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TOURTIP/956: Der Jadebusen in Niedersachsen - ein Wasservogelparadies (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 4/2010

Der Jadebusen in Niedersachsen
- Wasservogelparadies vor den Toren Wilhelmshavens

Von Felix Weiß, Christopher König, Christoph Moning und Christian Wagner


Westlich der Weser liegt der Jadebusen, eine Bucht, die weit in die friesische Küste hineinreicht. Aus der Luft erinnert seine Form an einen Apfel. Das Meerwasser fließt über den Jadestrom durch die Enge zwischen Wilhelmshaven und Eckwarderhörne bei jeder Flut in die Bucht und bedeckt die Watten, um sie bei der nächsten Ebbe wieder freizugeben. Der stete Strom führt Nährstoffe herbei, welche die Basis für eine hoch produktive Lebensgemeinschaft bilden. Der Tisch ist für Vögel reich gedeckt. Der Wert des Gebiets wurde früh erkannt, sodass der Jadebusen mit seinen Prielen, Wattflächen und Salzwiesen im Jahr 1986 Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer wurde, der seit dem Jahr 2009 zudem den Titel UNESCO Weltnaturerbe trägt. Der Großteil des Jadebusens gehört dabei zur Zone I, der sogenannten Ruhezone und höchsten Schutzkategorie innerhalb des Nationalparks. Im Nordwesten des Jadebusens liegt das maritime Wilhelmshaven mit etwa 80000 Einwohnern und einem bedeutenden Hafen.



Landschaftsgeschichte und Lebensräume

Entstanden ist der Jadebusen im Mittelalter durch schwere Sturmfluten, die in die ehemalige Moorlandschaft einbrachen, den Boden wegspülten und die Landschaft dauerhaft veränderten. Der Name Jade leitet sich von Riade ab, was Riss oder Sumpfniederung, die von einem Bach durchflossen wird, bedeutet. Von der ehemaligen Moorlandschaft zeugt noch heute ein kleines Hochmoor in den Salzwiesen bei Sehestedt. Bei Sturmfluten schwimmt der Torfboden auf dem Meerwasser, was diesem einzigartigen Naturdenkmal den Beinamen "Schwimmendes Moor" einbrachte. Die Bewohner der Küste begannen im 16. Jahrhundert die überschwemmten Gebiete durch den Bau von Deichen wieder in Land umzuwandeln. Die Form der Küste war damit einem ständigen Wandel unterworfen und seine heutige Form erreichte der Jadebusen erst Ende des 19. Jahrhunderts. Neben dem kleinen Fluss Jade, der im Süden am Wapelersiel in die Bucht mündet, enden noch einige weitere kleine Flüsse und Kanäle am Jadebusen. Sie schaffen durch die Vermischung von Süß- und Salzwasser Lebensräume mit einer eigenen charakteristischen Vogelwelt. Die Salzwiesen, auch Außengroden genannt, sind am Ufer des Jadebusens sehr ausgeprägt und erreichen bei Wapelersiel eine Breite von etwa einem Kilometer. Für die Verstärkung der Deiche am Jadebusen wurde an vielen Stellen schwerer Marschboden, der sogenannte Klei, aus den Salzwiesen und aus dem Grünland hinter den Deichen entnommen. Zurück blieben meist rechteckige, flache Gewässer, die Pütten. Sie prägen vielerorts das Landschaftsbild und werden von Limikolen, Möwen, Seeschwalben und Entenvögeln besonders bei Hochwasser als Rastplätze genutzt.



