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MASSNAHMEN/192: Hochwasserschutz - Bachverlegung provoziert lokalpolitischen Zwist (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1054, vom 15. Jan. 2015 - 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Hochwasserschutz: Bachverlegung provoziert lokalpolitischen Zwist


Der Bau von Hochwasserrückhaltebecken ist vielerorts in Deutschland Auslöser von heftigen lokalpolitischen Auseinandersetzungen. Eine etwas andere Variante des Hochwasserschutzes sorgt seit zwei Jahren für Zwist in der vorderpfälzischen Gemeinde Haßloch. Eine große Koalition von CDU und SPD will gegen den Widerstand der anderen Gemeinderatsfraktionen den Rehbach verlegen lassen, damit zum einen das Gemeindegebiet vor einem 100jährlichen Hochwasser geschützt werden kann. Zum anderen soll das neue Bachbett einen naturnahen Charakter bekommen, so dass den Anforderungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie entsprochen wird. Gegen die Bachverlegung hat sich erbitterter Widerstand formiert. Zuvorderst steht eine äußerst agile Bürgerinitiative, deren Mitglieder in Folge der beabsichtigten Bachverlegung einen Wertverlust ihrer Häuser befürchten. Denn durch die Bachverlegung könnte der Süden der Gemeinde als Überflutungsgelände ausgewiesen werden, so die böse Ahnung der BI.

Neben dem befürchteten Verlust an Immobilienwert wäre damit zu rechnen, dass die Elementarschadensversicherung sich verteuern würde, erhebliche Auflagen bei Neubau zu erwarten wären und letztlich "keine weitere Ortsentwicklung" mehr möglich wäre. Soweit die übliche materielle Grundlage eines sich formierenden Widerstandes gegen geplante Hochwasserschutzmaßnahmen. Neben den Piraten haben sich insbesondere die Grünen im Gemeinde- und im Kreisrat im Widerstand gegen die Rehbachverlegung profiliert. Die Grünen weisen im Verbund mit der Bürgerinitiative zum einen daraufhin, dass man den angestrebten Hochwasserschutz viel preisgünstiger und rascher realisieren könnte als mit der aufwendigen, teuren und "unsinnigen" Bachverlegung. Man müsse im Wesentlichen nur das vorhandene Grabensystem reaktivieren, um das Hochwasser in unbebautes Gebiet ableiten zu können. Zum anderen sei die Bachverlegung als Brachialmethode überhaupt nicht als naturverträglich einzustufen (s. auch Kasten auf S. 2). Die Ertüchtigung des alten Grabensystems sei als mildere Maßnahme viel eher als ein Beitrag zur Förderung des Naturschutzes zu bewerten.

Behörden und Politik: Rehbach-Verlegung ist alternativlos!

Der Argumentation der Grünen und der Bürgerinitiative wird wiederum von der Gemeinde- und Kreisverwaltung, von der zuständigen Wasserwirtschaftsbehörde ("Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd" - SGD Süd) und den von der Behörde beauftragten Gutachterbüros entschieden widersprochen. Mit der großen Stimmenmehrheit der GroKo hat der Kreisausschuss des Landkreises Bad Dürkheim am 10.09.14 empfohlen, das zwischenzeitlich ausgesetzte Planfeststellungsverfahren zur Umleitung des Rehbachs wieder aufzunehmen. Denn ein zusätzlich in Auftrag gegebenes Gutachten habe gezeigt, dass durch die Reaktivierung des alten Grabensystems und der natürlichen Retentionsflächen nur für Teile des Gemeindegebietes eine 100jährlicher Hochwasserschutz gewährleistetet werden könne. Um einen vollen Hochwasserschutz herzustellen, wäre eine Verlegung des Rehbach trotzdem "unumgänglich". Zudem wäre der Flächenbedarf der Alternativvorschläge größer und die Kosten höher.

