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INTERVIEW/088: Treffen der Wege - Ökoideologische Träume ..., Biobauer Sepp Braun im Gespräch (SB)


Die Farbe der Forschung II
Das Innovationspotenzial von Beziehungen

Symposium am 7./8. März 2014 in Berlin

Josef Braun über die Vernetzung von Wald, Wiese und Acker



Mit den Worten: "Wenn in Deutschland ein Biobauer ein Problem mit seinem Betrieb hat, heißt es immer, frag nur den Sepp, der weiß Rat..." wurde der Landwirt Josef Braun des Biolandhofs Braun als Referent auf dem Symposium "Die Farbe der Forschung II" eingeführt. Tatsächlich sammelt der aus der konventionellen Landwirtschaft und Saatzucht stammende Biobauer die neuesten Erkenntnisse der anerkannten wie unkonventionellen Wissenschaft, mischt sie mit vergessenem altem Wissen neben Althergebrachtem und setzte sie in der Praxis zu einem bioökologischen Musterbetrieb "Biolandhof Braun" um, dessen heile Welt er wenig genießen kann, weil er rumreist, um darüber Vorträge zu halten und sie anderen Bauern vorzuführen, oder in den Kamerafokus des für die Sparte naturnahe Landwirtschaft und Anti-Gentechnik profilierten Filmemachers Betram Verhaag gerät, der einen Film über den "Bauern mit den Regenwürmern" drehte.

Schweine und Ferkel erkunden ihren aus angebauten Hecken und Büschen bestehenden Abenteuerspielplatz - Foto: © 2014 by Schattenblick

Der Traum von Glücklichen Schweinen ...
An die Wand projiziertes Bild aus dem Vortrag von Sepp Braun am 7. März 2014 Berlin
Foto: © 2014 by Schattenblick

Josef Braun spricht nicht nur über eine bessere Vernetzung zwischen Weide, Wald und Acker, er läßt sie zu: Schweine weiden auf seinem Hofe ebenso auf Gras wie Rinder. Die Büsche und Hecken, mit denen die Weiden begrenzt werden, wurden nach veterinärischen Gesichtspunkten ausgewählt, denn so könnten sich Kühe, die sich nicht wohlfühlen, instinktiv selbst mit den Mitteln versorgen, die in diesen Pflanzen enthalten sind. Sepp Braun nutzt die Erdwühlarbeiten der Regenwürmer und bereitet ihnen dafür mit dem letzten gemulchten Schnitt ein wahres Wurmeldorado. Mit dem regenwurmparadiesartigen Zuständen (350 fände man in einem Quadratmeter gesundem Boden, 18 in dem eines konventionellen Betriebs) lockt er Singvögel an, deren Gesang nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Spaltöffnungen der Pflanzen weiter öffnet und so einen besseren Stoffaustausch (Biomasseproduktion) möglich macht. Er holt den Wald auf den Acker (Agroforst), um das Sonnenlicht optimal für die Biomasseproduktion zu nutzen. Er arbeite mit der Natur, statt, wie in der konventionellen Landwirtschaft, gegen sie. Nur durch gute, lebendige Böden könnten seiner Ansicht nach gute Voraussetzungen für das dauerhafte Gedeihen von Pflanzen geschaffen und damit auch die Gesundheit der Tiere wie letztlich die Welternährung sichergestellt werden. Deshalb sorgt Sepp Braun dafür, daß seine Böden nicht übermäßig verdichtet werden und ihre Mikro- und Makrofauna intakt bleiben. Er lerne - wie er sagt - durch Beobachtung der Natur und einen umsichtigen Umgang damit, was sich seiner Meinung nach auch in der Qualität des Ertrags auszahlt.

Am Rande der Veranstaltung ergab sich für den Schattenblick die Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit ihm.

Foto: © 2014 by Schattenblick

Wir haben noch den 'Ackerbau der Steinzeit',
Josef Braun
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Du hast in deinem Vortrag den Ackerbau als "Ackerbau der Steinzeit" bezeichnet. Warum?

Josef Braun (JB): Wenn wir das Getreide als Monokultur anbauen, nehmen wir in Kauf, daß die Sonne ab Mitte Juni, wenn es in die Gelbreife geht, praktisch ungenutzt wieder in die Atmosphäre zurückstrahlen kann. Sollten wir wirklich nachhaltig Ackerbau betreiben wollen, dann müßten wir, wie es uns die Natur vormacht, in möglichst vielen verschiedenen Pflanzen und Bäumen, am besten in unterschiedlicher Höhe, über die Photosynthese viel Sonnenenergie speichern. Das ist eigentlich eine ganz einfache Botschaft.

