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LANDRAUB/007: Weltbank fördert auch weiterhin den Landklau - Neue Vorwürfe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. April 2012

Entwicklung: Weltbank fördert auch weiterhin den Landklau - Neue Vorwürfe

von Carey L. Biron und Julio Godoy

Angst vor dem 'Landrausch' - Bild: © Isaiah Esipisu/IPS

Angst vor dem 'Landrausch'
Bild: © Isaiah Esipisu/IPS

Washington, Berlin, 24. April (IPS) - Rechtzeitig zur laufenden Weltbank-Konferenz zum Thema 'Land und Armut' hat die Umweltorganisation 'Friends of the Earth' einen Bericht vorgelegt, in dem sie der internationalen Finanzorganisation vorwirft, auch weiterhin den Landklau in armen Ländern zu fördern.

Friends of the Earth schätzt, dass sich private Unternehmen in armen Ländern in den letzten Jahren bis zu 227 Millionen Hektar angeeignet haben. Mit ihren Programmen und Entscheidungen habe die Weltbank den Trend des Land Grabbing direkt oder indirekt unterstützt. Einige der betroffenen Länder hätten mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, ihre Bevölkerungen satt zu bekommen, obwohl sie über ausreichend Produktivland verfügen.

Einer im Januar veröffentlichten Studie der 'International Land Coalition' (ILC) zufolge wurden zwischen 2000 und 2010 insgesamt 203 Millionen Hektar Land in Entwicklungsländern für den exportorientierten Anbau verpachtet oder verkauft. Einen Monat später berichtete die in Barcelona ansässige Organisation 'Genetic Resources Action International' (GRAIN) von 416 solcher Deals, die in 66 vorwiegend afrikanischen Ländern abgeschlossen wurden.

Die spektakulärsten Fälle von Land Grabbing ereignen sich nach Ansicht des italienischen Journalisten Stefano Liberti in Äthiopien. Das Land am Horn von Afrika stecke seit Jahrzehnten infolge bewaffneter Konflikte und Dürren bis zum Hals in einer Hungerkrise. Dennoch verpachtet oder verkauft die Regierung die Filetstücke des Landes an ausländische Investoren praktisch zum Nulltarif.


Wenn dem Staat das Land gehört

Liberti sieht ein großes Problem darin, dass in vielen Teilen Afrikas das Land dem Staat gehört. Regierungen verhandelten heimlich mit Investoren und verhökerten so die besten Böden. "Lokale Bauern erfahren von diesen Geschäften erst, wenn sie zum Verlassen des Landes aufgefordert werden", so der Journalist, der verschiedene Länder im Rahmen seiner Recherchen besucht hatte. Dadurch jedoch wird dem Hunger weiter Vorschub geleistet.

Für den preisgekrönten Journalisten ist der Landklau eine direkte Folge der von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) den armen Ländern verordneten Strukturanpassungsprogramme. Auch hält er Investitionsfördermaßnahmen von UN-Agenturen wie der Landwirtschaftsorganisation FAO für einen großen Fehler.

"Die FAO hat immer behauptet, dass es des Privatkapitals bedarf, um die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern effektiver zu machen. Weltbank und IWF förderten die Privatisierung und Liberalisierung der Nahrungsmittelmärkte. Die Weltbank hat sogar einzelnen Investitionsfonds, die an Land Grabs beteiligt waren, Geld geliehen und versichert", so Liberti. Für ihn sind Weltbank und FAO Komplizen der ausländischen Bodenspekulanten.

Angetrieben wird der Landklau vor allem durch die erhöhte globale Nachfrage nach Energiepflanzen zur Herstellung von Biotreibstoffen. Dem ILC-Bericht zufolge zielen 87 Prozent aller Deals, die sich als Landklau herausstellen, auf den Anbau landwirtschaftlicher Produkte, davon drei Viertel auf die Produktion von Energiepflanzen. Doch auch die internationalen Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel wie das UN-geförderte Programm zur Verringerung der Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern (REDD+) tragen nach Ansicht von Experten zum Landklau bei.


