Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → WASSER

DEBATTE/009: Der Biogasboom und das Grundwasser (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 963 vom 02. Jan. 2011 - 30. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Der Biogasboom und das Grundwasser


2011 stehen weitreichende Weichenstellungen für den Gewässerschutz an. In diesem Jahr wird die Debatte um eine Reform des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG) voll entbrennen. Einer der Hauptstreitpunkte: Wie kann der Biogasboom in grundwasserverträglichere Bahnen gelenkt werden? Wenn die Umweltverbände in der Debatte ein Wörtchen mitreden wollen, müssen sie sich JETZT positionieren. Die Wasserversorger haben in der Debatte bereits einige Pflöcke eingeschlagen. Die BBU-WASSER-RUNDBRIEFE 963 und 964 schildern den aktuellen Frontverlauf und kommentieren die verschiedenen Verlautbarungen.


Vermaisung nervt Wasserwerke

Der Bonus für Nachwachsende Rohstoffe (NawaRo-Bonus) für die Stromgewinnung in Biogasanlagen im Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG) hat dazu geführt, dass regional der Anbau von Energiemais enorm zugenommen hat. In den von der "Vermaisung" betroffenen Regionen befürchten die Wasserwerke schwerwiegende Beeinträchtigungen der Grundwasserqualität. Mit einem fast dramatischen Appell hat sich am 3. Nov. 2010 der bundesweite Zusammenschluss der Wasserverbände (DBVW, siehe Kasten) an das Bundeslandwirtschaftsministerium gewandt, um seine "große Sorge" über "die rasante Entwicklung der Bioenergie" Ausdruck zu geben. Die Wasserwerke beklagen "eine Fehlentwicklung zu Lasten des Gewässerschutzes" - denn der verstärkte Anbau von Energiemais führe "zu zunehmender Erosionsgefahr, überhöhter Düngung und zu einem erhöhten Krankheits- und Schädlingsdruck". Die im DBVW organisierten Wasserwerke kritisieren nicht nur hohe Stickstoffkonzentrationen in den abgeernteten Maisfeldern im Herbst. Auch eine boden- und grundwasserverträgliche Verwertung der Gärrückstände aus den Biogasanlagen sei nicht mehr gegeben - denn "aufgrund der hohen Transportkosten" würden Gärreste "vermehrt auf den anlagennahen Flächen ausgebracht". Daraus würde eine hohe Nährstoffauswaschung resultieren, "so dass örtlich zum Teil deutliche Nährstoffüberhänge festgestellt werden können" (vgl. RUNDBR. 948/3-4).


Energiemais & Gärrückstände überfordern Wasserhaushalt & Landschaft

Die Wasserwerke weisen in ihrem Brief an das Landwirtschaftsministerium darauf hin, dass Berechnungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ergeben hätten, "dass der rechnerische Flächenbedarf aus Bioenergie, Tierhaltung, Düngung usw. z.B. in vielen Regionen Niedersachsens deutlich höher als die tatsächlich vorhandene landwirtschaftliche Fläche" sei. "Unter diesen Voraussetzungen ist auch Bioenergie nicht mehr klimaschonend, sondern belastet das Klima zusätzlich", stellen die Wasserwerke fest - und weiter: "Die deutlich schlechteren Rahmenbedingungen für das Grundwasser sind für die Trinkwasserversorgung immer schwerer zu bewältigen. Insbesondere der Energiepflanzenanbau und die zunehmende Zahl an Biogasanlagen führen zu deutlichen Konflikten mit den Zielen des Gewässerschutzes. Dies wird dazu führen, dass Deutschland die Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie nicht einhalten kann, da »falsche« Trends erkennbar sind. Hier besteht dringender Handlungsbedarf!"


Wer ist der Deutsche Bund der verbandlichen Wasserwirtschaft (DBVW e.V.)?

Der DBVW e.V. ist ein Zusammenschluss von acht überwiegend nord- und ostdeutschen Landesverbänden, in denen sich Wasser- und Bodenverbände organisiert haben. Der DBVW versteht sich als Sprachrohe der Wasserverbände auf europäischer und auf Bundesebene. Hinter dem DBVW stehen rund 1850 Verbände der Wasserwirtschaft, die u.a. für die Unterhaltung der Gewässer 2. und 3. Ordnung, für die Erhaltung der Küstendeiche und für den Hochwasserschutz im Binnenland verantwortlich sind.

"Des Weiteren gehören der Ausbau, insbesondere die Renaturierung der Gewässer, die Landschaftspflege sowie die Regelung des Bodenwasserhaushaltes in Abhängigkeit von der jeweiligen Nutzung zu den Aufgaben. Eine wichtige Säule ist zudem die verbandliche Trinkwasserversorgung sowie die Entsorgung des Abwassers im ländlichen Raum", heißt es in der Selbstdarstellung des DBVW. Aufgrund des breiten Spektrums seiner Mitgliedsverbände nimmt der DBVW nimmt für sich in Anspruch "als einzige Organisation somit alle Bereiche der Wasserwirtschaft" zu vereinen. Damit würde der DBVW auch über umfangreiche Erfahrung im Bereich der integrativen Wasserwirtschaft verfügen.

