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MÄRCHENKOCH - TEIG/004: Fritierte Maisklößchen (SB)


DIE GEIGE


Es war einmal ein junger Bursche namens Janosch, der hatte keinen Vater und keine Mutter mehr. Er mußte für sich selbst sorgen, was ihm nur sehr schlecht gelang, so daß er oft frieren mußte und Hunger litt. Als er eines Abends wieder hungrig und verzweifelt am Wegesrand saß, trat eine alte Frau auf ihn zu und sprach: "Du bist ein tapferer Junge und dein schweres Schicksal dauert mich, daher will ich dir etwas schenken." Und sie legte Janosch eine Geige in den Schoß. "Mit dieser Geige hat es eine besondere Bewandtnis", fuhr die Alte eindringlich fort. "Behandelst du sie sorgsam, wird ihr Klang dein Herz reich machen, so daß es dich nie an etwas mangelt oder du dich einsam fühlst. Doch wenn du unachtsam mit ihr bist, dann wird die Geige dir verloren gehen und dein Leben wird wieder so traurig, wie es vorher war." Mit diesen Worten wandte die alte Frau sich um und verschwand so plötzlich, wie sie gekommen war.

Zunächst traute Janosch sich nicht, auf dem wertvollen Instrument zu spielen, denn er hatte das Geigen nie gelernt. Doch als er ganz in Gedanken mit dem Geigenbogen die Saiten berührte, klang eine so zauberschöne Melodie auf, daß all sein Kummer seine Bedeutung verlor. Obgleich er immer noch am Wegesrand saß, hatte Janosch das Gefühl, endlich ganz zu Hause zu sein. Er brauchte nach nichts mehr suchen, sich nichts mehr wünschen - es war alles erfüllt. Kein Hunger plagte ihn mehr und keine Einsamkeit. Er stand auf, hängte sich sein Bündel über die Schulter, und während er weiterspielte, machte er sich auf den Weg in das nächste Dorf.


*


Schon bald war Janosch als Spielmann in der ganzen Umgebung bekannt. Auf jedem Dorffest, auf jedem Tanzvergnügen und auf jeder Hochzeit wollte man ihn spielen hören. Man lud ihn zum Essen ein und er wurde stets reichlich entlohnt. Doch darüber vergaß er nicht, was die alte Frau zu ihm gesagt hatte und er hütete die Geige wie seinen Augapfel. Selbst des Nachts, wenn er sich zur Ruhe begab, lag die Geige auf einem Polster neben seinem Lager und mitunter kam es vor, daß er im Traum über ihre Saiten strich.

Eines Tages nun begab es sich, daß Janosch bei einem Tauffest zum Tanz aufspielte. Jung und alt tanzte nach den fröhlichen Klängen seiner Geige und alle wurde immer ausgelassener und übermütiger dabei. Drei junge Burschen trieben es dabei besonders toll, und als Janosch einmal den Geigenbogen sinken ließ, um eine neue Melodie anzustimmen, bauten sie sich frech vor ihm auf und der größte sagte zu den beiden anderen:

"Spielen kann er wie der Teufel, das muß man ihm lassen. Aber er sieht nicht so aus, als wenn er auch wie der Teufel reiten kann."

"Der weiß doch nicht mal, wie ein Pferd gesattelt wird", erwiderte einer seiner Gefährten mit dreistem Grinsen.

"Wenn er aufsteigt, rutscht er bestimmt auf der anderen Seite wieder herunter", stichelte der Dritte.

Janosch, der sich früher oft genug als Stallbursche verdingt hatte, schaute die drei Burschen geringschätzig an und sagte: "Ich bin zwar ein Spielmann, aber das Pferd, das ich nicht reiten kann, muß erst noch geboren werden."

"Hört, hört, mit seiner Zunge ist er ebenso gewandt wie mit dem Geigenbogen", spottete der größte.

"Aber Sehen geht vor Sagen", warf sein Gefährte ein. "Er kann uns ja mal zeigen, wie gut der schwarze Hengst bei ihm pariert."

