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TOURTIP/975: Großes Torfmoor in Nordrhein-Westfalen (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2011

Großes Torfmoor in Nordrhein-Westfalen - ein bedeutender Hochmoor-Regenerationskomplex

Von Christopher König, Christoph Moning, Christian Wagner und Felix Weiß


Zwischen Wiehengebirge und Mittellandkanal liegt in den Gemeinden Lübbecke und Hille im nordöstlichen Nordrhein-Westfalen das rund 550 Hektar große Naturschutzgebiet Großes Torfmoor. Es zeichnet sich durch eine reiche Auswahl seltener, teilweise vom Aussterben bedrohter, hochmoortypischer Tier- und Pflanzenarten auf großer Fläche aus. Das Große Torfmoor ist Teil des Schutzgebietssystems Natura 2000. Die Lage am Rande der Diepholzer Moorniederung und in der Nähe der Weseraue verdeutlicht die Bedeutung im Biotopverbund.


Landschaftsgeschichte und Lebensräume

Erdgeschichtlich entstand das Große Torfmoor aus der Verlandung eines von der eiszeitlichen Weser gebildeten Sees vor circa 11000 Jahren. Über ein Nieder- und Zwischenmoor entwickelte sich in gemäßigtem Klima mit hohen Niederschlägen ein riesiges bis zu 6000 Hektar großes nährstoffarmes Hochmoor. Mit Beginn der Besiedlung versuchten die Menschen, das Moor für sich nutzbar zu machen und stachen den Torf als Brennstoff. Die Abtorfung erfolgte lange Zeit im bäuerlichen Handtorfstichverfahren. In den frühen 1830er-Jahren wurden dann erstmals einfache Entwässerungsgräben und befahrbare Dämme zur Torfabfuhr angelegt. Dennoch blieb das Moor in einem ursprünglichen Zustand mit großen Moorseen erhalten. Erst als 1918 damit begonnen wurde, das Moorwasser durch Stichgräben in die Flöthe abzuleiten, kam es zu maßgeblichen Veränderungen. Diese Entwässerung wurde bis in die 1960er-Jahre weiter verstärkt, sodass neben der Flöthe auch die Bastau mit schweren Maschinen zur Wasserableitung ausgebaut wurde. Durch den sinkenden Grundwasserspiegel konnten sich die wichtigen Torfmoose nur noch in wenigen Bereichen halten und es kam zu einer Degeneration des Moorkörpers. Insbesondere höher gelegene Bereiche trockneten stark aus und es breiteten sich Pfeifengras- und Birkenbestände aus. 1969 gab es sogar konkrete Pläne, im Großen Torfmoor Klärschlamm zu deponieren und die Flächen nach Abtrocknung forstwirtschaftlich zu nutzen. Dieses Vorhaben konnte jedoch durch die damalige Vogelschutzwarte in NRW, zahlreiche Ornithologen sowie die breite Unterstützung der lokalen Bevölkerung verhindert werden. Nach dem Ankauf umfangreicher Hochmoorflächen und Feuchtwiesen durch einen privaten Investor in den 1970er-Jahren und dem späteren Erwerb dieser Flächen durch das Land Nordrhein-Westfalen wurden erste umfangreiche Wiedervernässungs- und Pflegemaßnahmen eingeleitet. Es entstanden durch den Bau von Bohlenstauen wieder größere Gewässer. Durch regelmäßige Enfernung des Birkenaufwuchses wurden die Hochmoorflächen offen gehalten. Aufgrund dieser und vor allem der seit 2003 im Rahmen eines EU-LIFE-Natur-Projektes durchgeführten Regenerationsmaßnahmen konnte die über Jahrhunderte zwar massiv gestörte, aber dennoch in weiten Bereichen erhaltene Flora und Fauna bis heute bestehen.