Während die BI und die Grünen davon ausgehen, dass ihre Vorschläge sehr viel zeitnäher umgesetzt werden könnten, vertritt man in der Kreisverwaltung genau die gegensätzliche Auffassung: Die für die Reaktivierung des Grabensystems und der natürlichen Retentionsflächen erforderliche Umweltverträglichkeitsstudie und Detailplanungen würden den Hochwas-serschutz "noch um Jahre verzögern". Da dann Neustadt an der Weinstraße als Oberlieger (dort liegt der Ursprung der Bach- und Grabenverzweigungen) ebenfalls betroffen sei, würde der Planungsprozess noch komplizierter als ohnehin. Fazit für den Landrat: "Die Aufteilung des Rehbachs bleibt daher die effizienteste und wirtschaftlichste Lösung." Das förmliche "Planfeststellungsverfahren für die Gewässerneuentwicklung mit integriertem Hochwasserschutz des Rehbachs in Haßloch" wurde auf Antrag der Kreisverwaltung von der SGD-Süd im Okt. 2014 gestartet.

Rehbach-Disput: Müssen künstliche Gewässer renaturiert werden?

Das Wasserregime in der Vorderpfalz ist äußerst komplex, weil sich die aus dem Pfälzer Wald zulaufenden Bäche in der Rheinebene vielfach verzweigen und wieder verbinden, die Bachverläufe seit Jahrhunderten künstlich geschaffen wurden und ein äußerste geringes Gefälle aufweisen. Die BI und die Grünen zweifeln deshalb die Aussagekraft der Simulationsrechnungen für den Wirksamkeitsnachweis der beantragten Bachverlegung an. Denn nur geringfügig andere Eingangsdaten bei der Topographie würden zu völlig abweichenden Ergebnissen führen. Die Gegner der Bachverlegung stellen darüber hinaus in Frage, ob eine naturnahe Gestaltung des neuen Bachverlaufs ein Beitrag zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie wäre. Denn es würde sich beim Rehbach um einen "Artificial Water Body" (AWB) handeln. Das würde sich schon daraus ergeben, "... dass der Rehbach bereits im frühen Mittelalter als künstliches Gerinne als Transportweg und für den Antrieb von Mühlen angelegt" worden sei. Und künstlich geschaffene Fließgewässer seien "nicht zwingend zu renaturieren". Es sei ein "unzulässiger Rückschluss", wenn der naturferne Charakter des bestehenden Rehbachs als "Defizit hinsichtlich der Anforderungen der EU-WRRL" bewertet würde. [Diesbezüglich haben die Haßlocher Grünen Art. 4 (1) a) iii) in der WRRL wohl nicht ganz richtig verstanden. Danach ist auch in künstlichen Gewässern das »gute ökologische Potenzial« zu erreichen. Das könnte u.a. bedeuten, dass an den Wehranlagen der denkmalgeschützten Mühlen am Rehbach die Durchgängigkeit wieder hergestellt werden muss. - Anm. BBU]

Rehbachverlegung: Die Schwierigkeiten der Bürgerbeteiligung

Die Auseinandersetzungen um die Verlegung des Rehbachs werden deshalb hier so ausführlich dargestellt, weil der Zwist um die Verlegung des Rehbachs symptomatisch für die Schwierigkeiten der Bürgerbeteiligung ist. Auf der einen Seite stehen der CDU-Bürgermeister, der Landrat und die Behörden mit ihren Gutachtern. Politik und Behörde gehen davon aus, dass sie mit der vorgezogenen Öffentlichkeitsbeteiligung in Form von drei Bürgerinformationsveranstaltungen weit mehr Öffentlichkeitsbeteiligung hergestellt haben als im förmlichen Planfeststellungsverfahren von Nöten ist. Auf der anderen Seite stehen die Bürger, die sich in ihrer Angst um einen Wertverlust ihrer Immobilien und in ihrer Gewissheit, dass es einen ökologischeren und preisgünstigeren Hochwasserschutz geben könnte, trotzdem nicht ernstgenommen fühlen. Nachstehend eine Gegenüberstellung der diametral gegensätzlichen Einschätzungen des Partizipationsprozesses.

