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SOZIALES/018: Israel - "Der Mount Hermon wird immer uns gehören", Skifahren auf den Golanhöhen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2013

Israel: 'Der Mount Hermon wird immer uns gehören' - Skifahren auf den Golanhöhen

von Pierre Klochendler


Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Skifahrer in den Golanhöhen
Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Berg Hermon, Golanhöhen, 14. Februar (IPS) - Unablässig heult der Wind auf dem Mount Hermon und erstickt sämtliche Geräusche des syrischen Bürgerkriegs. Die Israelis, die in diesen Teil der von ihrem Land besetzten Golanhöhen kommen, denken nicht an Krieg, sondern an Sport. Das international als Teil Syriens anerkannte Gebiet ist das einzige Skigebiet in der Region.

"Ich fahre zum ersten Mal Ski", sagt Ilana Marciano aus Netanja, einer Stadt an der israelischen Mittelmeerküste. "Unglaublich, es ist einfach großartig" ruft sie, während sie sich aus dem 60 Zentimeter hohen Schnee hochrappelt. Der Mount Hermon ist in diesem Winter völlig schneebedeckt. Er ist ein exotischer Ort für Menschen, die sich sonst eher an sonnigen Stränden vergnügen. Täglich kommen durchschnittlich 10.000 Besucher in das Skigebiet, wie die Tourismusmanager am Ort berichten.

Dschabal asch-Schaich, wie der Gebirgszug auf Arabisch heißt, gilt den Israelis als 'Auge' ihres Landes. Hoch über dem Grenzdreieck zwischen Israel, dem Libanon und Syrien gelegen, bietet der 2.814 Meter hohe Berg einen weiten Blick. Die israelische Armee unterhält auf dem Hermon mehrere Beobachtungspunkte. An klaren Tagen kann man bis nach Damaskus sehen. Im Nordosten hat vor allem syrisches Militär in der libanesischen Bekaa-Ebene Stellung bezogen. Knapp unterhalb des Berggipfels und oberhalb einer 'Pufferzone' mit israelischen und syrischen Befestigungsanlagen befindet sich das 'Hermon-Hotel', die weltweit am höchsten gelegene Station von UN-Friedenstruppen.

Die syrischen Golanhöhen werden seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 von Israel besetzt. Sechs Jahre später wurden sie von Syrien zurückerobert, doch kurz darauf rückte wieder israelisches Militär ein. Während der israelischen Invasion flohen etwa 100.000 syrische Drusen aus dem Gebiet. Heute leben dort nur noch rund 20.000 Mitglieder der Religionsgemeinschaft, zusammen mit rund 18.000 Israelis, die auf dem Gebirgszug 32 Siedlungen errichtet haben.


Golanhöhen zwischen Krieg und Frieden

Hinter dem 80 Kilometer langen Grenzzaun sind Minenfelder und Militärposten zu erkennen, die entlang der von der UN überwachten Waffenstillstandslinie verstreut liegen. Jenseits der 0,5 bis zehn Kilometer breiten Pufferzone sind syrische Dörfer und befestigte Anlagen klar auszumachen.

Im Mai 1974 hatten Israel und Syrien ein Abkommen unterzeichnet, das die Stationierung von Truppen aus den zwei Ländern in der Region regelt. Bis heute wird diese Übereinkunft von beiden Seiten respektiert. Seit fast vier Jahrzehnten befinden sich die strategisch wichtigen Golanhöhen somit in einem Schwebezustand zwischen Krieg und Frieden.

Auf dem Hermon-Berg würde kaum jemand an den Krieg im nahen Syrien denken, wären die Erinnerungen an einen Grenzzwischenfall im Juni 2011 nicht noch frisch. Nahe der von Drusen bewohnten Stadt Maidal Schams waren etwa 20 palästinensische und syrische Demonstranten erschossen worden, als sie versuchten, in das israelisch kontrollierte Gebiet vorzudringen. Zudem schlugen im vergangenen November diesseits des Grenzzauns mehrere Mörsergranaten ein.

Dennoch fühlen sich die Wintersportler auf dem Berg Hermon wie in einer anderen Welt. "Es gibt hier keine Spannungen, alles ist so friedlich", meint Amit Rotem, ein Student aus Jerusalem. "Bevor irgendetwas passiert, geschieht erst einmal gar nichts."

Am 30. Januar erreichte der Konflikt allerdings einen neuen Höhepunkt, als die israelische Luftwaffe ein Gebiet nahe einem militärischen Forschungszentrum in der Nähe von Damaskus angriff. Angeblich galt die Attacke einem mit SA-17-Flugabwehrraketen bestückten Konvoi, der für die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon bestimmt gewesen sein soll.

In dem hochgesicherten Ski-Gebiet lassen sich die Gäste aber nicht den Spaß verderben. "Den Zwischenfall habe ich überhaupt nicht zur Kenntnis genommen", gesteht ein Skifahrer. "Ich hoffe, dass sich die Lage nicht weiter verschlechtert", sorgt sich derweil der Verwalter des Skigebiets, Schaul Ohana.


Grenzgebiet von Israel de facto annektiert

1981 verabschiedete Israel ein Gesetz, dem zufolge auf den Golanhöhen israelisches Recht gilt. Damit wurde das besetzte Gebiet de facto annektiert. Etwa zehn Prozent der dort lebenden syrischen Drusen haben seitdem die israelische Staatsbürgerschaft angenommen. Doch die internationale Staatengemeinschaft hat das Vorgehen Israels nie akzeptiert.

In den neunziger Jahren signalisierten zwei israelische Ministerpräsidenten - Jitzchak Rabin und Ehud Barak - ihre Bereitschaft, den Hermon-Berg und die Golanhöhen wieder an Syrien zurückzugeben. "Wenn man zurückblickt, ist allerdings der bloße Gedanke an einen Abzug aus diesem Gebiet bizarr", meint Ohana. "Es gibt nichts, was an Syrien zurückgegeben werden müsste. Und an wen sollten die Golanhöhen überhaupt gehen?"

Ein 2010 in Israel in Kraft getretenes Gesetz legt fest, dass die Vereinbarung einer Übergabe annektierter Gebiete - seien es die Golanhöhen mit dem Berg Hermon oder Ost-Jerusalem - in künftigen Friedensabkommen entweder durch eine große Mehrheit im Parlament oder im Rahmen einer Volksbefragung bestätigt werden müsste.

Und die Bevölkerung will davon offensichtlich nichts wissen. "Der Mount Hermon wird immer uns gehören", erklären die Skifahrer, die die Abhänge hinabbrausen. Den Gedanken, dass der Gebirgszug mit einem Naturschutzgebiet, 14 Skipisten und fünf Liften eines Tages doch an Syrien zurückgegeben werden könnte, schieben sie weit von sich. (Ende/IPS/ck/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/02/israelis-ski-on-thin-snow/

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IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2013