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TOURTIP/902: Parc National du Banc d'Arguin in Mauretanien (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2008

Wo arktische Vögel auf Wüste treffen:
Parc National du Banc d'Arguin in Mauretanien

Von Jochen Dierschke


Mehrere Millionen Watvögel, die in der Arktis brüten, verbringen den Winter in Afrika. Eines der bedeutendsten Gebiete für sie ist der "Parc National du Banc d'Arguin", ein Wattenmeer an der Küste Mauretaniens. Zusätzlich beherbergt der Nationalpark große Brutkolonien von Wasservögeln.


Der Nationalpark "Banc d'Ar-guin" ist ein einzigartiges Beispiel für das Aufeinandertreffen von Sahara und atlantischem Ozean: Er reicht bis zu 35 km in die Sahara und bis zu 60 km in den Ozean hinein. Der terrestrische Teil des Nationalparks besteht vor allem aus Sandwüste, nur im Süden finden sich Übergänge zur Akaziensavanne. Ausgedehnte Flachwasserbereiche, eine Vielzahl vorgelagerter Inseln, die nördlichsten ostatlantischen Mangrovenbestände und riesige, mit Seegras bewachsene Wattflächen charakterisieren diesen Küstenabschnitt Mauretaniens.

Die Brutvogelwelt des Nationalparks ist recht artenarm. Auffälligster Singvogel ist die Wüstenläuferlerche, die im gesamten Nationalpark ihren faszinierenden Gesang ertönen lässt. Einzelne Paare des Lannerfalken brüten an der Küste, ebenso gehören Haus- und Fahlsegler, Sand- und Weißstirnlerche sowie Wüstensperling und Braunrücken-Goldsperling zu den Brutvögeln.

Die meisten Brutvogelarten gehören jedoch zu den Fisch fressenden Wasservögeln, angelockt durch den Fischreichtum im Auftriebsgebiet des kalten Tiefenwassers vor der westafrikanischen Küste. Insgesamt 16 Wasservogelarten brüten regelmäßig an der Banc d'Arguin, darunter Weißbrustkormoran, Riedscharbe, Rosapelikan, drei Reiher- und sechs Seeschwalbenarten. Die häufigsten Brutvögel sind Rosaflamingo und Königsseeschwalbe. Zwei Arten, Graureiher und Löffler, haben an der Banc d'Arguin sogar endemische Unterarten.

Zu den Zugzeiten rasten in der spär-lichen Salzwiesenvegetation am Strand viele Singvögel (z. B. Fitis, Steinschmätzer) und suchen dort Schutz vor der Sonne. Im Winter halten sich sowohl hier als auch in der Wüste Wüstensteinschmätzer auf, Triele und Rennvögel können ganzjährig angetroffen werden. Vor allem die Triele rasten oft mitten in oder am Rande der kleinen Fischerdörfer und sind dort sehr zutraulich.


Reich gedeckter Tisch

Eine besondere Bedeutung hat der Nationalpark vor allem wegen der großen Zahl arktischer Watvögel, die hier den Winter verbringen. Insgesamt wird deren Zahl im Winter auf etwa zwei Millionen Individuen geschätzt, die häufigsten Arten sind Alpenstrandläufer, Pfuhlschnepfe, Knutt und Sichelstrandläufer. Für viele Arten oder Populationen ist die Banc d'Arguin der bedeutendste Überwinterungsplatz des ostatlantischen Zugweges, fast ein Drittel aller arktischen Watvögel, die diesen Zugweg nutzen, überwintert hier und ernährt sich von der großen Zahl der Wattorganismen. Daneben ist der Nationalpark für Säbelschnäbler sowie Sichel- und Zwergstrandläufer und vermutlich einige weitere Arten ein wichtiger Rastplatz auf dem Zug in weiter südlich gelegene Überwinterungsgebiete.

Sind die Wattflächen im Gezeitenwechsel von Wasser bedeckt, versammeln sich die Watvögel in riesigen Schwärmen an Hochwasser-Rastplätzen, die sich meist auf kleinen Sandnehrungen oder vorgelagerten Inseln befinden. Um sie dort zu beobachten, bietet sich eine Tour mit den traditionellen lokalen Segelbooten an (siehe Reisetipps). Sanderlinge, Sand- und Seeregenpfeifer rasten dagegen meist auf salzverkrusteten ufernahen Sandflächen, der Salzwüste (Sebkha).


Intensive Watvogelforschung

Obwohl der Vogelreichtum der Banc d'Arguin bereits im 16. Jahrhundert bekannt war, zeichnete sich die Bedeutung des Gebietes für überwinternde Watvögel erst in den späten 1960er Jahren ab. In den 1970er Jahren fanden daraufhin mehrere französische und britische Expeditionen statt. Erste großflächige Zählungen unterstrichen die Bedeutung für überwinternde Watvögel, 1976 wurde das Gebiet als Nationalpark ausgewiesen. Eine erste Gesamtzählung des Nationalparks brachte erstaunliche Zahlen überwinternder Watvögel zutage, die in weiteren Zählungen bis heute die Bedeutung des Gebietes bestätigten. Eine Zählung im Juni zeigte jedoch auch, dass viele Nichtbrüter (vor allem Jungvögel) im Nationalpark übersommern.

Ein Großteil der Zählungen, aber auch ornithologische Forschung wird seit 1979 unter niederländischer Federführung betrieben. So werden die Faktoren, die den Nationalpark so bedeutend machen, intensiv erforscht. Unterschiedliche Watvogelarten nutzen unterschiedliche Beute, je nach Körpergröße und Schnabelmorphologie. Steinwälzer und Kiebitzregenpfeifer ernähren sich z. T. von den Überresten der Winkerkrabben und Muscheln, die Austernfischer und Regenbrachvögel hinterlassen haben. Steinwälzer und Sanderlinge suchen sogar in den Siedlungen nach Nahrungsresten der Bewohner.