Das Landschaftsbild wird vor allem durch die gehölzfreie Kernzone geprägt. Hier gibt es heute wieder ausgedehnte, verzweigte Moorblänken, die verschiedenen Entenarten als Brut- und Rasthabitat dienen. Im zentralen Hochmoorbereich finden sich jedoch auch ausgedehnte Feuchtheiden und Birken-Moorwälder, die den gestörten Wasserhaushalt anzeigen. In den Randbereichen dominieren Feucht- und Nassgrünländer.


Besondere Vogelarten und Reisezeit

Innerhalb einer Tagesexkursion lässt sich das komplette Moor erkunden. Ein Besuch lohnt vor allem im Sommerhalbjahr, allerdings bieten auch die Wintermonate besondere Beobachtungen. Bis in den März hinein streifen Kornweihen über die noch winterliche Moorlandschaft und an den Gräben und Gewässern lassen sich einzelne Silberreiher entdecken. Zahlreiche Brutvögel wie Fitisse und Braunkehlchen kehren aus ihren Winterquartieren zurück. Insgesamt 73 Vogelarten brüten im Großen Torfmoor, von denen 28 auf der Roten Liste der gefährdeten Vogelarten stehen. An den großen Freiwasserflächen versammeln sich zu dieser Zeit große Trupps rastender Kiebitze. In der Deckung der Ufervegetation versteckt stochern Bekassinen im weichen Bodensubstrat nach Nahrung. Diese bedrohte Art gehört zu den typischen Moor- und Feuchtwiesenvögeln. Ihr Bestand im Großen Torfmoor ist ebenso bedeutend wie der von Krickente und Wasserralle. Der Brutbestand letzterer Art ist einer der größten in ganz Nordrhein-Westfalen. Zu den regelmäßig im Moor auftretenden Limikolen zählen auch Große Brachvögel. Nachdem der Brutbestand 1966 erloschen war, ertönt der markante Flötenruf der Art in den letzten Jahren wieder häufiger im Zentralmoor, sodass auf eine Wiederbesiedlung des alten Lebensraumes gehofft werden kann.

Im Bereich der Freiwasserflächen hat sich seit dem Jahr 2000 eine 10-30 Brutpaare umfassende Lachmöwenkolonie etabliert. Einige Jahre später kam es in deren Umgebung zur Bildung einer kleinen Kolonie von Zwergtauchern, der sich unregelmäßig auch die seltenen Schwarzhalstaucher mit einzelnen Paaren anschließen. Graugänse sowie Schnatter-, Knäk- und Löffelenten brüten mit schwankenden Beständen in den wiedervernässten Flächen im Moor. Zu den regelmäßig im Großen Torfmoor brütenden Vogelarten zählen auch Wespenbussarde und Baumfalken. Letztere lassen sich von den Beobachtungstürmen sehr schön bei ihrer spektakulären Luftjagd auf Libellen über dem zentralen Kernbereich des Moores beobachten. Nicht brütend, sondern regelmäßige Nahrungsgäste sind Rohrweihen. Herausragend ist das Vorkommen der Kraniche. Erste Sommerbeobachtungen gelangen in den 1990er-Jahren. 2008 wurde dann die erste Kranichbrut Nordrhein-Westfalens dokumentiert, bei der ein Jungvogel ausflog. 2009 und 2010 kam es erneut zu Bruten im Großen Torfmoor, die jedoch leider keinen Erfolg hatten. Aufgrund der Ausdehnung der geeignet erscheinenden Flächen könnten sich auf Dauer möglicherweise trotzdem mehrere Kranichpaare im Gebiet ansiedeln. Der teilweise undurchdringliche Randgürtel ist außerdem Lebensraum von Pirolen und Nachtigallen. In hoher Brutdichte besiedeln Wiesenpieper und Wiesenschafstelzen die offenen Hochmoorflächen. Schwarzkehlchen lassen sich, nachdem der Bestand zwischen 1961 und 1997 erloschen war, wieder regelmäßig beobachten. Starken Schwankungen ist auch die Brutpaarzahl der Neuntöter im Großen Torfmoor unterlegen. Relativ häufig lassen sich Kuckucke und Feldschwirle beobachten oder zumindest hören.


