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SCHADSTOFFE/142: Düngemittellager - Ein brandgefährliches Risiko für jeden Fisch (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1092 vom 28. Aug. 2016 35. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Düngemittellager: Ein brandgefährliches Risiko für jeden Fisch


Als "erschreckend" bezeichnete der Stuttgarter Umweltminister den Umfang der Mängel, der bei einem Check von Düngemittellagern in Baden-Württemberg zu verzeichnen war. Zu einer systematischen Überprüfung der Düngemittelager hatte sich das Umweltministerium entschlossen, nachdem im August 2015 das Löschwasser aus einem abbrennenden Düngemittellager mit Ammoniumdüngern an der Jagst zu einem großen Fischsterben in dem Neckerseitenfluss geführt hatte (siehe RUNDBR. 1071/1-3, siehe auch übernächste Notiz). Was das Ministerium in seiner Pressemitt. vom 08.08.16 an aufgefundenen Mängeln auflistet, bestätigt alle Vorurteile, die man gegenüber der Eigenverantwortung der Betreiber von brandgefährlichen Lageranlagen haben kann. Das ist umso bedenklicher, weil bereits nach der Sandoz-Giftwelle vom Nov. 1986 im Rhein eine schärfere Überwachung auch von Düngemittellagern angemahnt worden war. Aber offenbar muss jede Generation erneut ihre Fehler machen. Der baden-württembergische Umweltminister, FRANZ UNTERSTELLER (GRÜNE) fand denn auch deutliche Worte:

"Vielen Betreibern solcher Lagerstätten sei offenbar nicht bewusst gewesen, dass ihnen die einschlägigen Gesetze ein erhebliches Maß an Eigenverantwortung einräumten. (...) Das offensichtlich mangelnde Gefahrenbewusstsein vieler Anlagenbetreiber zeugt von erheblichen Informationsdefiziten."

Die baden-württembergische Umweltverwaltung wolle deshalb prüfen, wie die Betreiber künftig besser über ihre bestehenden Pflichten informiert und auf die bestehenden Risiken hingewiesen werden könnten. Zwischenzeitlich haben die Überwachungsbehörden die Betreiber aufgefordert, die Mängel zu beseitigen. Zwar hätte daraufhin "ein Großteil der Mängel zeitnah beseitigt" werden können. In einzelnen Fällen hätten aber Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet oder Zwangsgeld angedroht werden müssen. Da sich zum Teil gezeigt habe, dass auch größere bauliche Maßnahmen erforderlich seien, gingen die zuständigen Behörden aktuell davon aus, dass es bis 2017 dauern wird, bis alle bei der Prüfaktion festgestellten Mängel beseitigt sein werden.

Bei der Prüfaktion hatten die Behörden in ganz Baden-Württemberg insgesamt 307 gewerbliche Düngerlager von 276 Betrieben überprüft. In diesen Betrieben lagerten sowohl ammoniumhaltige, als auch ammoniumfreie Düngemittel in saisonal unterschiedlichen Mengen von einem Zentner bis zu mehreren tausend Tonnen. Daneben habe die Lagerung oftmals auch Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel sowie gelegentlich zusätzlich Treib- und Brennstoffe wie Diesel oder Heizöl umfasst. Neben der Frage, ob die notwendigen bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen vorlagen, hätten die Behörden bei ihrer Überprüfung ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, ob bestimmte sicherheitsrelevante Maßgaben aus dem Wasserrecht, insbesondere zur Löschwasserrückhaltung, sowie Vorgaben zur Lagerung aus dem Gefahrstoffrecht eingehalten worden waren. Das desaströse Ergebnis der Überprüfung kann weiter unten im Kasten nachgelesen werden.