Anhand der Farbberingung von Knutts, Pfuhlschnepfen und Sanderlingen konnte gezeigt werden, dass viele der Vögel jedes Jahr in die Banc d'Arguin zurückkehren. Auch scheinen die Tiere dort einen vergleichsweise kleinen Aufenthaltsbereich zu besitzen: Knutts, die im Wattenmeer überwintern, müssen dagegen viel größere Gebiete abfliegen (ca. 800 km2, im Vergleich zu etwa 16 km2 an der Banc d'Arguin), um ihre Nahrung zu finden. Diesen kleineren Aufenthaltsbereich können sie sich u. a. deshalb leisten, weil ihre Nahrungsressourcen anscheinend sehr vorhersagbar sind. Das spart den tropischen Überwinterern viel Energie. Auch laufen sie nicht Gefahr, wegen Eis und Sturm hungern zu müssen. Durch die angenehmeren Temperaturen im winterlichen Mauretanien ist der Energieverbrauch, der zur Thermoregulation benötigt wird, deutlich niedriger. Der weitere Zugweg hat also ohne Frage Vorteile.

Ungeklärt ist jedoch noch, wie dort so viele Watvögel zusammen rasten und überwintern können. Im Schlick lebt zwar eine Vielzahl von Muscheln, Polychaeten und Krebstieren, die Dichten dieser Tiere liegen jedoch weit unter denen im Wattenmeer und reichen, Berechnungen zufolge, eigentlich nicht aus, alle Watvögel der Banc d'Arguin zu ernähren. Andere, bisher unbekannte Faktoren müssen daher eine große Rolle im Ökosystem Banc d'Arguin spielen. Fragen nach der Tragkapazität und der Produktion von Benthos-Organismen an der Banc d'Arguin sind daher zurzeit im Fokus der niederländischen Wissenschaftler.


Bedrohung durch Fischerei

Die erfolgreiche Überwinterung von einer so großen Zahl von Vögeln ist nur in einer weitgehend intakten Natur möglich, doch ist der Nationalpark und sein Vogelparadies bedroht, vor allem durch die Fischerei. Die Fischbestände außerhalb des Nationalparks wurden in der Vergangenheit stark überfischt. Im Nationalpark gibt es jedoch noch große Fischbestände, die von den im Nationalpark wohnenden Menschen unter strengen Auflagen befischt werden dürfen. Diese Auflagen umfassen z. B., dass nur nichtmotorisierte Boote und Netze mit festgelegter Maschenbreite benutzt werden dürfen. Durch die Überfischung der Gewässer außerhalb des Nationalparks hat jedoch die illegale Fischerei innerhalb stark zugenommen. Zwar werden die Gewässer durch die Behörden gut überwacht, aber es werden bei Weitem nicht alle illegalen Fischer entdeckt.

Eine weitere Bedrohung für den Nationalpark stellt die geplante Fischerei auf Venusmuscheln dar. Diese soll in unmittelbarer Nachbarschaft zur Banc d'Arguin erfolgen, es werden durch die Muschelfischerei ähnlich negative Auswirkungen befürchtet wie im niederländischen Wattenmeer, wo aus diesem Grunde die Herzmuschelfischerei verboten wurde.

Die Abgelegenheit und Größe des Nationalparks machen die Banc d'Arguin zu einem attraktiven Reiseziel für Naturbeobachter. Trotzdem sind bisher nur sehr wenige Touristen dort anzutreffen. Es bleibt zu hoffen, dass eine Steigerung des Tourismus sowohl finanziell dem Naturschutz zu Gute kommt als auch naturverträglich stattfindet.


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Tipps für Vogelbeobachter

Der Nationalpark Banc d'Arguin beginnt etwa 155 km nördlich der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott und hat eine Größe von etwa 12000 km2. Davon sind etwa 5700 km2 Landfläche, 500 km2 Watt und der Rest Flachwasserbereiche (bis 5 m Wassertiefe).

Anreise: Die Banc d'Arguin ist nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Die Anreise sowohl aus der Hauptstadt Nouakchott als auch von Norden aus Nouâdhibou kann nur mit Allradantrieb erfolgen. Am besten mietet man ein Auto mit Fahrer.

Unterkunft: Im Nationalpark gibt es mehrere Campingplätze, auf denen in fest installierten traditionellen Zelten übernachtet werden kann. Das Zelten außerhalb dieser ausgewiesenen Plätze ist aus Naturschutzgründen streng verboten und wird geahndet.

Eintritt: Die Gebühr (etwa 3,50 Euro pro Tag und Person) für den Besuch des Nationalparks ist entweder in den Nationalparkbüros in Nouâdhibou und Nouakchott oder direkt an den Nationalparkstationen am Parkeingang zu entrichten.

Beobachtungstipps: Eine gute Ausgangsbasis für Vogelbeobachtungen ist das Dorf Iwik (Iouik). In seiner Umgebung befinden sich sowohl zwei Campingplätze als auch mehrere Hochwasser-Rastplätze. Von Iwik aus starten auch die Segelboottouren zu den Inseln, die aus Naturschutzgründen zwar nicht betreten werden dürfen, auf denen sich jedoch vom Boot aus die ungeheuren Mengen an Wat- und Wasservögeln beobachten lassen - ein Muss für jeden Vogelbeobachter!


Literatur zum Thema:
Isenmann, P. (2006): The birds of the Banc d'Arguin.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2008
55. Jahrgang, September 2008, S. 348-352
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,60 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 47,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2008