Beobachtungsmöglichkeiten

Man verlässt die B65 zwischen Lübbecke und Minden im Ortsteil Lübbecke-Gehlenbeck und biegt an einer Ampelkreuzung nach Norden in Richtung Isenstedt ab. Hier hält man sich sofort rechts, folgt der L771 für 3,4 km und biegt dann direkt vor der Mittellandkanal-Brücke nach rechts in die "Moorbadstraße" ein. Dieser folgt man parallel am Kanal entlang. Bereits nach etwa 900 m erreicht man einen ersten Wanderparkplatz, es ist jedoch empfehlenswert, der Straße noch weiter zu folgen. Man passiert nach weiteren 1,3 km eine kleine Kreuzung und fährt hier weiter geradeaus am Kanal entlang und nicht über die Brücke. 200 m weiter befindet sich hinter einer Rechtskurve ein weiterer Wanderparkplatz, auf dem man sein Auto abstellen kann. Dieser Parkplatz im nördlichen Randbereich ist ein idealer Ausgangspunkt sowohl für Besucher, die nur einen kleinen Abstecher ans Große Torfmoor machen, als auch für Beobachter, die eine längere Wanderung um das gesamte Moor planen.

Vom Parkplatz aus folgt man im Uhrzeigersinn dem rot gekennzeichneten 7,5 km langen Rundwanderweg, auf dem man die interessantesten Stellen des Großen Torfmoores passiert und dabei einen guten Eindruck der verschiedenen Habitate rund um den zentralen Hochmoorkörper bekommt. Bereits etwa 500 m nach dem Parkplatz erreicht man, nachdem man einen kleinen Holzsteg passiert hat, den ersten Beobachtungsturm am Großen Moorsee. Dieser ist ideal geeignet, um sich einen Überblick über die weite Moorlandschaft zu verschaffen. Vom Turm lassen sich bei schönem Wetter kreisende Greifvögel beobachten und er bietet außerdem den besten Blick auf die großen Wasserflächen mitsamt der leider recht weit entfernten Lachmöwenkolonie. Weitaus besser lassen sich von dieser Stelle Graugänse, die zahlreichen Enten sowie rastende Kiebitze beobachten. Vom Beobachtungsturm geht man weiter durch die offene Moorlandschaft und vorbei an zahlreichen kleinen und größeren Gewässern. Nach 1,2 km und nachdem man eine Schutzhütte passiert und einen abgestorbenen Pappelwald durchquert hat, verändert die Landschaft plötzlich ihr Bild. Man hat den Rand des Moores erreicht und geht nun knapp 1 km durch extensiv genutzte Wiesen bis zum nächsten Beobachtungsturm. Dieser ist auch mit dem Auto erreichbar, indem man von der B65 am westlichen Rand des Ortsteils Lübbecke-Nettelstedt in den "Moorweg" abbiegt und diesem bis zum Ende folgt. Vom Turm geht es auf befestigtem Weg weiter zum Moorschutzhof. Auf der vom NABU Minden-Lübbecke betriebenen Anlage informieren verschiedene Lehrtafeln über Flora und Fauna. Außerdem befindet sich auf dem Gelände eine Schäferei, an deren Schafstall im Jahr 2010 erstmals ein Weißstorch-Paar auf einem Pfahlnest gebrütet hat. Der Rundwanderweg verläuft nun weiter durch Wiesen und vorbei an Kopfweiden, bis man nach rund 1,3 km wieder in den Kernbereich des Großen Torfmoores eindringt. Ein Bohlenweg führt nun an kleinen Moorgewässern vorbei bis zu einem Auwald und dem dritten Beobachtungsturm am Westrand. Unterwegs bestehen gute Chancen, den wohltönenden Gesang der Nachtigall zu hören. Von diesem Aussichtsturm kann man in den Sommermonaten mit etwas Glück Schwarzkehlchen und Neuntötern bei der Aufzucht ihrer Jungen zusehen. Dieser Ort ist außerdem die beste Stelle, um nach den Kranichen Ausschau zu halten. Da sich in unmittelbarer Nähe des Turmes ein Parkplatz befindet, besteht hier die Möglichkeit, auch ohne längere Wanderung einen Blick auf das faszinierende Hochmoor zu werfen. Man erreicht den Parkplatz, indem man auf etwa halber Strecke zwischen Abzweig B65 in Gehlenbeck und dem Mittellandkanal von der L771 nach rechts in den "Moorwiesenweg" einbiegt und diesem bis zum Ende folgt. Rund 700 m nördlich des Beobachtungsturms in der Nähe des Gehlenbecker Freibades soll bis 2013 das Erlebniszentrum Moorhus mit einer gut 160 großen Ausstellung entstehen. Der Rundwanderweg führt den Beobachter dann weiter durch einen Weiden- und Birkenbestand, bis man schließlich wieder das offene Zentralmoor erreicht. In diesem Bereich bestehen noch einmal gute Beobachtungsmöglichkeiten der verschiedenen im Großen Torfmoor vorkommenden Singvogelarten, bevor man in einen Birkenbruch gelangt und so wieder den Ausgangspunkt erreicht hat.

