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SOZIALES/001: Philippinen - Willkommen im Frauengefängnis 'Hoffnungsstrahl' (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. November 2010

Philippinen: "Schöner als zu Hause" - Willkommen im Frauengefängnis 'Hoffnungsstrahl'

Von Ana Santos


Davao, Philippinen, 24. November (IPS) - Auf den ersten Blick ist die Siedlung 'Hoffnungsstrahl' in Davao auf der südphilippinischen Insel Mindanao eine kleine Idylle. Auf dem 5.400 Quadratmeter großen Gelände mit seinen 20 pastellfarbenen Doppelbungalows sind Frauen mit Gießkannen unterwegs, andere haben sich mit Handarbeiten auf eine schattige Veranda zurückgezogen. Doch hinter der Fassade verbirgt sich das städtische Frauengefängnis. Hier warten 131 Insassen - oftmals mehrere Jahre - auf den Ausgang ihres Prozesses.

"Anfangs konnte ich kaum fassen, was ich hier sah", erinnert sich eine 18-Jährige, die sich Chona nennt. "Zuhause hatte ich es nicht so schön", stellt sie fest. Wegen eines mutmaßlichen Drogendelikts ist sie seit acht Monaten in Haft.

Elf bis 13 Frauen bewohnen in dem beispiellosen Gefängnisdorf jeweils in einem der mit Bad und Veranda ausgestatteten Bungalows, vor deren weit geöffneten Fenstern Moskitonetze statt Gitter angebracht sind. 93 Prozent der hier untergebrachten Frauen haben Kinder. Ihre Bedürfnisse werden besonders berücksichtigt. Für Mütter mit Säuglingen gibt es einen besonderen Stillraum. Kinder dürfen ihre Mütter regelmäßig besuchen und dann auch über Nacht bleiben.

"Damit ermöglichen wir den Inhaftierten, auch im Gefängnis den Kontakt zu ihren Kindern zu behalten", erklärte Grace Taculin, Oberaufseherin im 'Hoffnungsstrahl' in einem Interview. "Die Frauen müssen nicht befürchten, dass Gefängnisbesuche ihre Kinder verstören könnten. Auch die Kinder haben keine Angst, hierher zu kommen. Für sie gibt es hier viel Platz zum Spielen."

"Wir sind stolz darauf, dass in unserem Gefängnis der Krankenstand deutlich zurückgegangen ist", berichtet Jasmine Baclay, Leiterin der Gesundheitsabteilung. So haben wir die verwanzten Matratzen durch Schlafmatten ersetzt. Zudem sind wir eines der wenigen Gefängnisse, in denen es keine Fälle von Tuberkulose gibt", betonte sie.

Auch sonst unterscheidet sich die Haft im frauenfreundlichen 'Hoffnungsstrahl' wesentlich vom Aufenthalt in anderen philippinischen Gefängnissen. "Undenkbar, dass es dort Handarbeitsnadeln, Porzellanschüsseln oder, wie in unserem Garten, Steine gibt", meint Taculin. "Hier bei uns gibt es keine Schlägereien unter den Frauen. Die meisten sind eher Kleinkriminelle."

98 der 131 hier inhaftierten Frauen wurden wegen Drogendealens oder Drogenbesitzes verhaftet und müssen bei einer Verurteilung mit bis zu sechs Jahren Gefängnis rechnen. Ebenso lange warten einige bereits auf ihren Prozess. 15 Frauen müssen sich wegen Betrugs, Scheckbetrugs, Raub oder Diebstahl verantworten, drei wegen Totschlags und zwei wegen Mordes.


Viele Jahre in Untersuchungshaft

Wegen des schwerfälligen philippinischen Justizsystems kann es Jahre dauern, bis Untersuchungshäftlinge vor Gericht stehen. Die Zahlung einer Kaution, die ihnen die Untersuchungshaft ersparen würde, kommt für die meist armen Frauen nicht in Frage. Sie können die etwa bei einem Drogenvergehen fällige Kaution von umgerechnet 4.400 US-Dollar nicht aufbringen.

"Sie müssen hinter Gittern verkommen, bevor sie überhaupt verurteilt sind", kritisiert Adoracion Avisao. Die ehemalige Richterin leitet heute das 'Transformation Justice Institute' (TJI), eine zivile Initiative, die an der Etablierung des frauenfreundlichen Gefängnisdorfes von Davao beteiligt war.

Bevor die ersten Frauen im März 2007 aus dem alten Frauengefängnis in den 'Hoffnungsstrahl' übersiedeln konnten, mussten sie sich eine Zelle und eine Toilette mit bis zu 40 Mithäftlingen und häufig ein Bett mit vier Frauen teilen.

Nach Angaben der für Gefängnisse und Strafverfolgung verantwortlichen Behörde (BJMP) gibt es in philippinischen Gefängnissen 60.423 Insassen, fast 300 Prozent mehr als die 20.072, die nach dem verfügbaren Zellenraum eigentlich zulässig wären.

"Wie sollen sich Häftlinge unter diesen Umständen resozialisieren lassen?", klagt die Aktivistin Avisao. "Wir konnten nicht länger zulassen, dass inhaftierte Frauen, die meisten von ihnen Mütter, weiterhin so untergebracht wurden. Sie waren von ihren Kindern getrennt, und ihre Angehörigen wollten sie aus Scham nicht im Gefängnis besuchen."


Bessere Resozialisierungschancen

Davao war die erste philippinische Stadt, die 1997 einen Kodex für die Entwicklung der Lebensumstände von Frauen erließ. Dank dieser Verfügung erhielt sie Unterstützung beim Aufbau des Gefängnisdorfes 'Hoffnungsstrahl'. Mit Hilfe von anderen Nichtregierungsorganisationen sowie von privaten und wirtschaftlichen Institutionen bekamen die Frauen vom TJI schließlich umgerechnet 160.000 Dollar zusammen, und konnten ihr Konzept von einem frauenfreundlichen Gefängnis realisieren.

Im Gespräch mit IPS betont BJMP-Regionaldirektor Abraham Abella: "Hier verlieren die Frauen das Gefühl, eingesperrt zu sein. Außerdem haben sie in unseren Beschäftigungsprojekten Gelegenheit, neue Fähigkeiten zu erwerben, die ihnen später die soziale Wiedereingliederung erleichtern." (Ende/IPS/mp/2010)


Link:
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53654


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2010