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FORSCHUNG/291: Nachhaltige Wasserversorgung für Brasilia (UFZ)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressemitteilung, 12. März 2009

Nachhaltige Wasserversorgung für Brasilia

UFZ stellt neues Wasserprojekt auf der Umwelttechnologiemesse ECOGERMA in Sao Paulo (Brasilien) vor


Leipzig/Brasília/Sao Paulo. Die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Brasilien hat eine gute und fast 40-jährige Tradition. Das unterstreicht auch die Umwelttechnologiemesse ECOGERMA, die vom 12. bis 15. März 2009 in Sao Paulo stattfindet und gemeinsam von Bundesforschungsministerin Annette Schavan und Sergio Machado Rezende, dem brasilianischen Minister für Wissenschaft und Technologie, eröffnet wird. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) stellen dort auf dem Gemeinschaftsstand der Bundesregierung unter anderem ein deutsch-brasilianisches Projekt vor, das erst zwei Tage zuvor im Beisein des Gouverneurs von Brasília Jose Roberto Arruda und des Gesandten der Deutschen Botschaft in Brasilien Hermann Sausen offiziell gestartet wurde: IWAS Agua DF. IWAS steht für die Internationale WasserforschungsAllianz Sachsen. Agua ist das portugiesische Wort für Wasser. DF heißt Distrito Federal und gemeint ist der Bundesdistrikt Brasilia, die Hauptstadt Brasiliens.

Mit IWAS wollen das UFZ und die Technische Universität Dresden unter Einbindung regionaler und internationaler Forschungs- und Industriepartner angepasste Systemlösungen für die jeweiligen Wasserprobleme in fünf Modellregionen der Welt - Lateinamerika, Osteuropa, Zentralasien, Südostasien und dem Mittleren Osten - entwickeln. IWAS Agua DF hat das Ziel, unter Federführung des UFZ und der TU Dresden und in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Brasília sowie dem regionalen Wasserver- und Entsorger CAESB ein Wassermanagementkonzept für Brasília zu entwickeln. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert; den Projektpartnern stehen zunächst bis Ende 2010 knapp eine Millionen Euro zur Verfügung.

Brasilia, die Hauptstadt Brasiliens, wurde 1960 gegründet. Die Stadt wurde innerhalb von vier Jahren aus dem Nichts buchstäblich aus dem Boden gestampft. Sie liegt im Distrito Federal do Brasil (Bundesdistrikt), zu dem heute 18 Satellitenstädte gehören, die unter anderem aus Arbeiterquartieren, (Zwangs-)Um- oder Neuansiedlungen entstanden sind. Die Bevölkerung entwickelte sich in der Metropolregion in den letzten fünf Jahrzehnten rasant. Lebten 1950 erst 36.000 Menschen dort, sind es heute mit etwa 2,5 Millionen Einwohner auf einer Fläche von 5822 Quadratkilometer fast 70 Mal so viele. Der Bundesdistrikt ist kein zusammenhängendes Stadtgebiet, sondern ist mit seiner recht geringen Bevölkerungsdichte und den dominierenden Agrarflächen eher mit einem kleinen Bundesstaat vergleichbar - er ist mehr als doppelt so groß wie das Saarland. Brasilia liegt auf dem zentralen Hochplateau des Landesinneren in 1158 Metern Höhe und in der tropischen Klimazone. Die Jahresdurchschnitts-Temperatur der Stadt beträgt 20,7 Grad Celsius, die Jahresniederschlagssumme 1555 Millimeter. Die monatlichen Durchschnittswerte der Temperatur unterscheiden sich kaum. Trotz dieser hohen Jahresniederschläge kommt es durch die ausgeprägten Unterschiede zwischen Regen- und Trockenzeit zu saisonalen Problemen mit der Wasserversorgung.