SB: Warum wird das bisher nicht gemacht? Ist das denn eine neue Erkenntnis?

JB: Nein, das ist eine ganz alte Erkenntnis. Aber bisher war es nicht notwendig, darüber nachzudenken, weil die fossile Energie so günstig ist, daß sich über das Haber-Bosch-Verfahren [1] der Stickstoff so billig erzeugen läßt, den man für Kunstdünger braucht. Solange das so preiswert geht, wird es keine neuen Verfahren geben. Aber sobald Energie teurer wird, wird man über die Nutzung von anderen Ressourcen nachdenken müssen.

SB: Was ich in deinen Ausführungen auch sehr bemerkenswert fand, ist, daß der Gesang der Singvögel die Getreidepflanzen dazu anregt, ihre Spaltöffnungen weiter zu öffnen, so daß dadurch mehr Energie umgesetzt wird. Ist das ein Erfahrungswert von dir?

JB: Nein. Das ist kein Erfahrungswert von mir, es gibt inzwischen in den USA und in Kanada wissenschaftliche Versuche mit künstlicher Beschallung auf Feldern, wo man zeigen kann, daß dieser Zusammenhang tatsächlich so besteht.

Der Wald wird entsprechend seiner höheren Produktion gigantisch dargestellt, der Mais dagegen geradezu mickrig - Foto: © 2014 by Schattenblick

Schaubild zur Biomasseproduktion des Waldes im Vergleich zum Mais
Foto: © 2014 by Schattenblick

SB: Zu deinem Schaubild mit dem Vergleich der Biomasseleistung - der Wald und der Mais: Würde nicht ein Vertreter der Maislobby sagen, der Mais wird jedes Jahr geschnitten und verarbeitet und dann hat man nach zehn Jahren auch eine dem Wald entsprechende Biomasse?

JB: Nein, der Mais hat, zumindest laut Aussage der Forstwissenschaftler, die halbe Photosyntheseleistung wie der Mischwald. Und heute wurde gesagt, daß die Pflanzen immer nur zehn Prozent der Energie für sich selber verwenden. 90 Prozent gehen in den Boden, um das Leben dort zu ernähren. Der Mais bringt ungefähr 25 Tonnen Trockenmasse oberirdisch und unterirdisch. Das heißt, er hat dann 250 Tonnen in den Boden geliefert. Also das Zehnfache. Wenn aber der Mischwald nicht 25, sondern 50 Tonnen hat, heißt das eben, daß der Mischwald nicht 250 Tonnen in den Boden bringt, sondern 500 Tonnen. Und dann wird es richtig spannend. Das heißt, dann können über diesen Mischwald auch noch zum Teil Humus und Bodenfruchtbarkeit aufgebaut werden.

SB: Warum sprichst du von "Agroforst-Wirtschaft" und unterscheidest sie von der Forstwirtschaft?

JB: Agro heißt, daß man im Prinzip den Wald auf den Acker holt.

SB: Mir ist in Schleswig-Holstein aufgefallen, daß man dort die Knicks [2], die Bäume, die dort zur Feldbegrenzung extra angepflanzt werden, immer wieder abholzt. Die Bauern sagen, sie tun das, damit die Felder trocknen, denn auf den Weiden und Feldern ist es so naß. So kann dann der Wind tatsächlich reingreifen und sie austrocknen.

JB: Die Wasserforscher haben festgestellt, daß es einen regionalen und einen globalen Wasserkreislauf gibt. Wenn man diese Knicks abholzt, dann passiert folgendes, daß tatsächlich das Wasser, was im regionalen Kreislauf gespeichert geworden ist, in den globalen Wasserkreislauf übergeht. Dann kommt es bei uns als Italientief oder Sturm und in den USA als Katrina wieder runter. Das heißt umgekehrt, wenn wir die Landschaft tatsächlich wieder vernetzten, könnten wir die Wasserkreisläufe wieder schließen. Das Klima könnte dadurch wieder stabiler werden. Und ich wette mit euch, daß die großen Trockenflächen in Brandenburg in zehn Jahren zur Wüste geworden sind. Aber wenn man die Landschaft wieder vernetzen würde, das ist weltweit mehrmals durch Wasserforschungen erprobt, würde der Niederschlag zunehmen und das Klima gleichmäßiger werden.