Rehbach-Verlegung: Bürgerbeteiligung à la Verwaltung & Politik

Anlässlich einer "Bürgerdialog"-Veranstaltung, die am 10.02.14 immerhin von 18 Uhr bis 23:15 (!) Uhr dauerte, hatte der Bürgermeister von Haßloch Sinn und Zweck des Bürgerdialogs zur Rehbachverlegung wie folgt erläutert:

"Der Bürgerdialog im Allgemeinen ist eine Einladung an Bürgerinnen und Bürger, ihre Fragen, Erwartungen, Probleme, Bedenken, Hinweis auf Missstände aber auch Lob und Wünsche vorzutragen (ergebnisoffene Entscheidungen bezüglich des Ob und Wie also zu Bedarf und Art und Inhalt). Diese Veranstaltung heute stellt ein frühzeitiges Informations- und Beteiligungsangebot dar, also zusätzliche Informationen an die Öffentlichkeit über die Maßnahme Rehbachverlegung. Ziel ist die Transparenz zum geplanten konkretem Vorhaben (Gewässerinstandhaltung), aus erster Hand von Maßnahmeträger, Fachplanern und Fachbehörden, die Darstellung der Zielsetzung der Maßnahme (...) und die Darstellung der gesetzlichen und naturschutzrechtlichen Auswirkungen. Diese Informationstermine dienen dazu, die Thematik in der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung zu versachlichen und die klare Trennung der Zuständigkeiten (...) zu verdeutlichen. Der Bürgerdialog ist eine Ergänzung zu der bereits erfolgten, vorgezogenen Beteiligung der Gemeinde Haßloch (seit 2011) und ihrer Gremien, der Naturschutzverbände, des Beirats für Naturschutz des Landkreises Bad Dürkheim, Bürgerversammlung der Gemeinde Haßloch 19.11.2013 und dient der Erfassung aller maßgeblichen Aspekte, unter Einbeziehung der Orts- und Sachkunde aller vor Ort, im Vorfeld des förmlichen Planfeststellungsverfahrens."

Anschließend machte der Bürgermeister die Grenzen der Bürgerbeteiligung deutlich: "Ziel des Bürgerdialogs ist nicht die gemeinsame Erarbeitung einer Planung von A-Z." Man werde zwar alle Einwände und Anregungen "ernst" nehmen und abwägen.

Aber es bestehe "keine Pflicht zur konkreten Verfolgung aller Alternativvorschläge". Schließlich habe die Verwaltung bereits drei unterschiedliche Varianten untersuchen lassen. Die Variantenuntersuchung sei von den Fachbüros unter der Begleitung der Fachbehörden "seriös und gewissenhaft nach den rechtlichen und naturschutzfachlichen Belangen" vorgenommen worden. Gleichwohl werde man die Einwände und Anregungen aus der Bürgerschaft für eine "Plausibilitätsprüfung" nutzen. Zudem seien die Anmerkungen der interessierten Öffentlichkeit für eine Analyse tauglich, ob in die vorhandene Planung neue Aspekte einbezogen werden könnten, die in der bisherigen Variantenuntersuchung noch nicht berücksichtigt worden seien. Der endgültigen Planung könnten die Vorschläge aus der Bürgerschaft aber nur dann zu Grunde gelegt werden, "wenn die Alternativplanung in Bezug auf die Umweltprüfung schonender ist!" (zitiert aus dem Protokoll des "Bürgerdialogs".)

Weitere Infos aus der Sicht der lokalen
Verwaltung:
Gemeindeverwaltung, 67454 Haßloch,
Bürgermeister Lothar Lorch
Tel. 06324/935-0
E-Mail: gemeinde@hassloch.de
www.hassloch.de

Rehbach-Verlegung: "Die Bürgerbeteiligung ist eine Farce!"

Der von der Verwaltung angebotenen Form der Bürgerbeteiligung kann die Bürgerinitiative "Hochwasserschutz ja - Rehbachverlegung nein" wenig abgewinnen. Bei der Kritik am Partizipationsverfahren wird auf der Homepage der BI zunächst auf die Vorgänge im Jahr 2011 verwiesen. Bereits damals habe die geplante Ausweisung eines Überschwemmungsgebietes, das sich fast über den halben Ortsbereich von Haßloch erstrecken sollte, "die Gemüter erregt". Nur "der engagierte Protest einiger Bürger" habe seinerzeit verhindern können, dass die Verwaltung "im Handstreich" ihre jahrelangen Versäumnisse im Hochwasserschutz einfach auf die Haßlocher Bürger abwälzen konnte - und weiter: "Die bürgerferne, arrogante Vorgehensweise der Verwaltung, Messungen & Berechnungen, die erst nach dem heftigen Protest nochmals einer Überprüfung unterzogen wurden, aber auch der verantwortungslose Umgang mit dem Thema Hochwasserschutz, haben das Vertrauen in die Verantwortlichen schwinden lassen. Einwände und Anfragen der Bürger, die nicht einmal beantwortet wurden, ließen den Sinn der vorgeschriebenen öffentlichen Beteiligung zur Farce werden."