Die Folgen des rasanten Bevölkerungswachstums und des Klimawandels in den kommenden Jahren werden zu einem Defizit zwischen Trinkwasserangebot und -bedarf führen. Mehr als 90 Prozent des Trinkwassers im Bundesdistrikt werden bislang aus dem 25 km von Brasilia entfernten Staudamm des Rio Descoberto und aus dem Rio Paranoa gewonnen. Berechnungen der CAESB zufolge, denen der derzeitige Pro-Kopf-Verbrauch bei gleichbleibendem Bevölkerungswachstum zugrunde liegt, wird bereits im Jahr 2010 die derzeit produzierbare Wassermenge den Bedarf nicht mehr decken. Aus diesem Grunde ist es notwendig, szenarienbasierte Konzepte zur Sicherstellung der Wasserversorgung in Brasília zu entwickeln. Hierbei sind alle Aspekte von der Einsparung über die Erschließung neuer Grund- und Oberflächenwasservorkommen bis zur Nutzung gereinigten Abwassers in die Überlegungen einzubeziehen.

"Eine reine Raumstation-Lösung, die Aufbereitung von Abwasser zu Trinkwasser nämlich, ist für eine Millionenmetropole natürlich illusorisch", sagt Holger Weiß, der seitens des UFZ das Projekt koordiniert. Deutsche und brasilianische Projektpartner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik haben sich deshalb vom 2. bis 11. März in Brasilia im Rahmen eines Workshops zusammengesetzt und erste Pläne für die zehn Arbeitsgruppen geschmiedet. Wie sehen die Klimaszenarien für den Bundesdistrikt aus und welche regionalen Folgen sind zu erwarten? Welcher Landnutzung und welchem Landnutzungswandel unterliegt die Region? Wie sehen der Wasserkreislauf und die Gesamtwasserbilanz von Brasília aus? Welche Ressourcen können unter welchen Bedingungen zusätzlich genutzt werden? Welche Funktionen haben Böden und Sedimente und wie interagieren sie mit dem Oberflächen- und Grundwasser? Wie steht es um die Qualität von Wasserressourcen und Trinkwasser? Sind die Kapazitäten und Leistungen der Abwasserreinigungsanlagen ausreichend? Wie können der Wasserhaushalt modelliert und Szenarien entwickelt werden? Welche Daten und Informationen werden dafür benötigt? Ziel des Projektes IWAS œgua DF ist ein Intergiertes Wasserressourcen-Management (IWRM) für Brasilia, das neben technischen Lösungsmöglichkeiten auch verbesserte Wasserpolitikansätze und Entscheidungshilfen beinhalten soll. Die Zeit drängt; bereits im kommenden Jahr müssen die ersten Forschungsergebnisse in die Verbesserung der Trinkwasserversorgung einfließen.

Das internationale Interesse am deutschen Wasser-Know-How ist groß. Die Bündelung herausragender regionaler Kompetenzen im Wasserbereich in IWAS ist ein Beispiel dafür, wie die regional und thematisch punktuell zwar starken, jedoch auch sehr fragmentierten Kompetenzen der deutschen Wasserforschung in einer Adresse gebündelt werden können, um Fragen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gezielter und effizienter zu beantworten. Ein weiteres Beispiel ist die Wasser-Allianz Metropolregion Stuttgart (WAMS) - ein Kompetenzverbund zwischen UFZ und Wasserexperten des Kompetenzzentrums "Environmental Science and Technology" (Universitäten Stuttgart, Tübingen und Hohenheim). Sie hat das Ziel, das Prozessverständnis von Stoffströmen im Wasserkreislauf zu verbessern sowie Monitoring-, Modellierungs- und Managementstrategien zu entwickeln. Weitere regionale Wasserforschungsallianzen, jeweils mit einem Helmholtz-Institut als Partner, sollen folgen.

Doris Böhme


http://www.ufz.de/index.php?de=17791
http://www.iwas-initiative.de/

Weitere
fachliche Informationen:
Prof. Holger Weiß
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Telefon: 0341-235-1253
http://www.hdg.ufz.de/index.php?de=1634
oder
Doris Böhme (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1269
E-mail: presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 930 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert. Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 27.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,5 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).


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Quelle:
UFZ-Pressemitteilung Nr.: 2009/009, 12.03.2009
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2009