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WALD/108: Hambacher Forst - Medien, Mobbing, Amtsanmaßung ... (Initiative Buir für Buir)


Für den Erhalt der Lebensqualität in Buir: Initiative "Buirer für Buir"
Pressemitteilung - Buir, den 5. Dezember 2014

Kritik an Kriminalisierung des Braunkohle Widerstandes

Auch die zum Teil einseitige Medien-Berichterstattung wird beklagt


Transparent von Baum herabhängend 'Ihr könnt uns räumen! Den Wald abholzen! Die Erde zerstören! Doch wir haben nur diesen Planeten!' - Foto: © Hubert Perschke, aufgenommen am 06. Juni 2014

Seit der ersten großen Waldbesetzung, die im April 2012 begann, ist der Hambacher Forst besetzt. Die Umweltaktivist_innen wollen den Wald vor der Vernichtung durch den Energiekonzern RWE Power bewahren.
Foto: © Hubert Perschke, aufgenommen am 06. Juni 2014

Die Initiative Buirer für Buir hat einen offenen Brief mitunterzeichnet, in dem das "Bündnis gegen Braunkohle" u.a. die Ereignisse im Hambacher Forst am 30.10.2014 aufgreift und von anderer Seite beleuchtet.

Entstanden war die Idee mit diesem offenen Brief in die Öffentlichkeit zu gehen auf dem vierten Netzwerktreffen des "Bündnis gegen Braunkohle", welches am 8.11.14 im Gemeindehaus in Buir stattgefunden hatte. Über 40 Menschen, zum Teil organisiert in lokalen Initiativen, Verbänden und anderen Gruppen, wie auch engagierte Einzelpersonen, tauschten sich über den Stand der Dinge in Sachen Widerstand gegen Braunkohleabbau und - verstromung im Rheinland aus.

Auf der Agenda standen neben zukünftigen Planungen gemeinsamer Aktionen auch ein Rückblick auf die Geschehnisse im Hambacher Forst. Die Umweltschützer_innen aus dem Wald nahmen die Gelegenheit wahr persönlich ihre Sicht der Dinge zu schildern.


Kritik an "Privatkrieg" im Wald und einseitiger Presse-Berichterstattung

An die Polizei gerichtet ist der Apell in alle Richtungen ergebnisoffen zu ermitteln, wenn es Auseinandersetzungen im Hambacher Forst gibt. Besonders kritisch hinterfragen die Bündnispartner die Rolle des RWE-Werkschutzes und der eingesetzten Securitiy-Firmen.

Dürfen private Sicherheitsdienste im Wald eine Art Privatkrieg mit Aktivist_innen führen? Gibt es seitens des RWE-Werkschutzes keine Foto- und Filmaufnahmen? Dies würde dem üblichen Vorgehen, beinahe jeden Spaziergänger im Hambacher Forst abzulichten, entgegensprechen. Warum wird das von der Polizei beschlagnahmte Videomaterial der Umweltschützer_innen nicht zur Aufklärung der Vorfälle ausgewertet?

Kritisch hervorgehoben wurde in der darauffolgenden Diskussion von allen Seiten insbesondere die Rolle der Presse in diesem Zusammenhang, die bis auf wenige Ausnahmen eher unkritisch Behauptungen von RWE ungeprüft weitergab und aus Pressemitteilungen von RWE zitierte. Zudem wurde beobachtet, dass kohlekritische Kommentare in Onlinemedien konsequent zensiert wurden, was bezüglich der Pressefreiheit ein beunruhigendes Bild auf die lokale Presselandschaft wirft. Als ein Beispiel, wie der Braunkohlewiderstand kriminalisiert wird, wurde folgendes angeführt: In der Presse wurde geschrieben, dass eine Person "mit Haftbefehl gesucht" wird. Damit wird dem Leser suggeriert, dass ein Schwerkrimineller unter den Umweltaktivist_innen ist bzw. gleich alle werden unter Verdacht gestellt kriminell zu ein. Tatsächlich wird aber eine Person gesucht, die häufig schwarzgefahren ist.

Trotz des Wissens um den Zeitdruck, unter dem auch Journalisten stehen, erwarten die Bündnispartner, dass Pressevertreter in Zukunft nicht nur den Kontakt zum Unternehmen RWE, der Polizei und Justiz, sondern auch zu den Akteuren des Widerstandes suchen. Die meisten Gruppen sind im Internet präsent und Ansprechpartner_innen sind den Redakteuren in der Regel persönlich bekannt.

