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TOURTIP/953: Rhön-Tour - Ins Land der Vulkankuppen, Silberdisteln und Birkhühner (2) (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 153 - Dezember 2009 / Januar 2010
Die Berliner Umweltzeitung

RABE RALF UNTERWEGS
Auf Rhön-Tour!
Reise ins Land der Vulkankuppen, Silberdisteln und Birkhühner (Teil 2)

Von Christoph Vinz


Von Ostheim nach Fladungen

In Ostheim v.d.Rhön entdecke ich die größte und besterhaltenste Kirchenburg Deutschlands. Zwischen 1400 und 1450 erbaut, verfügt die trutzige Anlage über eine doppelte Ringmauer mit Zwinger und fünf Wehrtürmen. In ihrem Inneren ragt die Stadtkirche St. Michael aus dem frühen 17. Jahrhundert empor; außerdem gibt es Bastionen und Schutzbehausungen für die Bevölkerung im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen. Weiter finden sich im Areal Stallungen, Vorratsräume und über sechzig Keller, von denen ein Teil noch heute von den Einwohnern genutzt wird. Nach dieser einzigartigen Sehenswürdigkeit führt der Weg in die Altstadt, die noch auf einer Länge von 1,5 km über Reste von Stadtmauern und -toren verfügt. Im Hanstein'schen Schloss, einem Rittersitz aus dem 16. Jahrhundert, ist ein Orgelbaumuseum in den schönen Renaissanceräumen untergebracht. Die Ausstellung zeigt sehens- und hörenswerte Dokumente der 400jährigen Orgelbautradition von Ostheim. Ein besonderes Erlebnis für den Museumsbesucher ist sicher die nicht alltägliche Vorführung einer 150jährigen böhmischen Drehorgel.

Wer dann noch Zeit und Kraft hat, dem empfehle ich den Aufstieg zur Lichtenburg, die seit 800 Jahren über der Stadt wacht. Belohnt wird der Wanderer mit einem kühlen Getränk in der Burgwirtschaft. Wer hier einen Kartengruß an die Lieben daheim schreibt, kann ihn sogleich in einen Original-Sächsisch-Weimarischen Briefkasten werfen, der im Burghof seit langer Zeit angebracht ist.

Eine andere Rhönexkursion führt mich zur nördlichsten Stadt Bayerns, nach Fladungen. Auch hier erfreut den Gast eine romantische, historische Altstadt mit Stadtmauer, lauschigen Plätzen und einem murmelnden Bach.

Hauptattraktion ist hier für mich das Freiluftmuseum, ein Museumsdorf mit vielen, hierher versetzten Gebäuden des ländlichen Raums der Rhön, Frankens und des Spessart. Eingebettet in eine bezaubernde Landschaft, wird das Gebiet von einem Bach mit munteren Forellen durchflossen. Die beiden Wassermühlen sind voll funktionsfähig und werden zu bestimmten Anlässen noch genutzt. Alle Gebäude sind der Zeit entsprechend eingerichtet, und der überraschte Besucher findet sogar friedlich kauende Kühe im Stall oder gurrende Vögel in einem historischen Taubenturm. Das alte Brauhaus wird zu bestimmten Anlässen seiner Bestimmung entsprechend aktiviert, sehr zur Freude der Besucher. Im Dorfschulhaus, das aus dem Spessart stammt, wurden einst bis zu 70 Kinder in einem Raum unterrichtet, und in der Dorfkirche von 1802 wird auch heute noch geheiratet.

Wie schön, dass nach der fast zweistündigen Besichtigung von bäuerlichen Stuben, Küchen und Ställen am Museumseingang das historische Wirtshaus "Zum Schwarzen Adler" (1606) den Hunger und Durst des Besuchers auf das Angenehmste zu stillen versteht.


Sweet and hot in Ostheim

Zwischen Fladungen und Ostheim verkehrt das museumseigene "Rhön-Zügle". Sonn- und feiertags sowie an Aktionstagen des Museums fährt es in beschaulichem Tempo, gezogen von Diesel- oder Dampfloks. An einem Sonntag kamen mit diesem Zug Freunde des Jazz-Frühschoppens aus Fladungen und Northeim in ein Ostheimer Cafe. Der Zuspruch war so groß, dass das musikinteressierte Publikum weit über die eigentlichen Grenzen des Lokals hinaus bis dicht an den Bahndamm an langen Tischen und Bänken Platz nehmen musste. So konnten die mit dem Zug Ankommenden schon aus dem Fenster sehen, dass es neben deftigen Speisen kühles Bier in Halbliter-Krügen gab. Die Nachfrage des Publikums war trotz hochsommerlichen Temperaturen enorm. Zusammen mit den Klängen von Swing und Dixieland geriet dieser Frühschoppen in Ostheim vor der Rhön zu einer unvergeßlichen Mischung.

Es lohnt sich also, mal in weniger bekannte Gebiete der Heimat zu reisen, wie mein Besuch in der Rhön zeigte. Denn hier warten noch viele Überraschungen auf all' die Neugierigen, die sich gern einmal außerhalb der wohlbekannten Reiserouten bewegen möchten.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Ostheimer Wehrtürme
- Öl durch Wasserkraft (Fotos: Christoph Vinz)
- Pfui Deibel, wat hamse denn mit der Milch jemacht?! Die schmeckt ja nach Kuh! (Karrikatur: Freimut Woessner)

Teil 1 des Artikels finden Sie im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de -> Infopool -> Unterhaltung -> Reisen
TOURTIP/943: Rhön-Tour - Ins Land der Vulkankuppen, Silberdisteln und Birkhühner (2) (DER RABE RALF)


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 153, Dez. 2009 / Jan. 2010, S. 13
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.grueneliga-berlin.de/raberalf

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2010