Weitere Auskunft:
Deutsche Bund der verbandlichen Wasserwirtschaft
Am Mittelfelde 169
30519 Hannover
Telefon: 0511/879660; Telefax: 0511/8796619


NawaRo-Bonus muss gewässerverträglich umgearbeitet werden

Für die im Jahr 2011 anstehender Überarbeitung des EEG fordern die Wasserwerke u.a., dass ein reformierter NawaRo-Bonus in Zukunft gezielt zum Erhalt des Grünlands beitragen müsse, "indem eine höhere Vergütung für Grassilage aller Art gewährt wird". Ferner schlagen die Wasserwerke vor, "ein Grünlandumbruchverbot als Auflage an den NawaRo-Bonus zu koppeln". Zudem sollte der NawaRo-Bonus im EEG "im Sinne des Gewässerschutzes an Bewirtschaftungsstandards gekoppelt werden". "Dadurch ließen sich die Gewässerbelastungen durch einen umweltverträglicheren Energiepflanzenanbau gezielt und fördersystemimmanent begrenzen." Die bedarfsgerechte Düngung mit Gärresten aus Biogasanlagen ist nach Meinung der Wasserwerke u.a. durch einen ausreichenden Lagerraum sicherzustellen: "Der Bonus sollte künftig an einen Nachweis geknüpft sein, dass Lagerraumkapazitäten für mindestens 9 Monate vorhanden sind."


Bundesregierung beobachtet die Umweltrisiken der Vermaisung

In ihrer Antwort an den DBVW schrieb die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Frau JULIA KLÖCKNER, am 01.12.10, dass es wohl tatsächlich so sei, dass Maissilage auf Grund ihrer hervorragenden Eignung zur Biogaserzeugung zu einer "regionalen Ausweitung der Maisflächen" geführt habe. Die Bundesregierung werde die "damit zusammenhängenden Umweltwirkungen und -risiken (.) sehr genau" beobachten. Außerdem habe das für das EEG federführende Bundesreaktorministerium "wissenschaftliche Institute mit der Erarbeitung von Evaluierungsgutachten beauftragt". Deshalb könne der DBVW mit "angemessenen Lösungen" seitens der Bundesregierung rechnen.


"Maisvergärung als ineffiziente Verstromung"

Ein Zacken schärfer als der große DBVW argumentiert die kleine Wasserversorgung Beckum GMBH an der Ems (siehe Kasten auf S. 3). Der Wasserversorger stellt zunächst fest, dass der NawaRo-Bonus von 7 Cent "zu einen Boom bei der Errichtung der energetisch und ökologisch ineffizienten Verstromungsanlagen geführt" habe. Einschließlich der z. Z. im Bau befindlichen oder geplanten Anlagen würden bis Ende 2011 rund 7.000 Verstromungsanlagen in Betrieb sein, die bei einer Stromerzeugungsmenge von über 20 Mrd. kWh eine Fläche für den Anbau von Agrorohstoffen von rund 1,2 Mio. ha beanspruchen werden. Daraus ergibt sich für den Verband ein beunruhigendes Fazit:

"Der enorme Flächenverbrauch von über 1 Mio. ha für den Anbau von Agrorohstoffen, überwiegend Mais, hat insgesamt zu einer Intensivierung auf allen übrigen landwirtschaftlichen Flächen, mit der Folge der Auswaschungsgefahr von Stickstoff und die Belastung des Grundwasser durch verstärkten Pestizideinsatz, geführt. Stilllegungsflächen und Uferrandstreifen wurden wieder unter den Pflug genommen. Vertragsnaturschutz ist für viele Akteure auf Grund des gestiegenen Pachtpreises nicht mehr finanzierbar. Grünland wurde bis an die zulässige Grenze gehend umgebrochen, was zur Freisetzung von Stickstoff und zu Lachgasemissionen führte."


"Besser Windenergie als Biogasverstromung!"

Für die Wasserversorgung Beckum GmbH liegt "die ökologische und ökonomische Ineffizienz" der Agrogasanlagen auf der Hand. Selbst bei teilweiser Nutzung der anfallenden Abwärme der Motoren für die Beheizung von Häusern, Ställen, Schwimmbädern usw. würde der Gesamtnutzungsgrad nur ca. 30 % ausmachen, "wenn man die gesamte Energiekette (Düngemittel, Pestizide, Bodenbearbeitung und Transport, Rührwerksantrieb und Pumpen, teilweise Zündfeuerung usw.)" berücksichtigen würde. Die ökonomische Ineffizienz der Agrogas-Verstromungsanlagen wird für die Wasserversorgung Beckum GmbH besonders deutlich, "wenn man einen Vergleich mit alternativen Windkraftanlagen herstellt: 20 Mrd. kWh Strom könnten mit 5.000 bis 6.000 Windkraftanlagen bei geringstem Flächenverbrauch, umweltfreundlich produziert werden. Da Windkraftanlagen im Binnenland eine Vergütung von 9 Cent/kWh erhalten, Agrogasanlagen im Schnitt 20 Cent/kWh, würde eine Ersparnis für alle Stromverbraucher von 2,2 Mrd. Euro/Jahr möglich sein.