Mit der sogenannten Bürgerbeteiligung habe die Verwaltung jetzt bei der vorgesehenen Rehbach-Verlegung "erneut die Chance (verspielt), die Bürger einzubinden und deren Akzeptanz zu erreichen". Wieder habe die Verwaltung "intransparent hinter verschlossenen Türen gearbeitet und die Bürger nicht einbezogen". Folgende Belege für die Bürgerferne der Verwaltung werden aufgelistet: "Der erste Bürgerdialog wurde zu ungünstiger Zeit nach Bad Dürkheim gelegt; die Fragen dort nur oberflächlich beantwortet und auf die Alternativvorschläge der Bürger nicht eingegangen. Der zweite Bürgerdialog wird nun in Hassloch stattfinden, jedoch in so kurzem Zeitabstand, dass die Antworten aus dem ersten Dialog kaum von den Bürgern hinterfragt werden können, da das Protokoll immer noch nicht vorliegt."

Kritisiert wird nicht nur der organisatorische Verfahrensablauf, sondern auch, dass "eine glaubwürdige Prüfung von möglichen Alternativen zu dieser Rehbachverlegung und die Abwägung der Folgen für Hochwasserschutz und das Ökosystem nicht erfolgt" sei. "Der Vertrauensverlust in die Verwaltungen" habe einige Bürger Hasslochs "veranlasst, selbst Untersuchungen durchzuführen und eigene Alternativvorschläge zu unterbreiten". Lt. einer Presseerklärung der BI vom 26.06.14 hatten sich die Organisatoren des Protests auch direkt an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin gewandt. Bei einem Gespräch am 16.06.14 habe Marlu Dreyer (SPD) "echtes Interesse an dem Thema" gezeigt und unterstrichen, "dass Öffentlichkeitsbeteiligung für sie einen hohen Stellenwert" habe. Die Ministerpräsidentin habe zugesagt, "dass sie sich in Abstimmung mit Umweltministerin Ulrike Höfken für die Belange der Haßlocher Bürger einsetzen werde". Die Landesschefin habe "der Bürgerinitiative für deren Engagement gedankt". Insgesamt sei "es ein positives und angenehmes Treffen" gewesen.

Die Homepage der BI
"Hochwasserschutz ja - Rehbachverlegung nein":
http://hochwasserschutz-hassloch.de/

Die BI auf Facebook:
https://de-de.facebook.com/BIRehbach

Rehbach-Verlegung: BUND lobt die Einbindung der Naturschutzverbände

Völlig anders als die Bürgerinitiative bewertet die Kreisgruppe Bad Dürkheim des BUND das Partizipationsverfahren. In einem Schreiben vom 16.11.14 an die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD Süd) ist der BUND voll des Lobes:

"Das geplante Vorhaben wird vom BUND sehr begrüßt. Es geht u.a. auf die Anregungen ehrenamtlicher Naturschützer zurück. Schon im Vorfeld der jetzt erfolgten Offenlage wurden der Naturschutzbeirat, der BUND sowie andere Naturschutzorganisationen gut beteiligt und konnten auf die Planung Einfluss nehmen. Aus unserer Sicht wird der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) durch eine solche (Teil-)Verlegung am besten gerecht. Durch eine Renaturierung des Bachs im bestehenden Bett könnten wegen der Zwangspunkte (vor allem die Mühlen) die Ziele der WRRL nicht erreicht werden. Die ganze Planung ist sorgfältig erarbeitet worden." Auch die Umweltverträglichkeitsprüfung zur Rehbach-Umlegung sei "formal korrekt und ausführlich abgearbeitet worden".

Weitere Auskunft zur Positionierung der
BUND-Kreisgruppe Bad Dürkheim:
Dr. Heinz Schlapkohl
Eyersheimer Mühle 3
67256 Weisenheim am Sand
Telefon: 06353-3318

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1054
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 / 27 56 93, 456 871 53
E-Mail: nik[at]akwasser.de
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2015

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