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INTERVIEW/186: CO2-Speicher Erde - grünes Licht für dunkle Kanäle ...    Dr. habil. Axel Liebscher im Gespräch (SB)


Tag der offenen Tür am Pilotstandort zur geologischen CO2-Speicherung in Ketzin am 21. Mai 2015

Dr. habil. Axel Liebscher über die Vorteile des Standorts Ketzin zur CO2-Speicherung, die von den Forschern eingesetzten Meßverfahren und die gelungene Darstellung der Ausbreitung der CO2-Injektionsblase durch die Seismik


Nachdem im Laufe der Industrialisierung große Mengen an kohlenwasserstoffhaltigen Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas) aus der Erde herausgeholt und verbrannt wurden und man entdeckt hat, daß die dabei entstandenen Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2) die globale Erwärmung verstärken, soll das Treibhausgas nun wieder zurück in die Tiefen der Erde gedrückt werden. Geologische Speicherung von CO2 oder auch CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage, z. Dt.: Kohlendioxid-Abscheidung und Lagerung) nennt sich das Verfahren, das zur Zeit in mehreren Ländern erforscht wird. Deutschland hat im brandenburgischen Ketzin an der Havel einen Pilotstandort zur Erkundung dieser Technologie eingerichtet, der von dem Potsdamer GeoForschungsZentrum (GFZ) geleitet wird. Die Arbeiten befinden sich bereits in der Abschlußphase, im Jahr 2018 soll die Anlage abgebaut und der ursprüngliche Zustand der grünen Wiese wieder hergestellt werden.

Wie wir berichteten [1], bildet das Konzept der geologischen CO2-Speicherung einen Notnagel, der tief in die Erde geschlagen wird, damit sich die Menschheit zumindest vorübergehend daran festhalten kann, so daß die globale Durchschnittstemperatur nicht um deutlich mehr als zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau steigt. Ob der "Nagel" hält, was er verspricht, wird unter anderem an Pilotstandorten wie Ketzin erkundet.


Betriebsgelände Pilotstandort Ketzin - Große Plakatwand mit Fotos der Anlage unter dem Titel 'CO2-Einspeisung - Juni 2008 bis August 2013' - Foto: © 2015 by Schattenblick

Der Rückbau schreitet voran - die großen CO2-Tanks sind nur noch auf der Plakatwand zu sehen.
Foto: © 2015 by Schattenblick

Wenn die Verzweiflung wächst und viele Millionen Menschen unter dem Klimawandel leiden, dann könnte die Politik eines Tages fordern, daß wirksamere Maßnahmen des Klimaschutzes ergriffen werden, beispielsweise indem Schwefelpartikel in der Stratosphäre verteilt werden, um dadurch die Sonneneinstrahlung zu verringern. Auf diesen Fall sollte die Wissenschaft vorbereitet sein, lautete der Standpunkt einiger Teilnehmer der ersten internationalen Konferenz zum "climate engineering" (auch Geoengineering bzw. Geo-Engineering genannt) im vergangenen Jahr in Berlin. [2]

Andere Wissenschaftler lehnten solche Konzepte des Solar Radiation Managements, SRM, (z. Dt.: Beeinflussung der Sonneneinstrahlung), die absehbar schwerwiegende Kollateralschäden mit sich brächten, entschieden ab und forderten, daß man mehr Anstrengungen unternehmen sollte, um die Erderwärmung durch die Reduktion der anthropogenen Treibhausgasemissionen zu bremsen; dann bräuchte man kein SRM.

Die geologische Speicherung von CO2, wie es am Pilotstandort Ketzin westlich von Berlin seit dem Jahr 2004 erkundet wird, ist einem anderen Methoden-Set des "climate engineering" zuzurechnen, das nach Einschätzung von Wissenschaftlern als weniger gefährlich angesehen wird, dem Carbon Dioxide Removal, CDR, also dem Entfernen von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre. Wobei das Treibhausgas eigentlich gar nicht in die Atmosphäre gelangen würde, sondern schon vor, währenddessen oder unmittelbar nach der Verbrennung fossiler Energieträger abgefangen würde. Vermutlich aus diesem Grund schreibt das Umweltbundesamt (UBA) im April 2011, daß CCS üblicherweise nicht zu den Geo-Engineering-Methoden gezählt wird. Dennoch behandelt die Behörde das Verfahren in einer Studie unter eben diesem Titel: "GEO-ENGINEERING - wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn?". [3]