Weichensteller Weltbank

Sozialaktivisten und Bauern halten auch die technische Hilfe der Weltbank für einen Teil des Problems. "Die Jahrzehnte währende Weltbankpolitik hat die Weichen für das gestellt, was wir heute erleben", meint dazu Giulia Franchi von der Italienischen Kampagne für eine Weltbankreform, die sich zur Weltbankkonferenz vom 23. bis 26. April in Washington eingefunden hat.

Franchi und andere kritisieren besonders die von der Weltbank propagierte Initiative 'Prinzipien für nachhaltige Agrarinvestitionen, die Rechte, Lebensgrundlagen und Ressourcen respektieren' ('Principles for Responsible Agricultural Investment that Respects Rights, Livelihoods and Resources' - RAI). Sie sei der Versuch, transnationalen Konzernen bei der weltweiten Landbeschaffung zu helfen, moniert sie. "Eine Initiative, die die Enteignung von Land zulässt, kann wohl schwerlich als verantwortungsvoll durchgehen."

Der Weltbank zufolge hat RAI Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern im Sinne einer größeren Nutzung von Agrarland, Wasser, Grasland und bewaldeten Gebieten begünstigt und für mehr Transparenz gesorgt. Doch Kirtana Chandrasekaran von den Friends of the Earth zufolge ändert dies nichts daran, dass der Transfer großer Ländereien an Investoren Kleinbauern und lokale Gemeinschaften um ihr Land bringt, von dem sich noch Generationen von Menschen ernähren könnten.


Multisektoraler Ansatz

Chandrasekaran zufolge gibt es bessere Prinzipien: die Freiwilligkeitsrichtlinien zur Verwaltung von Landbesitz, Fischgründen und Wäldern ('Voluntary Guidelines on the Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forests'). Ein letzter Entwurf der Richtlinien war im März präsentiert worden, nachdem 96 Regierungen und zivilgesellschaftliche Organisationen drei Jahre lang unter den Auspizien der FAO miteinander verhandelt hatten. Diese Richtlinien sollen nun im Mai angenommen werden.

Chandrasekaran ist der Meinung, dass die Freiwilligkeitsrichtlinien die Frage des Landklaus in die Nähe internationaler Rechte wie der explizit genannten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte rücken. Laut FAO fördern sie das direkte Feedback. So könnten sich Behörden, Privatsektor, Zivilgesellschaft und Bürger ein Urteil bilden, ob die von ihnen oder anderen vorgeschlagenen Aktionen tatsächlich akzeptabel sind.

Allerdings gibt es auch Kritiker, die der Meinung sind, dass die Freiwilligkeitsrichtlinien mit Blick auf Vorkehrungen zugunsten von Investitionssicherheit ausschlagen. So berichtet Devlin Kuye von GRAIN, dass die Freiwilligkeitsprinzipien in letzter Minute um ein Investitionskapitel erweitert wurden. Doch gerade in diesem Kapitel werde der irrige Eindruck geweckt, dass die Aneignung von Land in verantwortlicher Weise vonstatten gehen könne.

Bisher lässt die Weltbank kein Anzeichen dafür erkennen, dass sie ihre bisherige Haltung in der Landfrage aufgeben wird. Das erklärt nach Ansicht von Joan Baxter vom 'Oakland Institute' in Kalifornien, warum die Bretton-Woods-Organisation ausgerechnet Hedgefonds-Manager wie Susan Payne and Land Grabber wie 'Addax Bioenergy' als Redner auf ihrer Konferenz zu Wort kommen lässt. "Warum hat sie nicht einige Bäuerinnen eingeladen und sich von ihnen erzählen lassen, wie sie ihr Land und somit ihre Existenzgrundlage an reiche Investoren verloren haben?" (Ende/IPS/kb/2012)

Links:
http://www.foei.org/en/resources/publications/pdfs/2012/land-life-justice/view
http://www.landandpoverty.com/
http://www.oaklandinstitute.org/
http://siteresources.worldbank.org/INTARD/214574-1111138388661/22453321/Principles_Extended.pdf
http://www.grain.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=107540
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=107538

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. April 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2012