Besondere Vogelarten und Reisezeit

In den weiten Salzwiesen des Jadebusens sind Rotschenkel die prägenden Brutvögel. Zur Hauptbrutzeit von April bis Juni begleiten ihre Rufe den Vogelbeobachter auf Schritt und Tritt. Austernfischer, Kiebitze, und Wiesenpieper sind weitere häufige Brutvögel im Vorland. Lachmöwen, Säbelschnäbler und Flussseeschwalben, bilden an einigen Stellen kleine Kolonien in den Salzwiesen. Letztere brüten auch in einer großen Kolonie in Wilhelmshaven. Die zahlreichen Brutvögel locken Greifvögel wie Rohr- und Wiesenweihen an, die vielerorts bei der Jagd beobachtet werden können. Die Brutbestände von Wiesenvögeln in den Marschen hinter dem Deich haben stark abgenommen, dennoch sind Kiebitze hier noch verbreitet und auch Uferschnepfen kommen noch vereinzelt vor. An mit Schilf bestandenen Gräben singen häufig Schilfrohrsänger und mit etwas Geduld lassen sich im gleichen Lebensraum auch Blaukehlchen beobachten. Im Spätsommer ist der Jadebusen mit seinen schlickigen Wattflächen der wichtigste Mauser- und Rastplatz für Säbelschnäbler in Deutschland. Häufige Rastvögel zu den Zugzeiten im April und Mai sowie von Juli bis September sind Dunkle Wasserläufer, Rotschenkel, Grünschenkel und Alpenstrandläufer. Etwas zeitiger im Frühjahr, besonders im März, und im Spätherbst von Oktober bis November rasten Spieß-, Krick- und Stockenten in großer Zahl. Löffler brüten auf der benachbarten Vogelinsel Mellum und sind im Sommer regelmäßig zu Besuch am Jadebusen. Im Winter sind Blässgänse, Weißwangengänse und Pfeifenten häufige Gäste. Greifvögel sind mit Mäusebussarden, Kornweihen und Wanderfalken sowie gelegentlich Raufußbussarden vertreten. In den Salzwiesen suchen vereinzelt Trupps von Berghänflingen nach Nahrung. In kleinerer Zahl kommen auch Schneeammern und Ohrenlerchen vor.