Das UBA schreibt, daß alle Geo-Engineering-Maßnahmen eines auszeichnet: "Sie gehen von der Möglichkeit aus, dass sich die globale Erwärmung mit großtechnischen Lösungen rückgängig machen oder verringern lässt. Geo-Engineering setzt daher nicht an den Ursachen des anthropogenen Treibhauseffekts an. Vielmehr sollen nur die Auswirkungen beeinflusst und gemindert werden. Im Unterschied zum klassischen Klimaschutz werden beim Geo-Engineering die Emissionen der Treibhausgase nicht reduziert. Da es sich bei den meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen um großräumige technische Eingriffe in das sehr komplexe Klimasystem der Erde handelt, sind die Folgen schwer einzuschätzen."

In Deutschland gibt es Dutzende unterirdische Speicher, in denen Erdgas unter hohem Druck für den Bedarfsfall eingelagert wird, insofern sollte man meinen, daß die geologische Speicherung von einem anderen Gas, eben des Kohlenstoffdioxids, technisch keine neue Herausforderung darstellt. Doch schreibt selbst die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im August 2010 in ihrem Abschlußbericht mit dem Titel "Anforderungen und Vorschläge zur Erstellung von Leitfäden und Richtlinien für eine dauerhafte und sichere Speicherung von CO2": "Die bestehenden technischen Regelwerke zur Untertagespeicherung von Erdgas sind nicht auf die Speicherung von CO2 übertragbar, so dass es neuer Anforderungen an CO2-Speicher und entsprechender Leitfäden für die CO2-Speicherung bedarf - vor allem für die Langzeitsicherheit und die Überwachung." [4]

Von "Unsicherheiten" in der "Nachabschlußphase" berichtete im vergangenen Jahr auch eine Forschergruppe unter anderem vom GFZ in der Studie "CO2 Storage Uncertainty and Risk Assessment for the Post-closure Period at the Ketzin Pilot Site in Germany". [5]

Nun hat ein "Pilotstandort" ja genau den Zweck, bestehende Unsicherheiten zu benennen und gegebenenfalls auszuräumen, andernfalls man ihn gar nicht erst einzurichten bräuchte. Einer der Forschungsschwerpunkte in Ketzin ist das chemische Verhalten des injizierten CO2. In Verbindung mit Wasser bildet es zu einem geringen Prozentsatz Kohlensäure, die eine schwache Säure ist, wie sie auch in Sprudelgetränken vorkommt. Aber die CO2-Injektion bleibt nicht ohne Wirkung auf kalkhaltige Verbindungen. Deshalb werden beispielsweise die Bohrlöcher in Ketzin nach Abschluß der Arbeiten mit einem Spezial- und nicht mit dem handelsüblichen Portlandzement verfüllt, weil dieser auf die Dauer in der sauren Umgebung angegriffen würde.

Insofern könnte man die Frage aufwerfen, ob CO2 nicht nur "passiv" an der Verwitterung von Gestein beteiligt ist, sondern diese auch noch "aktiv" verstärkt. So schreibt das Umweltbundesamt: "Bei der Verwitterung werden Silikatgesteine unter Einwirkung von Kohlensäure, die durch Lösung von CO2 in Regen- oder Bodenwasser gebildet wird, aufgelöst. Dabei entsteht lösliches Kalziumkarbonat, das über die Flüsse ins Meer gelangt. Die Verwitterung beeinflusst in erheblichem Maße die CO2-Konzentration der Atmosphäre und der Ozeane."

Allerdings schreibt das UBA gleichfalls, daß dieser Prozeß nur sehr langsam abläuft und auf diese Weise pro Jahr nur etwa 0,1 Gigatonnen Kohlenstoff gebunden werden. Auf annähernd der gleichen Linie bewegen sich auch die Aussagen des Leiters des Pilotstandorts Ketzin, Dr. habil. Axel Liebscher, der sich am 21. Mai 2015 beim Tag der offenen Tür dem Schattenblick für ein Interview zur Verfügung stellte, das wir im folgenden veröffentlichen. Er sagte, daß chemische Effekte des injizierten CO2 zu beobachten sind, aber daß sie mengenmäßig keine signifikante Rolle spielen.