Auch Kunststofflager sind eine fischgiftiges Risiko

In seiner zuvor zitierten Pressemitteilung zur besorgniserregend hohen Mängelquote bei Düngelmittellagern und im Landhandel hatte Umweltminister UNTERSTELLER auch darauf hingewiesen,
"dass Gefahren für die Gewässer im Land nicht nur von gewerblichen Düngerlagern ausgehen. Es gibt noch zahlreiche andere Anlagen, beispielsweise Kunststofflager, mit einem vergleichbaren Schadenspotenzial."

In einem nächsten Schritt wollen das Ministerium und die nachgeordneten Behörden daher im Rahmen des Jagst-Aktionsprogrammes ein Projekt auf die Beine stellen, das auch solche Anlagen und die von ihnen ausgehende Gefahr für die Umwelt erhebt. Für das Einzugsgebiet der Jagst will das Ministerium "eine Übersichtskarte der relevanten Betriebe mit wassergefährdenden Stoffen in Gewässernähe" erarbeiten lassen. Diese Karte "könnte dann als Muster für eine landesweite Übersicht dienen".

Weitere Informationen zum Mühlenbrand in Kirchberg im August 2015 und zum Aktionsprogramm Jagst auf der Homepage des Umweltministeriums unter
www.um.baden-wuerttemberg.de.

[Es bleibt zu hoffen, dass Baden-Württemberg in den Länderarbeitsgemeinschaften Wasser (LAWA) und Immissionsschutz die anderen Bundesländer bittet, auch einen kritischen Blick auf den Zustand der dortigen Düngemittellager zu werfen. In diesem Zusammenhang ist unseres Erachtens zudem daran zu erinnern, dass die Überprüfung von Biogasanlagen ebenfalls zu einer gravierenden Mängelquote geführt hat - siehe RUNDBR.1072/2. Zahlreiche große Fischsterben zeugen davon, was passieren kann, wenn die Betreiber von Biogasanlagen alle Fünfe gerade sein lassen.]


Düngemittellager: Löschwasserrückhaltung größtenteils nicht gewährleistet

In der Pressemitteilung des Stuttgarter Umweltministeriums zum Düngemittellager-Check heißt es wörtlich:

"Bei etwa der Hälfte der 307 überprüften Lager, also bei rund 150 Anlagen, stellten die Behörden fest, dass eine Löschwasserrückhaltung notwendig ist. Nur in 54 Prozent dieser Fälle (rund 80 Anlagen) war eine solche Löschwasserrückhaltung auch vorhanden und nur bei etwa 35 Anlagen (23 Prozent) war diese auch tatsächlich ausreichend bemessen. Aber selbst wo Vorrichtungen vorhanden waren, um Löschwasser im Brandfall zurückzuhalten, waren diese nicht immer nutzbar, zum Beispiel weil Absperrvorrichtungen fehlten.
In 81 Fällen waren die Betreiber nach der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) verpflichtet, ihre Anlagen regelmäßig von Sachverständigen überprüfen zu lassen. Nur bei 32 Anlagen (40 Prozent) haben die Betreiber diese Prüfungen tatsächlich veranlasst. In den anderen Fällen gingen die Betreiber fälschlicherweise davon aus, dass Düngemittel keine wassergefährdenden Stoffe seien. Selbst wenn zusätzlich noch Pflanzenschutzmittel gelagert wurde, haben viele Betreiber erklärt, ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass hiervon Gefahren für die Umwelt ausgehen könnten.
Darüber hinaus fehlten insbesondere bei älteren Düngemittellagern, die bereits seit den 1960er Jahren in Betrieb sind, häufig die notwendigen Genehmigungen vollständig oder sie waren nicht mehr auffindbar. In anderen Fällen waren Lager nur allgemein als "Landhandel" genehmigt und Düngemittel als wassergefährdende Stoffe in der Genehmigung oder in den Antragsunterlagen nicht ausdrücklich aufgeführt. Teilweise wurden die Wasserbehörden im Genehmigungsverfahren wegen fehlender Angaben in den Antragsunterlagen erst gar nicht beteiligt, in anderen Fällen erhielt die Wasserbehörde keine Mehrfertigung der Genehmigung, weshalb sie gestellte Auflagen nicht überwachen konnte. Manchen Betreibern war nicht bewusst, dass sie für die Lagerung von Düngemitteln besondere gesetzliche Anforderungen zu berücksichtigen haben. Andere Betriebe wiesen organisatorische Mängel bei der Lagerung von Gefahrstoffen auf, zum Beispiel fehlten notwendige Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen oder Beschäftigte wurden nicht in den Anforderungen des Arbeitsschutzes unterwiesen. Außerdem haben Betreiber bestehende technische Regeln für Gefahrstoffe oftmals nicht beachtet, die zum Beispiel das Zusammenlagern bestimmter Stoffe verbieten, Mindestabstände bei der Zusammenlagerung vorschreiben oder Kennzeichnungsgebote enthalten."