Beobachtungsmöglichkeiten

Der Banter See liegt im Stadtgebiet von Wilhelmshaven. Vom Bahnhof Wilhelmshaven geht man nach Süden über den Valoisplatz, überquert Rhein- und Weserstraße und folgt der Jadestraße, die zum Ostende des Sees führt, wo ein kleiner Parkplatz liegt. Autofahrer folgen in Wilhelmshaven der Ausschilderung zur Maritimen Meile. Der Banter See beherbergt eine unter Ornithologen international bekannte Kolonie Flussseeschwalben. Das Brutgeschehen spielt sich auf künstlichen Brutinseln ab und wird seit vielen Jahren intensiv von den Mitarbeitern des Instituts für Vogelforschung untersucht. Ein Weg am Nordrand des Banter Sees führt den Besucher zu den Brutflößen der Kolonie. Im Winter friert der Banter See nur selten zu. Schellenten, Haubentaucher, Zwergtaucher, Reiherenten, Kormorane, Stockenten und Blässhühner überwintern in größerer Zahl und lassen sich gut beobachten. Gelegentlich werden Stern- und Prachttaucher, Trauer-, Samt- und Eisenten entdeckt. Die Wattflächen bei Dangast nutzen im Spätsommer beeindruckende Säbelschnäbleransammlungen und die angrenzenden Salzwiesen werden zur Brutzeit von zahlreichen Rotschenkeln besiedelt. Mit dem Auto erreicht man Dangast von der A 29 Abfahrt "Varel-Bockhorn" über die B 437 in Richtung Varel, die man gleich wieder Richtung Dangast verlässt. In Dangast biegt man an der Ampel nach links ab in die "Sielstraße", die zu einem Parkplatz am Dangaster Hafen führt. Vom Deich westlich des Hafens hat man einen hervorragenden Blick auf die Wattflächen, auf denen besonders bei auflaufendem Wasser tausende Limikolen zu beobachten sind. Binnendeichs liegt 500 m westlich vom Hafen eine Pütte. Wenn sie nicht ausgetrocknet ist, dient sie hunderten Alpenstrandläufern, Rotschenkeln und Dunklen Wasserläufern als Hochwasserrastplatz. Regelmäßig legen dann auch Zwergstrandläufer, Temminckstrandläufer und Sichelstrandläufer Rast an dem Gewässer ein. Im Spätsommer ist die Artenvielfalt am größten. Im breiten Vorland zwischen Dangast und Wilhelmshaven lässt sich im Frühjahr die Brutvogelwelt der Salzwiesen beobachten. Am Wapelersiel, der Südspitze des Jadebusens, mündet die Jade ins Watt. In der Marsch überwintern Blässgänse und Weißwangengänse in großer Zahl. Von Varel fährt man auf der B 437 Richtung Diekmannshausen. Direkt bevor die Bundesstraße die Jade überquert, nimmt man links den Abzweig zum Wapelersiel, wo man parken kann. Gänse lassen sich vom Deich aus mit dem Spektiv beobachten. An der Jade sind im Winter Pfeifenten häufig. Zur Brutzeit leben Rohrweihen, Schilfrohrsänger und Blaukehlchen im Schilf. Ein weiterer interessanter Beobachtungspunkt liegt am Strandbad Sehestedt. Vom Wapelersiel fährt man auf der B 437 weiter Richtung Diekmannshausen und biegt im Ort links in Richtung Sehestedt ab. Nach 7 km weist ein Schild nach links zum Strandbad Sehestedt, Parkmöglichkeiten bestehen jedoch nur binnendeichs. Außendeichs befindet sich das Schwimmende Moor, der Rest eines ehemals ausgedehnten Hochmoores mitten in der Salzwiese, dass von einem Rundweg begrenzt wird. Die besten Beobachtungsmöglichkeiten bieten sich von einer Beobachtungshütte am Südostrand des Gebietes, das durch einen kurzen Bohlenweg durch diesen einzigartigen Lebensraum zugänglich ist. Eine kleine Lachmöwenkolonie ist von dort einsehbar, zusätzlich sind regelmäßig Säbelschnäbler, Löffelenten, Uferschnepfen und verschiedene Wasserläuferarten zu sehen. Die Wattflächen zwischen dem Moor und dem etwa 2,5 km südlich gelegenen Schweiburgersiel werden von der Flut erst spät erreicht und werden daher kurz vor Hochwasser von zahlreichen Limikolen und Brandgänsen aufgesucht. Im Mai und von August bis Oktober findet sich hier einer der größten Hochwasserrastplätze im Jadebusen, an dem Tausende Alpenstrandläufer, Austernfischer, Große Brachvögel und Sandregenpfeifer sowie Hunderte Brandgänse, Kiebitzregenpfeifer, Knutts, Sichelstrandläufer und Pfuhlschnepfen rasten. Auf den Buhnen sind im Spätsommer auch stets einige Regenbrachvögel zu sehen. Die meisten Vögel rasten, wenn das Hochwasser überdurchschnittlich aufläuft. Die Vögel halten sich dann auf den Steinbuhnen oder direkt am Deichfuß auf, sodass sie aus geringer Entfernung beobachtet werden können. Aufgrund der geringen Entfernung zu den großen Vogelschwärmen ist beim Beobachten jedoch mit großer Vorsicht vorzugehen, um Störungen zu vermeiden.

Der Nordosten des Jadebusens bildet den Abschluss der Beobachtungstour. Vom Strandbad Sehestedt fährt man auf der K 179 10,5 km nach Norden bis links der "Beckmannsfelder Weg" abzweigt. In Beckmannsfeld kann man am Deich parken. In einer außendeichs gelegenen Pütte rasten bei Hochwasser vor allem Dunkle Wasserläufer und Rotschenkel, in den südlich angrenzenden Salzwiesen befindet sich eine Kolonie von Lachmöwen, Säbelschnäblern und Flussseeschwalben, zu den Zugzeiten rasten dort auch verschiedene Limikolen-Arten und Ringelgänse. Ein Spaziergang auf dem Deich bis Hayenschloot, das etwa 2,5 km westlich von Beckmannsfeld liegt, führt binnendeichs an einem Wiesenbrütergebiet vorbei, in dem noch Kiebitze und Uferschnepfen brüten. Westlich schließt ebenfalls binnendeichs eine Pütte an, in der sich bei Hochwasser verschiedene Enten- und Limikolen-Arten beobachten lassen. Von Juli bis September ist sie ein verlässlicher Platz, um Löffler zu sehen. Diese halten sich entweder auf einer Insel in der Pütte auf, oft aber auch auf den Buhnen außendeichs.