Beim Interview - Foto: © 2015 by Schattenblick

Dr. habil. Axel Liebscher
Foto: © 2015 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Was zeichnet Ketzin als Standort für die Pilotanlage aus? Warum wurde dieser Ort gewählt?

Axel Liebscher (AL): Es gab mehrere Gründe, Ketzin auszuwählen. Einer war zunächst einmal die Nähe zum GeoForschungsZentrum in Potsdam, was für uns kurze Wege bedeutete. Der zweite Grund war, daß hier am Standort früher eine Stadtgas- und später Erdgasspeicherung betrieben wurde. Das heißt, der Standort war auch von der Geologie her sehr gut bekannt, so daß die ganzen Erkundungsarbeiten sehr viel leichter durchzuführen waren. Drittens haben wir hier als Projektpartner die Verbundnetz Gas GmbH, VNG, die den ehemaligen Erdgasspeicher betrieben hat, so daß wir auf eine gewisse Infrastruktur und Gebäude zugreifen konnten. Außerdem besaß VNG auch von der bergrechtlichen Seite schon die Erlaubnis zur Speicherung. Diese Gründe zusammengenommen haben dann dazu geführt, daß wir gesagt haben, das ist ein geeigneter Standort für so einen Pilotstandort.

SB: Waren aufgrund der geologischen Vorerkundungen dann keine Überraschungen im Untergrund aufgetreten?

AL: Genau, das erwartete Bild hat sich bestätigt. Natürlich mußte einiges angepaßt werden, aber das generelle Bild hat gestimmt.

SB: Was beobachten Sie mit den Temperatur- und geoelektrischen Messungen in den Bohrungen?

AL: Fangen wir zunächst mit den geoelektrischen Messungen an. Wir nutzen hier einen salinen Aquifer, einen tiefen, salzwasserführenden Speicher. Der hat eine sehr gute elektrische Leitfähigkeit. Durch die Injektion von CO2 verdrängen wir das Salzwasser aus dem Porenraum des Gesteins und ersetzen es durch CO2, das eine sehr geringe Leitfähigkeit besitzt. Eigentlich ist es ein Isolator. Das heißt, die Leitfähigkeit des Speichergesteins ändert sich durch die Injektion von CO2 dramatisch. Und diese Änderungen können wir mit der Geoelektrik messen und darüber zum einen die Ausbreitung von CO2 überwachen und zum anderen auch Sättigungen ausrechnen: Wieviel von dem Porenraum ist mit CO2 und wieviel ist immer noch mit Salzwasser gefüllt?

Zu den Temperaturmessungen: Das waren primär Messungen, die wir beim operativen Teil vorgenommen haben. Wir wollten einfach wissen, mit welcher Temperatur das CO2 über die Bohrung in den Speicher eintritt. Das CO2 sollte in etwa die Temperatur haben, wie sie auch im Speicher vorlag, so daß es da nicht zu thermischen Problemen kommt, entweder weil das CO2 zu warm war und man das Gestein aufheizt oder umgekehrt weil es kälter als der Speicher war, was dann vielleicht zu thermischen Spannungen hätte führen können. Dafür waren die Temperaturmessungen eigentlich primär gedacht. [6]

SB: Im Zusammenhang mit der Erdöl- und Erdgasfördermethode des Frackings wird gesagt, daß kaum ein geologischer Standort wie der andere ist, das zeige sich unter anderem an den verschiedenen Chemikalien, die bei den jeweiligen Bohrlöchern neu zusammengemischt und eingesetzt werden. Sind die Daten, die Sie hier durch Ihre Messungen gewinnen, auf andere geologische Standorte übertragbar?

AL: Zunächst einmal möchte ich klarstellen, daß wir hier kein Fracking machen. Es gibt Daten, die man sicherlich auf andere Standorte übertragen kann, und es gibt genauso standortspezifische Daten, bei denen das nicht einfach eins zu eins geht, weil jeder Standort anders ist. Relativ gut übertragen kann man zum Beispiel die Ergebnisse solcher geoelektrischen Messungen. Dafür ist es relativ unwichtig, wie genau jetzt zum Beispiel das Speichergestein zusammengesetzt ist, denn sobald ich einen salzwassergefüllten Speicher habe und das Wasser durch CO2 verdränge, wird das ähnliche Effekte erzeugen.