"Der bricht ihm doch glatt den Hals", winkte der dritte verächtlich ab. "Wahrscheinlich gelingt es ihm noch nicht einmal, aufzusteigen."

Gerade in diesem Augenblick verkündete die Gutsherrin, daß das Abendessen für die Gäste angerichtet sei. Alles Volk drängte zu den hölzernen Tischen und Bänken, die man auf der Wiese unter den Bäumen aufgestellt hatte. Große Schüsseln mit köstlich dampfenden Maisklößchen standen darauf und luden zum Zugreifen ein. Nun wollte niemand mehr tanzen. Erst wenn das Essen beendet war, würde Janosch wieder spielen müssen.

"Zeigt mir das Pferd und laßt es mich reiten, dann werdet ihr schon sehen", konnte Janosch der Herausforderung nicht widerstehen. "Ich wette, es gehorcht mir wie ein Lamm."

"Dann komm mit und beweise uns, daß du mehr kannst als fiedeln", riefen die drei wie aus einem Munde und zogen Janosch mit sich fort.


*


Der feurige schwarze Hengst warf wiehrend den Kopf zurück, als er die Burschen kommen sah, und vollführte vor lauter Übermut ein paar wilde Sprünge. Janosch ging auf ihn zu und sprach beruhigend auf ihn ein. Und es gelang ihm tatsächlich, dem ungebärdigen Tier Sattel und Zaumzeug anzulegen. Doch als er sich mit einem tollkühnen Satz auf dessen Rücken schwang, preschte das Pferd mit ihm über Gräben und Zäune davon, daß er all sein Können aufbieten mußte, um nicht abgeworfen zu werden. Endlich gelang es ihm doch, den Hengst zur Raison zu bringen und er ritt nicht ohne Stolz zu den drei Burschen zurück, die ihre Enttäuschung kaum verbergen konnten, denn sie hatten erwartet, daß er humpelnd und beschämt zurückkehren würde.

"Du kannst tatsächlich mehr als nur fiedeln", gab der größte schließlich widerwillig zu.

"Du bist der erste, den er nicht abgeworfen hat", murmelte sein Gefährte anerkennend.

"Wir haben wohl den Mund etwas zu voll genommen", meinte der dritte ein wenig verlegen.

"Sei's drum", winkte Janosch selbstgefällig ab. "Jeder kann sich mal irren." Er klopfte dem Pferd den Hals und warf die Zügel großspurig einem der drei Burschen zu. Dann machte er sich wieder auf den Weg zum Gutshof, von dem Tellerklappern und Gelächter herüberklangen. Da erst wurde er gewahr, daß in seinem Innern eine befremdliche Ödheit und Leere herrschten, und ihn durchfuhr ein eisiger Schreck: Wo war seine Geige? Die Herausforderung der drei Burschen, den wilden Hengst zu reiten, hatte ihn derart beschäftigt, daß er die Geige einfach gedankenlos abgelegt hatte und sich nun nicht mehr darauf besinnen konnte, wo.

So schnell ihn seine Beine trugen, rannte er zur Tenne zurück, wo er zum Tanz aufgespielt hatte. Doch so sehr er auch suchte, er fand die Geige nicht. Selbst als die drei Burschen, die ihm gefolgt waren, bei der Suche halfen, nützte es nichts. Die Geige blieb verschwunden. Und in Janoschs Herz breitete sich immer mehr eine Öde und Leere aus, als wäre er inwendig zu Asche verbrannt.


*


Viele Jahre verflossen, ohne daß Janosch seine Geige wiedergefand. Er war als Tagelöhner durchs Land gezogen und nirgends länger als einige Wochen verweilt. Und immer hatte er nach ihr gesucht. Kein Tag war vergangen, daß er nicht an sie gedacht hätte, denn ohne sie kam er sich wie ein Gefäß ohne Inhalt vor.

Einmal wanderte Janosch durch einen großen dunklen Wald, um in der nächsten Ortschaft nach Arbeit zu suchen. Da stürzten ein paar finstere Gesellen aus dem Dickicht hervor, packten ihn und stachen ihn nieder. Nachdem sie seine wenigen Habseligkeiten an sich gebracht hatten, ließen sie ihn schwer verwundet zurück und flohen in den Wald hinein.