Die Bündnispartner, unter ihnen auch Initiativen wie "Das gelbe Band" und die "Dorfinteressengemeinschaft Wanlo e.V." vom benachbarten Tagebau Garzweiler, waren sich einig: "Wir sehen die durch RWE, Polizei und Justiz stattfindende Kriminalisierung kritisch und fordern die Pressevertreter zu ausgewogener Berichterstattung auf. Auch bei Umweltthemen und insbesondere bezüglich der Braukohletagebaue, Kraftwerksproblematik und dem Konzern RWE-Power AG findet im Rheinischen Braunkohlerevier leider kaum kritische Pressearbeit statt."

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OFFENER BRIEF

Absender

Für die Bündnispartner des "Bündnis gegen Braunkohle" (Aktionsbündnis Stommeler Bürger Leben ohne Braunkohle, AusgeCO2hlt, Attac Köln, Bürgerintiative Buirer für Buir, Das gelbe Band, Die Linke SV Kerpen, Initiative Bergbaugeschädigte 50189, Occupy Köln, Solidarische Vielfalt Kölner Gruppe gegen Braunkohle)

Thomas Ristow
Kierdorfer Str.19
50196 Kerpen

An
Innenminister Ralf Jäger, ralf.jaeger@landtag.nrw.de
Landrat Wolfgang Spelthahn, w.spelthahn@kreis-dueren.de
Lothar Lambertz, Leiter Externe Kommunikation, RWE Power AG, Huyssenallee 2, 45128 Essen, lothar.lambertz@rwe.com
Laura Hoeboer-Schneider, Pressesprecherin, RWE Power AG, Huyssenallee 2, 45128 Essen, laura.hoeboer-schneider@rwe.com
Polizeidienststellen NRW, poststelle.lzpd@polizei.nrw.de

Fraktionsvorsitzende, Landtag NRW
SPD, Norbert Römer, norbert.roemer@landtag.nrw.de
CDU, Armin Laschet, armin.laschet@landtag.nrw.de
Grüne, Reiner Priggen, reiner.priggen@landtag.nrw.de
Piraten, Dr. Joachim Paul, joachim.paul@landtag.nrw.de

Westdeutscher Rundfunk, redaktion@wdr.de
Spiegel-Redaktion, spiegel_online@spiegel.de
Kölner Stadtanzeiger, Peter.Pauls@ksta.de
Ruhr Nachrichten, leserinfo@mdhl.de
Rundschau Online, online@mds.de


Kerpen, den 14. November 2014

Betrifft: Ereignisse im Hambacher Forst am 30.10.2014

Hiermit möchten wir auf das Schärfste protestieren:

Aus unserer Sicht scheint es eine Unverhältnismäßigkeit der Mittel bezüglich der Maßnahmen am 30.10.2014 zu geben.

Wir haben auf der einen Seite etwa 14 Naturschützer, junge Frauen und Männer im Alter von etwa 20-25 Jahren, die sich vegan ernähren und damit ihr Interesse bekunden, anderen Lebewesen kein Leid zuzufügen.

Demgegenüber stehen ca. 12 Sicherheitsmitarbeiter der RWE Power AG und später mehrere Hundertschaften von Polizisten mit Hunden.

Aus den Berichten der jungen Menschen haben wir erfahren, dass die Sicherheitsmitarbeiter mit Stöcken bewaffnet waren und die Naturschützer einseitig angegriffen haben.

Nach den Skandalen wegen des Verhaltens von privaten Sicherheitsmitarbeitern in den Flüchtlingsheimen möchten wir nun gerne wissen: Welche Ausbildung haben die Sicherheitsleute der RWE Power AG? Welche Qualifikationen werden erwartet? Besteht eine Schulung bzw. Ausbildung im Konfliktmanagement? Haben die Personen eine Fortbildung bzw. Erfahrung in Deeskalation? Soweit wir informiert sind, gibt es eine genaue Festlegung der Kompetenzen von Sicherheitskräften: sie dürfen reden, die Polizei rufen und Menschen mit begrenzten Mitteln festhalten. Würgen, Schlagstockeinsatz, das Benutzen von Kabelbindern, Einsperren in Bauzäunen und Bedrohungen gehören nicht dazu!