Was man sicherlich nicht so ohne weiteres wird übertragen können, sind die chemischen Reaktionen, weil die wiederum ganz stark von der Zusammensetzung des Speichers abhängen. Wir haben hier Sandstein als Speichermedium vorliegen, der enthält abgesehen natürlich von Quarz zum Beispiel sehr viele Feldspäte und Tonminerale. Diese Minerale sind eher geneigt, mit dem injizierten CO2 chemische Reaktionen einzugehen. Wenn Sie einen Sand haben, der zu fast 100 Prozent aus Quarz besteht, hätten Sie diesen Effekt nicht.

Auch die Ausbreitung des CO2 im Untergrund wird man nicht eins zu eins übertragen können, weil sie von der Porosität, Permeabilität und Mächtigkeit des Speichergesteins abhängt. Diese Faktoren sind natürlich von Standort zu Standort unterschiedlich.

SB: CO2 geht bis zu einem ganz geringen Prozentsatz eine Verbindung mit Wasser ein und wird zu Kohlensäure, wie man sie von Sprudelgetränken her kennt. Kommt es im Gestein zu Veränderungen aufgrund der Säurewirkung?

AL: Wir haben sowohl Erkenntnisse aus unseren Laborexperimenten als auch durch den Rückfördertest im Herbst letzten Jahres über das Speichergestein gewonnen sowie drittens aus den Daten der Bohrung Ketzin 202 erhalten. Das heißt, wir hatten am Standort initial drei tiefe Bohrungen angelegt, haben dann das CO2 injiziert und nach etwa vier Jahren eine vierte tiefe Bohrung durch den Speicher hindurch gemacht. Aus den daraus gezogenen Bohrkernen haben wir uns Gesteinsproben im Labor angeguckt. Diese Proben haben praktisch vier Jahre im Kontakt mit der Sole und dem CO2 gestanden, also mit der PH-Werterniedrigung der Kohlensäurebildung.

Wir sehen chemische Effekte. Wir sehen, daß bestimmte Minerale angelöst werden, wir sehen aber auch, daß sich neue Minerale bilden, die ausgefällt werden, und wenn man die Ergebnisse aus der Bohrung, den Experimenten im Labor und jetzt aus den Wasserproben bei der Rückförderung zusammenfaßt, so stellt man fest, daß die Änderungen zwar meßbar, aber mengenmäßig nicht wirklich signifikant sind. Sie haben nicht beispielsweise die Integrität des Speichers oder gar des Deckgesteins in irgendeiner Form beeinflußt. Im Labor kann man das ja sehr genau überprüfen. Mengenmäßig spielen die Änderungen keine Rolle.

SB: Mit welchen Drücken haben Sie hier gearbeitet und inwiefern baut sich der Druck allmählich wieder ab?

AL: Der initiale Druck im Speicher lag bei etwa 62 bar. Im ersten Jahr der Injektion, in welchem wir wirklich aktiv CO2 eingespeichert haben, ist der Druck auf etwa 77, vielleicht 78 bar angestiegen. Wir haben kontinuierlich weiter injiziert, und dann sah man, daß der Druck langsam wieder abfällt. Er hat sich bei etwa 74 bar stabilisiert und war im dritten, vierten Jahr mal ein bißchen darüber, mal ein bißchen darunter. Seit Ende der Injektion im August 2013 fällt er kontinuierlich langsam ab und nähert sich den anfänglichen 62 bar an. Den Wert haben wir bislang noch nicht erreicht, wobei der Druckabfall natürlich mit der Zeit immer langsamer vonstatten geht.

Bei den Rückfördertests im vergangenen Oktober hatten wir ja wieder ein wenig CO2 aus dem Speicher rausgeholt, das waren ungefähr 250 Tonnen von insgesamt 67.000 Tonnen, also ziemlich wenig. Den Effekt der Rückförderung auf den Druck konnten wir messen, der lag bei 0,5 bar. Das heißt, daß er für die Druckentwicklung eigentlich keine Rolle gespielt hat.

SB: Wenn der Druck abflacht, könnte das ein Hinweis darauf sein, daß das CO2 möglicherweise nach oben diffundiert?

