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POLITIK/377: Aufhebung von drei Wasserschutzgebieten in Berlin ein schwerer Fehler (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 148 - Februar/März 09
Die Berliner Umweltzeitung

Umweltpolitik mit nassen Füßen
Die Aufhebung von drei Wasserschutzgebieten in Berlin ist ein schwerer Fehler

Von Hartwig Berger


Trotz der Proteste von Umweltverbänden treibt Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) die Aufhebung der drei Wasserschutzgebiete Jungfernheide, Buch und Alt-Glienicke voran. In einem Gebiet, das rund drei Prozent der Stadtfläche Berlins umfasst, entfallen damit wichtige Regeln der Vorsorge, die dem Grundwasserschutz dienen. In Kleingärten dürfen nunmehr Pestizide verwendet werden, Tankstellen gebaut und weitere Flächen versiegelt werden; Straßen in Nähe der Brunnen müssen nicht mehr mit einem Schutz gegen auslaufendes Benzin und Öl versehen sein. Die Umweltqualität verschlechtert sich eindeutig; zugleich können die endgültig stillgelegten Wasserwerke nicht mehr die Wasserförderung in ökologisch empfindlichen Gebieten der Stadt entlasten.

Den Grundwasserschutz hat Senatorin Lompscher per Sofortvollzug aufgehoben, sodass bereits ab Mai in den betroffenen Gärten fröhlich gespritzt, Boden versiegelt und mit Mineralöl sorgloser umgegangen werden kann. Begründet wird die Eilfertigkeit durch den Hinweis auf die Rechte der Privateigentümer. So verteidigte Frau Lompscher im Umweltausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses am 6. Oktober 2008 den Sofortvollzug der Aufhebung der (drei genannten) Wasserschutzgebiete: "Wenn der Verwaltung Tatsachen bekannt sind, aufgrund derer absehbar ist, dass es dieses Vollzuges nicht mehr bedarf, dann ist sie gehalten, unmittelbar zu handeln, weil wir hier ansonsten starke Eingriffe in die Rechte der Grundstückseigentümer vornehmen. Das ist eine verfassungsrechtliche Frage und hat etwas mit dem erheblichen Eingriff in Eigentumsrechte zu tun." (Wortprotokoll)


Feuchtgebiete und Moore in Gefahr

Nicht nur für eine parteipolitische Sozialistin ist diese "Argumentation" bemerkenswert. Mit den "Tatsachen", die sie zum Handeln zwingen, ist ein ohne jede Bürger- und Verbände-Beteiligung erstelltes "Wasserversorgungskonzept" vom Frühjahr 2008 gemeint, das mögliche Entwicklungen der Wasserversorgung bis in das Jahr 2040 abschätzt. Diese erste offizielle Analyse dient den erst jetzt anlaufenden Umweltverträglichkeitsstudien zur Orientierung. Diese Studien sollen Auswirkungen der Wasserförderung an den einzelnen Standorten in Berlin genauer untersuchen. Unstrittige "Tatsachen" dazu gibt es bisher nicht. Niemand kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicher sagen, in welchem Ausmaß die Wasserförderung in Köpenick, Spandau oder im Grunewald den Naturräumen und der Artenvielfalt schadet.

Mit allerdings hoher Wahrscheinlichkeit wird an den genannten Orten die Wasserförderung reduziert werden müssen, wenn nicht wertvolle Moore und andere Feuchtgebiete verloren gehen sollen. Berlin wird die jetzt stillgelegten Wasserwerke dann dringend benötigen, um den Schaden für Natur und Landschaft zu begrenzen. Sich dieser Option jetzt zu verschließen, indem drei Standorte der Wasserförderung definitiv aufgegeben werden, ist aus ökologischer Sicht verantwortungslos.


Privateigentum vor Gemeinwohl

Die Schließung des Wasserwerks Jungfernheide hat obendrein eine absurde Konsequenz: Seit dort 1999 die Förderung eingestellt wurde, steigt das Grundwasser, sodass die Keller der Anwohner und Anlagen der Firma Siemens vernässen. Als Notmaßnahme dagegen wird nun Grundwasser abgepumpt, um es anschließend ungenutzt in die Spree zu leiten. Pumpenergie und trinkbares Wasser werden verpulvert, damit das geschätzte und "wirksam" geschützte Privateigentum nicht nasse Füße bekommt. Für die Kosten diese Murkserei kommt vorläufig der Steuerzahler auf.

So wacht Berlins Umweltverwaltung über die Rechte des Privateigentums, während die Belange des Naturschutzes und des Gemeinwohls zurückstehen müssen. Die Lurche oder der Sonnentau, die mit den austrocknenden Mooren am Pechsee im Grunewald oder an der Pelzlaake in Köpenick zugrunde gehen, haben Pech gehabt. Vielleicht finden sie ja in den nassen Kellern in der Nähe von sinnlos stillgelegten Wasserwerken neue Biotope.


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 148, Februar/März 09. S. 5
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2009