Das geht sogar so weit, wie man anhand von Computer-Simulationsmodellen nachstellen konnte, daß der Orkan Wiebke 1990 [3] keine irreparablen Schäden verursacht hätte, wenn dort die Landschaft entsprechend ökologisch aufgebaut gewesen wäre.

Vor kurzem stand im Business-Teil der Süddeutschen ein Artikel über den Bau von großen Windkraftanlagen vor der Küste in den USA, um die Hurricans abzuhalten. Statt dessen könnte man die ausgeräumte Landschaft wieder vernetzen. Eine weitere Aussage der Wasserforscher: Wenn wir alle Bäume und Sträucher, die wir in den letzten 100 Jahren gerodet haben - von den Knicks über die Flurbereinigung bis zum tropischen Regenwald -, wieder pflanzen würden, dann würde sich allein durch den höheren Blattflächenindex in Verbindung mit der höheren Wasserverdunstung eine Kühlzone entwickeln, die 0,8 Temperaturerhöhung wieder auf Null absenken würde. Das heißt, wenn wir wirklich ernsthaft den Klimawandel aufhalten wollten, dann müßten wir uns einfach wieder die Natur zum Vorbild nehmen. Wir könnten innerhalb von 20 Jahren diesen Klimawandel umkehren, wirklich umkehren. Das ist so einfach, daß es keiner glaubt. Und dann müßten wir wieder Vertrauen in die Natur kriegen. In den USA werden inzwischen unbemannte Schiffe mit riesigen Turbinen gebaut, die Meerwasser ansaugen, um über die Verdunstung ...

SB: ... die Wolkenbildung anzuregen als eine Art Geo-Engineering, Klima-Engineering.

JB: Genau. Das können wir mit der Landnutzung noch wesentlich besser.

SB: Du sprachst vom pfluglosen Bewirtschaften. Ich hatte immer den Eindruck, daß "pflugloser Ackerbau" zumindest von Bodenkundlern mit einer stärkeren Herbizidbelastung gleichgesetzt wird. Ist das der Kompromiß, den ein Biobauer eingehen muß? Ist das bei dir auch so?

JB: Nein, aber bei mir geht das auch nur deshalb ohne Herbizide, weil ich eine ganze Reihe von diesen Gesetzmäßigkeiten der Natur beachte. Ich habe erstens eine Fruchtfolge mit 40 Prozent Kleegras, wo der Boden intensiv bewurzelt wird, während ich gleichzeitig im Getreidebau viel mit Mischkultur arbeite, so daß ich gewissermaßen über die Wurzeln den Boden bebauen kann. Für mich sind die Wurzeln der Pflanzen, um das mal bildlich auszudrücken, wie ein Holzhaus in Ständerbauweise. Da sind die Wurzeln das Gerüst des Hauses, so daß der Boden stabil bleibt. Zweitens setze ich keine schweren Maschinen ein, verdichte also den Boden nicht noch mehr. Und drittens helfen mir dann einfach die Regenwürmer, die dafür sorgen, daß der Boden gut durchlüftet wird. Und dann muß ich natürlich leider bisher Kleegras noch umbrechen, da hab ich halt die Maschine dafür in meinem Vortrag gezeigt, daß ich das möglichst ganz flach, also nur 6 cm tief abfräse. Das muß ich allerdings machen. Da greif ich allerdings auch ein Stück weit mit Gewalt in den Boden ein. Und dann wird dieses ganze Wurzelgeflecht durch die angetriebene Walze noch mal enterdet und kommt an die Oberfläche. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten, die Konkurrenz zwischen Unkraut und Ackerpflanze loszuwerden: entweder ersticken durch einen Pflug oder durch Vertrocknen. Den Pflug wollen wir nicht. Das heißt also, man muß effizient vertrocknen. Aber dafür wird keine spezielle Technik entwickelt und keine chemischen Mittel angewendet, das machen wir selber. Ganz einfach.

SB: Vielen Dank Sepp Braun, für das ausführliche Gespräch.