Wem 7,5 km Rundwanderweg zu lang sind, der hat auch die Möglichkeit kürzere, nur etwa 2 km lange und durch unterschiedliche Farben gekennzeichnete Rundwege zu gehen.


Weitere Freizeitmöglichkeiten

Mit der "Storchenroute" liegt einer der attraktivsten Radwanderwege Norddeutschlands nur rund 35 km vom Großen Torfmoor entfernt an der Weser bei Petershagen. Die etwa 50lange Strecke führt durch typische Weserdörfer von Horst zu Horst der Weißstörche, die in diesem Bereich mittlerweile wieder in einer für Nordrhein-Westfalen einmaligen Dichte brüten. Es erwarten den Besucher unterwegs zahlreiche Wind- und Wassermühlen sowie verschiedene Museen. Da die Storchenroute durch mehrere große Natur- und Vogelschutzgebiete führt, ist sie insbesondere für Vogelbeobachter hochinteressant. Nur der Weißstörche wegen muss man den Weg an die Weser jedoch nicht auf sich nehmen. Auch in direkter Nähe zum Großen Torfmoor gibt es mehrere seit Jahren besetzte Horste zu denen das Aktionskomitee "Rettet die Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke" e. V. auf seiner Homepage zahlreiche detaillierte Informationen bereitstellt.


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Anfahrt

Mit Bahn und Bus:
Die nächsten Bahnhöfe liegen in Lübbecke und Espelkamp. Von hier kann man jeweils mit der Buslinie 630 bis zum ZOB Lübbecke fahren. Dort nimmt man die Buslinie 581 bis zur Haltestelle "Lk-Gehlenbeck, Freibad". Die Haltestelle befindet sich am Westrand des Moores, von wo aus man einfach der Beschilderung bis zu einem der Wanderparkplätze folgt. Mit dem Fahrrad erreicht man das Große Torfmoor vom Bahnhof Lübbecke nach rund 6

Mit dem Auto:
Man verlässt die A2 an der Ausfahrt 29 "Herford/Bad Salzuflen", folgt der B239 bis nach Lübbecke und biegt dort rechts auf die B65 in Richtung Minden ab, auf der man nach 1,5den Ortsteil Lübbecke-Gehlenbeck erreicht.



Adressen

NABU-Kreisverband Minden-Lübbecke e.V., Erichstr. 4, 32423 Minden
Tel.: 0571/35325, E-Mail: info@nabu-minden-luebbecke.de, www.nabu-minden-luebbecke.de

Aktionskomitee "Rettet die Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke" e.V., Portastr. 13, 32423 Minden
Tel.: 0571/8072427, E-Mail: aktionskomitee@minden-luebbecke.de, www.stoerche-minden-luebbecke.de



Infomaterial/Literatur

Bulk, E-G 2007: Das Große Torfmoor im Wandel der Zeiten. Uhle & Kleimann, Lübbecke
www.life-torfmoor.de


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2011
58. Jahrgang, März 2011, S. 85-88
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2011