Wer ist die Wasserversorgung Beckum GmbH?

Die Wasserversorgung Beckum hat als GmbH zwar eine private Rechtsform, ist aber zu 100 Prozent kommunal. Die GmbH versteht sich "als regionales, von zehn kommunalen Gesellschaftern getragenes Trinkwasserversorgungsunternehmen". Die GmbH entnimmt das Grundwasser bei Warendorf an der Ems. In vielen Stellungnahmen, Leserbriefen und Eingaben bei Verbänden und Behörden hat die GmbH in den letzten Monaten immer wieder darauf hingewiesen, dass durch die aggressive Ausweitung des Maisanbaus "die Belastung der Böden durch Nährstoffeinträge steigt und wir Belastungen des Trinkwassers durch Abbauprodukte aus Pflanzenschutzmitteln schon jetzt feststellen" müssen (vgl. RUNDBR. 899/4, 853/1, 831/2).

Weitere Auskunft zu den Initiativen der Wasserversorgung Beckum GmbH:
Dipl.-Ing. Clemens Lüffe, Geschäftsführer
Hammer Straße 42, 59269 Beckum
Tel.: 02521 843 32; Fax: 02521 843 50
E-Mail: clemens.lueffe[at]wasserversorgungbeckum.de


"Den NawaRo-Bonus völlig streichen!"

Während der BDVW nur eine Reform des NawaRo-Bonus fordert, plädiert die Wasserversorgung Beckum GmbH für eine radikalere Maßnahme: "Nur durch eine Streichung des NawaRo-Bonus wird die Innovation in die Nutzung von Reststoffen gefördert. Eine energetische Nutzung von Gülle, Landschaftspflegematerial und sonstigen organischen Reststoffen ist bedarforientiert mit der vorhandenen Grundlagentechnik möglich." Darüber hinaus sollte in einer Novelle des EEG "nach Einzelprüfung" die Möglichkeit eingebaut werden, "dass der Betrieb von Agrogas-Verstromungsanlagen in hoch belasteten Gebieten auch vorzeitig beendet werden" kann.


Gegen den Neusprech: "Agroenergie statt Bioenergie!"

Die Wasserversorgung Beckum GmbH erwartet für ihre obigen Forderungen nur wenig Unterstützung von Seiten des Bundesverbandes der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und anderer Wasserwirtschaftsverbände. Denn diese Verbände würden "in erster Linie die Interessen der Energiewirtschaft vertreten". Die Wasserversorgung Beckum GmbH beendet deshalb ihre Stellungnahme mit dem Appell:

"Es ist deshalb um so wichtiger, dass auch einzelne Stellungnahmen von beispielsweise Umweltschutzorganisationen, Verbraucherverbänden und oder der Wissenschaft sich für die Abschaffung des NawaRo-Bonus einsetzen. Hilfreich wäre unseres Erachtens, wenn es gelingen könnte, die Begriffe Biogas, Bioenergie und Biomasse zu ersetzen durch die Begriffe Agrogas und Agroenergie bei Einsatz nachwachsender Rohrstoffe."

Nachdem in diesem WASSER-RUNDBRIEF die Positionierungen von Wasserversorgern vorgestellt worden sind, werden im RUNDBR. 964 die Stellungnahmen der Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein zur anstehenden EEG-Novelle zitiert und kommentiert.

Anmerkung der Schattenblick-Redaktion:
s.a. Schattenblick.de → Umwelt → Landwirtschaft →
ENERGIE/084: Vermaisung und Biogas - "Die Grenzen des Wachstums sind erreicht!" (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


*


Eine Materialsammlung über die wasserwirtschaftlichen Hintergründe der Auseinandersetzungen zwischen Israel einerseits und den Palästinensern, Jordanien und Syrien andererseits ist unter dem Stichwort "Palästina" gegen VOREINSENDUNG von 16 Euro (V-Scheck, Euro-Briefm., bar) bei uns erhältlich.

Die Bedeutung der Bleibelastung der Umwelt aus Flintenschrot und Anglerblei wird immer noch kontrovers - und insbesondere von Seiten der Jäger emotional - diskutiert. Mehr zur munitionsbedingten Vergiftung von Boden und Fauna in unsere Materialsammlung "Flintenschrot". Bezug gegen VOREINSENDUNG von 10 Euro (V-Scheck, Briefm., bar) an den Ak Wasser im BBU, Rennerstraße 10, 79106 Freiburg.

Die seit Jahren anhaltende Dürre sowie ihre Auswirkungen auf die griechische Wasserwirtschaft sind Thema unserer Materialsammlung "Griechenland", die u.a. auch über die Folgen des Wassermangels auf der Insel Zypern informiert. Bestellg. gegen VOREINSENDUNG von 13 Euro (V-Scheck, Briefm., bar) an den Ak Wasser im BBU.


*


Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 963/2011
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.

Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2011