Blütendolde der Scharfgabe. - Foto: 2004 by Kristian Peters freigeben via Wikimedia als CC-BY-SA-3.0 Unported

Scharfgarbe - eines von 12 Kräutern der Kleegraskräutermischung, die neben Wiesenrispe, Wiesenrotklee, Weideluzerne, Hornschotenklee, Weißklee, Gelbklee, Wiesenknopf, Sauerampfer, Kümmel, Spitzwegerich die Gesundheitsbasis für Boden und Tiere bildet.
Foto: 2004 by Kristian Peters freigeben via Wikimedia als CC-BY-SA-3.0 Unported


Fußnoten:

[1] Das Haber-Bosch-Verfahren ist ein chemisches Verfahren zur Herstellung von Ammoniak aus den Elementen Stickstoff und Wasserstoff. Es ist nach seinen Entwicklern Fritz Haber und Carl Bosch benannt. Es ist das bedeutendste industrielle Verfahren zur Umwandlung des unreaktiven Luftstickstoffs in eine nutzbare Stickstoffverbindung. Ammoniak braucht man zur Herstellung von Kunstdünger, welcher die Voraussetzung für die Ernährung eines Großteils der Weltbevölkerung war und ist. Das Haber-Bosch-Verfahren ermöglichte es aber auch, bei der Herstellung von Sprengstoff ohne natürliche Salpetervorkommen auszukommen.

[2] Die in Schleswig-Holstein gebräuchliche Bezeichnung "Knick" (Mehrzahl: Knicke oder Knicks) bezeichnet dort wallartige Baum- und Strauchhecken, die im 18. Jahrhundert im Rahmen der Verkopplung (Gemeindeteilung) als "lebende Zäune" angelegt wurden. Ein typischer Knick bildet eine relativ dichte grüne "Wand" aus Sträuchern und Bäumen. Der Begriff leitet sich von der Pflegetätigkeit ab, nämlich dem Knicken bzw. Beugen von Zweigen, dünnen Ästen oder sehr jungen Bäumen. Als Knick definiert das Land Schleswig-Holstein einen an gegenwärtigen oder ehemaligen Grenzen landwirtschaftlicher Nutzflächen oder zur Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft angelegten Erdwall, der mit vorwiegend heimischen Gehölzen, Gras- oder Krautfluren bewachsen ist.

[3] Wiebke war ein schwerer Orkan, der in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 1990 über Deutschland, Teilen der Schweiz und Österreichs wütete. Er schloß eine Reihe schwerer Orkane ab, die im Spätwinter 1990 West- und Mitteleuropa heimsuchten. Insgesamt forderte der Sturm 35 Todesopfer. Wiebke erreichte Windgeschwindigkeiten von 130 bis 200km/h, am Jungfraujoch in der Schweiz gab es sogar Orkanböen von 285 km/h. Der entstandene Schaden in der Forstwirtschaft, an Häusern oder Autos ging in die Milliarden. Besonders in Mittelgebirgsregionen wurde eine große Anzahl von Bäumen, aber auch ganze Fichten-, Douglasien- und Buchenbestände wie Streichhölzer geknickt oder geworfen. Hochrechnungen gehen von 60 bis 70 Millionen Festmetern Sturmholz aus, das entsprach damals in etwa dem doppelten Jahreseinschlag in Deutschland. Infolge aufgeschobener Durchforstungsmaßnahmen waren die Schadensursachen im Forst mancherorts hausgemacht.


Weitere Berichte und Interviews zum Berliner Symposium "Die Farbe der Forschung II" vom 7. und 8. März 2014 finden Sie unter dem kategorischen Titel "Treffen der Wege":
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_bericht.shtml
und
http:/www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_interview.shtml

BERICHT/067: Treffen der Wege - Ökosynaptische Knoten (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0067.html

BERICHT/068: Treffen der Wege - Urknallverständigung (SB)
Gedanken zum Vortrag von Saira Mian "Am Schnittpunkt von Kommunikationstheorie, Kryptographie und Agrarökologie"
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0068.html

BERICHT/070: Treffen der Wege - Von Auflösungen auf Lösungen (SB)
Über den Vortrag von Ina Praetorius "Beziehungen leben und denken. Eine philosophische Spurensuche"
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0070.html

INTERVIEW/077: Treffen der Wege - Reform alter Werte, Ina Praetorius im Gespräch (SB)
Ina Praetorius über Beziehungen, den Wandel wörtlicher Werte und das Postpatriarchiale Durcheinander
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0077.html

INTERVIEW/078: Treffen der Wege - Das Flüstern im Walde, Florianne Koechlin im Gespräch (SB)
Florianne Koechlin über das Bewußtsein und die Würde von Pflanzen sowie über Grenzen, die der Mensch verletzt
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0078.html

INTERVIEW/089: Treffen der Wege - Jürgen Friedel im Gespräch
Professor Dr. K. Jürgen Friedel über Pflanzennährstoffmobilisierung, Nährstoffwirkung, Nährstoffmangel, Forschungsmethoden und Rudolf Steiner
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0089.html

7. April 2014