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RECHT/063: Warum die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie so lahmt (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1124 vom 26. Januar 2018, 37. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)


WRRL: Wie viel Zündstoff steckt in Paragraf 84 Wasserhaushaltsgesetz?

Aus der Sicht der GewässerschützerInnen kommt die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) nur elend langsam voran. Die harzende Umsetzung der WRRL liegt möglicherweise auch daran, dass sich bis jetzt noch niemand den § 84 im Wasserhaushaltsgesetz angeschaut hat. Denn in Abs. 2 von diesem Paragraf mit dem Titel "Fristen für Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne" heißt es, dass die in den Maßnahmenprogrammen (siehe Kasten) gelisteten Maßnahmen "innerhalb von drei Jahren" umzusetzen sind. § 84 (2) bezieht sich mit dieser Dreijahresfrist auf den fast wortgleichen Art. 11 (8) der WRRL. Ausnahmen von der Dreijahresfrist sind nicht zugelassen. Nun ist es so, dass die wenigsten Maßnahmen tatsächlich innerhalb der Drei-Jahres-Frist umgesetzt werden. In weitgehender Unkenntnis von § 84 (2) WHG ist das bis jetzt einfach so hingenommen worden. Umwelt- und Fischereiverbände könnten sich bei den Maßnahmenträgern (insbesondere Kommunen) und bei den für den WRRL-Vollzug zuständigen Behörden (Regierungspräsidien und Bezirksregierungen) noch mehr unbeliebt machen, wenn sie danach fragen würden, wie man gedenkt, mit der Dreijahresfrist umzugehen. Falls künftig verstärkt auf die Dreijahresfrist gepocht werden sollte, lässt sich aber schon voraussagen, was dann passieren wird: Voraussichtlich werden die Behörden im nächsten Bewirtschaftungszyklus von 2021 bis 2027 nur noch die Maßnahmen in die Maßnahmenprogramme 2021 aufnehmen, von denen ziemlich sicher gesagt werden kann, dass sie innerhalb einer Dreijahresfrist auch tatsächlich realisiert werden können. Alle anderen Maßnahmen zur Erreichung des "guten ökologischen Potenzials" bzw. des "guten ökologischen Zustandes" wird man dann vergeblich in den Maßnahmenprogrammen suchen. Gegen diese Taktik würde aber die "Vervollständigkeitsfunktion" (siehe Kasten) sprechen.

Was sind Maßnahmenprogramme?

Für Bearbeitungsgebiete, Teilbearbeitungsgebiete und "Wasserkörper" sind Bewirtschaftungsziele zu definieren. Wie man die Bewirtschaftungsziele erreichen kann, wird nach § 82 (1) Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in den Maßnahmenprogrammen festgelegt. Nach § 82 (2) WHG wird dabei zwischen grundlegenden und "ergänzenden Maßnahmen" differenziert. Verzögerungen ergeben sich immer wieder vor allem bei den "ergänzenden Maßnahmen". Dabei handelt es sich um Einzelfallentscheidungen der Wasserbehörden - zum Beispiel hinsichtlich der Durchgängigmachung eines Querbauwerkes, das für Fische nicht überwindbar ist. Der im RUNDBR. 1122 und 1123 vorgestellte WHG-Kommentar von Berendes, Frenz und Müggenborg stellt auf S. 1578 in RdNr. 63 dazu fest, dass in ein Maßnahmenprogramm "zwingend" alle Maßnahmen aufzunehmen sind, die erforderlich sind, um das definierte Bewirtschaftungsziel zu erreichen ("Vervollständigkeitsfunktion"). Dabei müsse allerdings nachgewiesen werden, dass die gelisteten Maßnahmen tatsächlich notwendig sind, um den "guten ökologischen Zustand" bzw. das "gute ökologische Potenzial" zu erreichen ("Erforderlichkeitsbezug"). Beim für 2019 anstehenden "Fitness-Check" der WRRL muss deshalb befürchtet werden, dass die EU-Mitgliedsstaaten darauf drängen werden, dass die ambitionierte Dreijahresfrist vorsorglich gecancelt wird. Dann könnte niemand mehr nörgeln und man hätte wieder seine Ruhe.

Warum die Umsetzung der WRRL so lahmt

In der Umweltpolitik ist es inzwischen ein running gag, wenn darauf hingewiesen wird, dass grundsätzlich der "gute ökologische Zustand" in den Gewässern der EU bis 2015 hätte erreicht sein müssen. Fristverlängerungen sind nach der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) nur in begründeten Ausnahmenfällen zulässig. Gleichwohl wird es vermutlich noch Jahrzehnte dauern, bis man an den "guten ökologischen Zustand" unserer Gewässer einen Haken machen kann. Warum selbst die Realisierung von Maßnahmen aus den Maßnahmenprogrammen 2009 bis heute auf sich warten lässt, kann stellvertretend für viele weitere ähnliche Fälle an der Dreisam in Freiburg nachvollzogen werden: Dort war die Durchgängigmachung des letzten großen Wanderhindernisses bereits für den Bewirtschaftungszyklus von 2009 bis 2015 vorgesehen gewesen. Die Umsetzung dieser Maßnahme ist aber von der Stadtverwaltung immer wieder verschleppt worden. Das lag nicht nur daran, dass die erforderlichen Finanzmittel von der "green city" Freiburg nie bereitgestellt worden sind. Die notorische Ignorierung der Vorgaben der WRRL zwischen Denkmalschutz und Wasserkraftinteressen hat dazu geführt, dass Wanderfische das Schwabentorwehr in der Dreisam bis heute nicht überwinden können. Die Einhaltung der oben genannten Dreijahresfrist hat auch in Freiburg nie eine Rolle gespielt. Die ganze Ignoranz-Geschichte kann auf unserer Homepage www.ak-wasser.de unter "aktuelle Infos" nachgelesen werden.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1124
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2018

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