AL: Der Druckabfall kommt auf verschiedene Weise zustande. Das eine ist, daß sich das CO2 erst einmal wahrscheinlich flächenhaft verteilt. Ein Teil wird dann in der Sole gelöst und hat dadurch ein deutlich geringeres Volumen, als wenn es als freie Gasphase im Untergrund ist. Ein dritter Effekt besteht darin, daß wir durch die Injektion das Salzwasser verdrängt haben. Man kann sich das so vorstellen, daß man mit dem CO2 praktisch einen Salzwasserberg vor sich herschiebt. Seitdem wir aufgehört haben zu injizieren, kann das Salzwasser langsamer wegfließen. Der Gegendruck baut sich ab, und die drei Effekte zusammen führen dazu, daß der Druck insgesamt abfällt. Wir haben keinerlei Hinweise darauf, daß der Druckabfall auf ein Entweichen des CO2 aus dem Speicher zurückzuführen ist. Das ist also ein ganz normales Verhalten von solch einem Speicher nach einer Injektion.


Tisch mit mehreren Bohrkernen samt Beschreibungen - Foto: © 2015 by Schattenblick

Präsentation von Bohrkernen im Besucherzentrum am Pilotstandort Ketzin.
Foto: © 2015 by Schattenblick

SB: Der ESA-Raumfahrer und Vulkanologe Alexander Gerst berichtete neulich, daß der Druck in einer Gasblase in dem von ihm untersuchten strombolianischen Vulkan nicht größer sei als der Druck in einem Fahrradschlauch. Aber dennoch sei die strombolianische Eruption gewaltig allein aufgrund des großen Volumens der Gasblase. Wäre das eine passende Analogie, daß Sie mit der relativ kleinen Pilotanlage dem Fahrradschlauch entsprechen und daß im Falle einer späteren großmaßstäblichen Anwendung der geologischen CO2-Speicherung eine Druckblase aufgebaut wird wie in einem Vulkan?

AL: Das kann man meiner Meinung nach so nicht vergleichen. Bei einem Vulkan haben Sie den Fall ähnlich wie in einer Sprudelwasserflasche: das CO2 oder das Gas ist in der Gesteinsschmelze gelöst, durch die Druckentlastung entgast es. Dann haben Sie durch die Entgasung natürlich eine extreme Volumenzunahme, die dazu führen kann, daß es zu Eruptionen kommt ...

SB: Also quasi der umgekehrter Vorgang.

AL: Genau, der gegenteilige Vorgang. Bei der Speicherung bringen Sie das CO2 als freie Gasphase oder - je nach Druck- und Temperaturbedingungen vielleicht eher flüssiger - jedenfalls als freie Phase rein und dann wird es sich mit der Zeit in dem Salzwasser lösen. Sie haben genau den gegenteiligen Effekt: der Druck baut sich nicht wie beim Vulkan mit der Zeit auf, sondern ab. Insofern kann man dies nicht miteinander vergleichen.

SB: Was war aus Ihrer Sicht für die Wissenschaft die überraschendste Beobachtung - positiv oder negativ - bei der CO2-Verpressung hier am Standort Ketzin?

AL: Ob man das eine Überraschung nennen kann, weiß ich nicht, aber wir waren sehr positiv überrascht davon, daß wir bei den seismischen Messungen, auch wenn man die Ergebnisse auf industriellen Maßstab übertragen würde, bereits extrem geringe Mengen an CO2 sehr gut darstellen, das heißt, überwachen und messen konnte. Wir haben Kollegen in den USA, die in dem Bundesstaat Illinois einen CO2-Speicher betreiben, der ist etwa eine Größenordnung größer als der in Ketzin. Sie sind auch etwas tiefer in die Erde gegangen. Die haben mit ihren seismischen Messungen selbst ein Mehrfaches dessen, was wir hier insgesamt in Ketzin an CO2 injiziert haben, nicht sehen können. [7]

Wir haben hier die erste 3-D-Seismik-Wiederholungsmessung nach 20.000 Tonnen durchgeführt und konnten bereits zu dem Zeitpunkt sehr gut erkennen, wo sich das CO2 im Untergrund befindet. Das war wirklich unerwartet. Wenn man das Ergebnis auf Tagungen präsentiert, sagen die Kollegen oft: "Mensch, daß ihr das so gut sehen könnt! Wir wären glücklich, wenn das bei uns auch so wäre." Das Ergebnis ist sicher eine der positivsten Überraschungen, die wir haben.

