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EUROPA/135: Bessere Vernetzung - Interview mit dem Leiter des EU-Umweltüberwachungslabors MAPLE (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt

"Wir müssen Chemikalien-Datenbanken besser vernetzen."



Der Chemiker Dr. Bernd Manfred Gawlik leitet das Umweltüberwachungslabor "MAPLE" am Institute for Environment and Sustainability (IES), einer der sieben Generaldirektionen des Joint Research Centres (JRC) der Europäischen Kommission. MAPLE (Monitoring across Policies and Environmental Media) begleitet die Entwicklung, Implementierung und Überwachung Europäischer Gesetzgebung mit gezielten und unabhängigen Messungen von Umweltchemikalien. Schwerpunkte seiner Arbeit sind insbesondere die Implementierung von chemischem Umweltmonitoring der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und ihrer begleitenden und benachbarten Richtlinien.

Das Interview führte Doris Böhme.


Die EU hat am 31. Januar 2012 die Revision der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik veröffentlicht. Was bedeutet das für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)?

Die WRRL nennt eine Reihe von prioritären Stoffen, für die Umweltqualitätsstandards (UQS) im Wasser festgesetzt werden, d. h. Maximal-Konzentrationen, deren Überschreitung die ökologische Qualität des Gewässers gefährdet. Die regelmäßige Überarbeitung dieser Liste ist ebenfalls vorgesehen und der Europäischen Kommission anvertraut. Die nun veröffentlichte Liste ist das Ergebnis dieses Prozesses und wurde dem Parlament und dem Rat zur Verabschiedung vorgelegt. Obwohl diese Liste im Laufe dieses Verfahrens noch geändert werden kann, ist es wichtig festzuhalten, dass nun zum einen mehr Stoffe überwacht werden. Zum anderen werden aber auch erstmals Umweltqualitätsstandards für alternative Matrices (Sedimente und Biota) eingeführt.

Nach welchen Kriterien werden diese Stoffe festgelegt?

Die Kriterien, die berücksichtigt werden, beinhalten natürlich Aspekte der Persistenz, Anreicherung und (Öko)toxizität, aber auch andere Informationen. Die genaue Prozedur ist wissenschaftlich abgeleitet und mit den EU-Mitgliedsstaaten fest vereinbart. Ein großes Problem dabei ist weniger das Verfahren selbst, als vielmehr die Verfügbarkeit und Qualität der zugrundeliegenden experimentellen Daten aus der Umweltüberwachung. Das führt zu teilweise recht hohen Sicherheitsfaktoren, die wir zur Risikoabsicherung brauchen, die aber dann zu extrem niedrigen Umweltqualitätsstandards führen, die uns wiederum an die Grenze der Machbarkeit in der analytischen Routine bringen - ein Aspekt, den wir als Wissenschaftler nach meinem Dafürhalten nicht genügend beachten.

Chemiker wollen messen, was moderne Analytik hergibt. Biologen fordern ein Biomonitoring. Wissenschaftler des UFZ fordern eine ganzheitliche Betrachtung - chemische Analytik, um zu erfassen, welche Stoffe in welcher Menge vorhanden sind, kombiniert mit einem Biomonitoring, um die Wirkung der Chemikalien auf Organismen in Gewässern zu erfassen. Welche Strategie verfolgt die EU?

Das ultimative Ziel der WRRL ist ein "guter ökologischer Zustand der Gewässer", was eine gesamtheitliche Betrachtungsweise darstellt. Das Dilemma in Bezug auf die Chemikalien ist, dass die Masse an Informationen für Substanzen generiert wird, die ohnehin schon reguliert sind. Neue Stoffe werden eher durch exploratives Monitoring "entdeckt", und flächendeckende Informationen sind kaum verfügbar. Der angesprochene Gegensatz zwischen chemischer und biologischer Betrachtungsweise ist eigentlich keiner; um die Biologie zu verstehen, brauchen wir eine Fülle an Informationen mittels der chemischen Analytik - und ich kann das UFZ in seinem Ansatz nur bestärken. Ich bin fest davon überzeugt, dass insbesondere ein gezieltes Generieren von Umweltmonitoring-Daten mittels breitgefächerter Methoden, wie zum Beispiel effektbezogener Analysen oder Nontarget Screening auf überschaubare, aber repräsentative Probensets uns helfen kann, unser Dilemma zu lösen. Anders gesagt, wir müssen die europäische Kompetenz in diesem Bereich besser experimentell auf die gleichen Proben fokussieren und dann die Informationen verknüpfen und integrieren. Das ist auch der Ansatz, den wir im Joint Research Centre verfolgen.

Die europäische Chemikalienregulierung REACH liefert jede Menge Daten über Chemikalien, die produziert werden. Wie wird dieses Wissen für die Umsetzung der WRRL genutzt?

Selbstverständlich ist REACH eine wichtige Informationsquelle, und gerade die darin enthaltenen ökotoxikologischen Daten waren ein wichtiger Beitrag zu der Prioritätsstoffliste der Kommission. Leider deckt REACH nicht alle Bereiche ab. So bleiben zum Beispiel Pharmazeutika oder auch Lebensmittelzusatzstoffe oder auch Substanzen im Bereich der Körperhygiene außen vor. Gerade aber diese Bereiche erregten in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit der Umweltforscher und beunruhigen auch in zunehmendem Maße den Bürger. Um den Informationsfluss zu verbessern, z.auch um Mischungen von Chemikalien in Bezug auf ihre (öko)toxikologischen Effekte besser beurteilen zu können, schlägt die Kommission vor, die verschiedenen Datenbanken in Form eines "Chemical Data Centre" miteinander zu vernetzen. So können die in REACH verfügbaren Daten besser genutzt werden.

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Quelle:
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt, Seite 9
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Dezember 2012