Uns ist mitgeteilt worden, dass die Sicherheitsmitarbeiter der RWE sich den Naturschützern aggressiv und provokant genähert haben. Sie sollen, mit Stöcken bewaffnet, sich auf einen jungen Mann gestürzt haben und ihn mit Schlägen attackiert haben.

Junge Frauen sind nach unseren Informationen auf die Erde gedrückt worden, man hat ihnen die Gelenke verdreht, sie bedroht und beschimpft. Uns wurde von verschiedenen verbalen, sexuell diskriminierenden Äußerungen berichtet. So wurde eine junge Frau ständig mit "Baby" angesprochen. Außerdem wurde von einer jungen Frau berichtet, die an diesem Tag ein Kleid an hatte, dass man ihr, während sie gefesselt auf dem Boden lag, hochgezogen hat. Dies sind eindeutig erniedrigende sexuelle Demütigungen! Den jungen Menschen wurden mit Kabelbindern die Hände gebunden und sie mussten ca. 2 Stunden auf dem Boden liegend ausharren, bis die Polizei kam. Beweismittel dieser Situation wurden beschlagnahmt, durch die Polizei eingezogen und sind bis heute nicht aufgetaucht.

Nun kommt unser zweites Unverständnis:

Wie kann es sein, dass die Polizei erst ca. 2 Stunden später kam, aber dafür in mehreren Hundertschaften und mit Hunden.

Wir vermuten, dass man davon ausging, dass die Naturschützer sich straffällig verhalten haben. Allerdings konnte man die Straftaten nicht benennen. Obwohl es die Aufgabe der Polizei ist, in alle Richtungen zu ermitteln, hat man hier offensichtlich die jungen Menschen vorverurteilt und wie Schwerverbrecher behandelt.

Diese unverhältnismäßige Behandlung wurde in den Arrestzellen der Polizei weitergeführt. So hat man ihnen beispielsweise keine vegane Nahrung zukommen lassen.

Uns erscheint es absurd, dass man den Naturschützern nicht nur die Rolle der einseitigen Aggressoren zuerkennt, sondern dass sie als "Bombenleger" diskreditiert werden, so wie es auch in der Presse später verbreitet wurde.

Dass im Hambacher Forst Waffen aus dem 2. Weltkrieg liegen, ist hinlänglich bekannt. Den Naturschützern zu unterstellen, diese zu gebrauchen, um Menschen zu schädigen, ist Rufmord.

Vielmehr stellen wir uns die Frage, warum solche gefährlichen Kampfstoffe überhaupt noch im Wald liegen und nicht bereits beseitigt bzw. entschärft wurden.

Menschen, die bereit sind, für das Allgemeinwohl (Klimaschutz) mit Engagement einzutreten, wurden in der regionalen und überregionalen Presse als Kriminelle dargestellt.

Es scheint sich aus unserer Sicht um eine zweckgebundene Kriminalisierung und Propaganda zu handeln, um die privaten Interessen eines Energiekonzerns zu schützen und das unverhältnismäßige Agieren der Polizei zu legitimieren.

Wir bezweifeln die Rechtmäßigkeit dieser unverhältnismäßigen Polizeiaktion! Vor diesem Hintergrund bitten wir daher um die umgehende Freilassung des jungen Mannes, der sich noch in Aachen in Haft befindet!

Wir bitten die Zuständigen um Klärung und erwarten selbstverständlich von den zuständigen Behörden Neutralität, Unvoreingenommenheit und Augenmaß.

So kann es nicht sein, dass bei der Demonstration der Hooligans in Köln bei 5.000 zum Teil alkoholisierten und bekannt gewaltbereiten Demonstranten 1.500 Polizisten im Einsatz waren, und im Hambacher Forst bei höchstens 25-30 Naturschützern mehrere Hundertschaften von Polizisten mit Hunden.

Diese Diskrepanz bitten wir zu klären und zu erklären!


Für das Bündnis gegen Braunkohle

Thomas Ristow

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 05.12.2014
"Initiative Buirer für Buir", Kerpen-Buir
E-Mail: info@buirerfuerbuir.de
Internet: www.buirerfuerbuir.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2014