Janoch sah, wie das Blut unter seinem Wams hervorsickerte. Mutterseelenallein in der Dämmerung des Waldes sollte nun sein Leben zuende gehen. Niemand würde wissen, wer er war, und niemand würde um ihn trauern. Und auch die Geige hatte er nicht wiedergefunden. Da wurde Janosch von einer so tiefen Verzweiflung ergriffen, daß er mit einem unendlich trostlosen Seufzer die Augen schloß.

Plötzlich hörte er dicht neben sich ein Rascheln, und er glaubte schon, seine Wunde hätte ein wildes Tier angelockt. Aber als er erschreckt die Augen öffnete, sah er zu seiner unsäglichen Freude seine Geige neben sich an einem Baumstumpf lehnen. Sogleich erwuchs ihm neuer Lebensmut, der ihm auch die Kraft gab, das geliebte Instrument in die Arme zu schließen. Nun mochte kommen, was wollte, sein größter Wunsch hatte sich erfüllt. Er wollte der Geige nur noch einen einzigen Ton zu entlocken, bevor er aus dem Leben schied.

Janosch hob den Geigenbogen und strich voller Zärtlichkeit über die Saiten hin. Und die Geige sang für ihn, und mit jedem Ton kehrten Gesundheit und Stärke in seinen Leib zurück. Während er spielte, hörte die Wunde zu bluten auf und fing an, sich zu schließen. Janosch spielte die ganz Nacht hindurch und im Wald herrschte eine feierliche Stille, so als hielte jeder Baum, jeder Fuchs und jede Eule den Atem an. Als die ersten Sonnenstrahlen sich ihren Weg durch die Zweige bahnten, war er bereits wieder kräftig genug, um aufzustehen und sich gemächlich auf den Weg ins nächste Dorf zu machen. Nun war er wieder ein Spielmann, und er würde es bleiben bis ans Ende seiner Tage, denn niemand könnte ihn mehr dazu bringen, seine Geige im Stich zu lassen, und sollte der Teufel selbst es versuchen.


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FRITIERTE MAISKLÖSSCHEN

Zutaten für etwa 30 walnußgroße Maisklößchen:

1 Zwiebel
2 Knoblauchzehen
150 ml Buttermilch
2 Eier
1 gestr. TL Pfeffer
1 TL Salz
2 TL Paprikapulver
150 g Maisgrieß
50 g Weizenmehl
75 g Maisstärke
1 TL Backpulver
2 TL Butter
ca. 750 g Fritierfett (kann nach Gebrauch
wiederverwendet werden)


*


Die Zwiebel sehr fein würfeln. Den Knoblauch pressen. Eier und Buttermilch in einer Schüssel verrühren. Maisgrieß, Mehl, Maisstärke und Backpulver mit Pfeffer, Salz und Paprikapulver vermischen. Dann die Buttermilch-Eimasse sowie die Butter, die Zwiebelwürfel und den Knoblauch dazugeben und alles zu einem Teig verrühren. Den Teig am besten für eine Stunde in den Kühlschrank stellen.

In einem hohen Topf oder einer Friteuse das Fritierfett auf 180°C erhitzen. (Beim Topf erkennt man die richtige Temperatur daran, daß von einem ins Fett gehaltenen Holzlöffel Bläschenreihen aufsteigen. Wenn die Bläschen regelrecht hervorschäumen, ist das Fett zu heiß und die Wärmezufuhr muß reduziert werden.) Mit einem Teelöffel von dem Teig walnußgroße Klößchen abstechen und im Fett schwimmend goldbraun ausbacken. (Nicht alle Klößchen gleichzeitig in den Topf geben, sondern in kleineren Mengen.)

Die bereits fertigen Klößchen auf einem Backrost abtropfen lassen und warmstellen, so daß alle zusammen heiß serviert werden können.

(Die Maisklößchen schmecken zu einem bunten Salat ebenso gut wie als Beilage für ein Fleischgericht.)


Erstveröffentlichung am 14.04.1998

21. September 2007