Weitere Beobachtungs- und Freizeitmöglichkeiten

Ein Besuch im Wattenmeerhaus an der Maritimen Meile in Wilhelmshaven ist jedem Naturinteressierten sehr zu empfehlen. Zahlreiche Führungen werden zu den verschiedensten Themen angeboten. Eine Ausstellung präsentiert unter anderem Vogelpräparate aus der Hand von Heinrich Gätke, dem Pionier der helgoländer Zugvogelforschung. Von der Dachterasse des Gebäudes hat man einen schönen Blick über die weiten Wattflächen des Jadebusens. Nebenan am Deich halten sich im Winter etliche Steinwälzer auf. Die Vögel lassen sich von den zahlreichen Spaziergängern nicht stören und sind aus nächster Nähe bei der Nahrungssuche zu beobachten. Etwas östlich des Wattenmeerhauses, ebenfalls an der Maritimen Meile, liegt das Aquarium Wilhelmshaven, ein großes Schauaquarium. Im Sommer fährt ab Wilhelmshaven eine Fähre nach Helgoland.


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Anfahrt

Mit Bahn und Bus
Mit der Bahn besteht guter Anschluss an die Orte Varel, Sande und Wilhelmshaven. Zwischen Wilhelmshaven und Eckwarderhörne verkehrt im Sommer eine Fähre für Fußgänger und Fahrradfahrer. Dies eröffnet die Möglichkeit einer Umrundung des Jadebusens mit dem Fahrrad (etwa 55 km). Das östliche Ufer des Jadebusens erschließt sich mit dem Bus von Oldenburg über den Ort Jade bis Strandbad Sehestedt.

Mit dem Auto
Die A 29 führt von Oldenburg westlich des Jadebusens über Varel nach Wilhelmshaven. Von Osten erreicht man den Jadebusen auch durch den Wesertunnel zwischen Bremen und Bremervörde.



Adressen

Nationalparkzentrum Wilhelmshaven "Das Wattenmeerhaus"
Südstrand 110b, 26382 Wilhelmshaven, Tel.: 04421/910733,
E-Mail: info@wattenmeerhaus.de, www.wattenmeerhaus.de
Öffnungszeiten der Ausstellung:
1. April bis 13. Oktober: täglich 10-18 Uhr
1. November bis 31. März: Dienstag-Sonntag 10-17 Uhr.

Nationalpark-Haus Dangast
Zum Jadebusen 179, 26316 Varel, Tel.: 04451/7058, E-Mail: nph-dangast@web.de
Öffnungszeiten der Ausstellung:
1. April bis 31. Oktober: Dienstag-Freitag 10-12 und 14-18 Uhr
Samstag, Sonntag und Feiertags: 14-18 Uhr
1. November bis 31. März: nur für Gruppen nach Vereinbarung.

Nationalpark-Erlebnisstation Sehestedt
Strandbad Sehestedt, 26349 Jade, Tel.: 04455/1458
Fähre Wilhelmshaven-Eckwarderhörne:
Reederei Warrings, Neue Straße 9, 26409 Wittmund/Carolinensiel,
Tel.: 04464/94950, E-Mail: info@reederei-warrings.de,
Fahrplan 2010:
im Mai Samstags und Sonntags; vom 1. Juni bis 31. August täglich;
im September Freitags bis Sonntags jeweils um 9 und 17 Uhr ab Wilhelmshaven
und um 9.40 und 17.40 Uhr ab Eckwarderhörne; Fahrtzeit etwa 40 Minuten.




Infomaterial/Literatur:

Moning, C. & F. Weiß (2007):
Vögel beobachten in Norddeutschland,
Die besten Beobachtungsgebiete zwischen Sylt und Niederrhein.
Kosmos, Stuttgart.

Dierschke, J., R. Lottmann & P. Potel (2008):
Vögel beobachten im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.
Heinrichshofen-Bücher, Wilhelmshaven.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 4/2010
57. Jahrgang, April 2010, S. 132-135
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2010