SB: Allein das Kohlekraftwerk Jänschwalde emittiert jährlich etwa 1,4 Millionen Tonnen CO2. Sollte die CO2-Speicherung jemals politisch gewollt sein, was ja vom Weltklimarat IPCC befürwortet wird, stellt sich die Frage, von welchen Mengen dann die Rede sein wird. Wie groß müssen die Standorte sein, in denen dann CO2 verpreßt wird?

AL: Wenn man vom industriellen Maßstab ausgeht, redet man von Injektionsmengen, die bei mindestens einer Million Tonnen pro Jahr liegen. Diese Menge wird im Sleipner-Projekt in Norwegen pro Jahr unter den Meeresboden gepumpt. Das wird seit 1996 aktiv betrieben, dort hat man inzwischen rund 15, 16 Millionen Tonnen CO2 injiziert. Das wäre sicherlich die Größenordnung, mit denen man pro Standort rechnen müßte. Das heißt, wir reden hier von zwei Größenordnungen über dem, was wir hier in Ketzin eingeführt haben.

SB: Wie schwierig ist es, CO2 in den Untergrund zu verpressen? Könnten das viele Staaten machen, oder ist das eine Hightech-Anforderung, zu der nur Industriestaaten wie Deutschland, USA, Kanada oder Australien in der Lage sind?

AL: Die Technologie, die wir hier am Standort eingesetzt haben, war zum allergrößten Teil Standardtechnologie. Alles, was Sie an Bohrungen gesehen haben, stammt aus der Kohlenwasserstoffindustrie. Die Art, wie man bohrt, wie man die Bohrungen komplementiert, die Rohre, die man verwendet, die Bohrköpfe - das ist alles absolut das, was man standardmäßig bei der Kohlenwasserstoffindustrie einsetzt. Was hier am Standort Ketzin ein bißchen besonders war, war die eigentliche Injektionsanlage mit den Pumpen. Aber auch nur, weil sie für diesen Standort eigens zusammengebaut wurden, die Einzelteile hingegen wie Pumpen, Steuerungselektronik, Tanks und Leitungen waren ganz normal. Von der rein technologischen Seite beziehungsweise von den Materialien und Ausrüstungsgegenständen, die man benötigt, ist das somit Standard.

SB: Herzlichen Dank für das Gespräch.


Leicht hügelige Landschaft mit Getreidefeld, am Rand Büsche und Hecken - Foto: © 2015 by Schattenblick

Rund ein Kilometer nördlich und in Blickrichtung des Pilotstandorts Ketzin ist die geologische Antiklinale (Aufwölbung) sogar an der Oberfläche gut zu erkennen. Diese geologische Bedingung wird genutzt, um das CO2 in eine poröse Sandsteinschicht zu pressen, die nach oben hin durch eine ebenfalls aufgewölbte Tonsteinschicht abgedichtet ist.
Foto: © 2015 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] INFOPOOL → UMWELT → REPORT
BERICHT/101: CO2-Speicher Erde - Infundiertes Verhängnis ... (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0101.html

[2] Nachzulesen in einer Reihe von Berichten und Interviews, mit dem kategorischen Titel "Klimarunde, Fragestunde" versehen, im Pool
INFOPOOL → UMWELT → REPORT
Ein Einführungsbericht:
BERICHT/088: Klimarunde, Fragestunde - für und wider und voran ... (SB)
Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0088.html

[3] http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/4125.pdf

[4] tinyurl.com/oaltkpt

[5] http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1876610214023212

[6] Während man in Ketzin Wert darauf gelegt hat, die Temperatur des CO2 der des Speichermediums anzugleichen, beschreibt das Umweltbundesamt in seiner Studie [siehe Fußnote 3] ein Konzept des Geoengineerings, bei dem die Verwitterung beschleunigt und dadurch CO2 gebunden wird:
"In Oman existieren besondere Gesteinsformationen, die aus Peridotit, einem olivinhaltigen Gestein, bestehen, das sehr schnell verwittert und große Mengen an CO2 bindet. Diese Verwitterung könnte man dadurch beschleunigen, dass man heißes CO2-Gas unter hohem Druck über Bohrungen ins Gestein einbringt."

[7] Die Rede ist von dem Illinois Basin - Decatur Project (IBDP). Dort hat man schrittweise inzwischen eine Million Tonnen CO2 injiziert:
http://sequestration.org/mgscprojects/deepsalinestorage.html

8. Juni 2015


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