Düngemittellagerbrand: Jagst teilweise immer noch im fischlosen Zustand

Überraschend langsam erfolgt offenbar die Neubesiedlung des Abschnittes der Jagst, in dem das Löschwasser aus dem Brand eines Düngemittellagers vor einem Jahr den gesamten Fischbestand ausgelöscht (sic!) hatte (siehe vorstehende Notizen sowie RUNDBR. 1071/1-3). Das ist das jetzt publizierte Ergebnis einer Überprüfung des limnologischen Zustandes der Jagst. Im Mai 2016 hatte die baden-württembergische Umweltverwaltung die Spätfolgen der Brandhavarie untersucht, um festzustellen, dass sich der Zustand der Fische in dem meist betroffenen Abschnitt der Jagst seit der letzten großen Untersuchung im Herbst 2015 "nicht verbessert hat". So seien unterhalb der Einleitestelle des kontaminierten Löschwassers "auf einer Strecke von zehn Kilometern weiterhin kaum Fische anzutreffen und nach wie vor seien auch weit unterhalb der abgebrannten Mühle Fische mit geschädigten Kiemen aufzufinden", heißt es in einer Pressemitteilung des baden-württembergischen Umweltministeriums vom 18.08.16 zum einjährigen Jubiläum des Branddesasters. In der Pressemitt. wird auch erläutert, welche Maßnahmen man schon getroffen bzw. man in der Pipeline hat, um den ökologischen Zustand der Jagst wieder zu verbessern. So habe man im kritischen Abschnitt der Jagst, "bereits 15 Maßnahmen umgesetzt", die die Struktur der Jagst als Lebensraum für Fische und andere Wassertiere verbessern sollen:

"Dabei handelt es sich zum Beispiel um die Entschlammung und Wiederherstellung von Altarmen, den Einbau von Störsteinen, Totholz und Kiesinseln."

Weitere 39 Renaturierungsmaßnahmen sollen nach dem Ende der naturschutzrechtlichen Schonzeiten ab Herbst 2016 in Angriff genommen werden. Grundstücke mit circa zwei Kilometer Uferlänge habe der - im Regierungspräsidium Stuttgart angesiedelte - Landesbetrieb bereits erworben. Darüber hinaus wolle der Landesbetrieb entlang der Jagst noch weitere Grundstücke für Renaturierungen erwoben, damit der Fluss ausreichende Möglichkeiten bekomme, sich eigendynamisch zu entwickeln. Um die vor dem Brand bestehende Artenvielfalt wiederherzustellen, müssen nach Auffassung des baden-württembergischen Umweltministers, FRANZ UNTERSTELLER (GRÜNE), auch "die vielen Wanderungshindernisse in der Jagst möglichst beseitigt und so wieder verschiedene Lebensräume innerhalb des Gewässersystems miteinander vernetzt werden". Das Land gehe hier mit gutem Beispiel voran, so dass sich der Umweltminister erhofft, "dass auch private Eigentümer von Wehren und anderen Querbauwerken ihren Beitrag hierzu leisten werden" (vgl. RUNDBR. 1071/3).

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1092
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2016

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