeweils versehen mit dem kategorischen Titel "Rohstoff maritim", unter

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http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_bericht.shtml

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4. April 2013