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BERICHT/001: Existenz in Kaffee und Kultur (SB)


Neues Kulturcafé "Komm du" am 1. Dezember 2012 in Hamburg-Harburg eröffnet

Firmenschild 'Kulturcafé Komm du' bei Nacht - Foto: © 2012 by Schattenblick

Am Anfang steht eine Geschichte - vom Unvermögen der Menschen, in einer hochtechnisierten, sozial atomisierten und medial beherrschten Welt zueinander zu finden, von Mißtrauen und Angst und von dem trotzdem nicht erlöschen wollenden Wunsch, all das zu überwinden und nicht mehr allein zu sein. Geschrieben bereits im Jahr 1975, als es das World Wide Web noch nicht gab und niemand Worte wie Facebook und Myspace kannte. Social Fiction damals, heute Realität.

Am Ende - und das ist gleichzeitig ein neuer Anfang - steht ein Kulturcafé, das den Namen eben dieser Geschichte trägt und damit deutlich macht, daß hier, wie es die Betreiberin Britta Barthel, die das "Komm du" am 1. Dezember in Hamburg-Harburg zusammen mit ihrem Freund und Partner Mansen Chu eröffnete, formuliert, "ein Ort entstehen soll, an dem der Besucher als Gast willkommen und gleichermaßen zu Hause ist."

Foto: © 2012 by Schattenblick

Freuen sich über Glückwünsche zur Neueröffnung: Britta Barthel & Mansen Chu
Foto: © 2012 by Schattenblick

Mit der "Gründerwoche 2012" warb das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie jüngst in 1.650 Workshops, Seminaren, Planspielen, Wettbewerben und weiteren Veranstaltungen rund um das Thema Selbständigkeit für ein freundlicheres Gründungsklima in Deutschland. [1] 'Entrepreneurship' heißt das neue Zauberwort. Was der politischen Eigendarstellung gut zu Gesicht stehen mag, erweist sich allerdings für den, der bei seinem Vorhaben auf ganz praktische und unbürokratische Hilfe hofft, oft als Enttäuschung. Nachdem die Bundesregierung 2006 mit ihrer Entscheidung, die Ich-AGs zugunsten eines Gründungszuschusses abzuschaffen, nach dem nur noch die gefördert werden sollen, bei denen sich ein schneller Erfolg abzeichnet, und angesichts der Tatsache, daß bei den Banken die Unterstützung des Klein- und Mittelstandes, einst das Kerngeschäft, längst nicht mehr zu ihren Interessen gehört, weil sich auf anderem Parkett leichter und mehr Geld verdienen läßt, ist der Schritt zum eigenen Geschäft umso mutiger und risikoreicher. Manch einer, so eine Mitarbeiterin der Hamburger IHK anläßlich eines Beratungsgespräches, müsse bis zu neunmal einen Businessplan einreichen, bevor eine finanzielle Förderung in den Bereich des Wahrscheinlichen rückt. Da wird das mühselig ersparte Eigenkapital nicht selten bereits fürs Überleben verbraucht. Und nicht wenige Existenzgründer müssen einen Stundenlohn von oft unter 5 Euro mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken, so ihre Geschäftsidee denn überhaupt für tragfähig gehalten wird. 127.000 Selbständige haben 2011 einer neuen Studie zufolge zusätzlich zu ihren Einnahmen solche Leistungen erhalten. Geht es nach den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums, sollen allerdings auch die stark eingeschränkt oder gar ganz gestrichen werden. [2] Es scheint, als werde auch hier auf Kosten der Gründungswilligen die Spreu vom Weizen getrennt - nur wer stark ist, darf mitmachen.

Foto: © 2012 by Schattenblick

Agierte diesmal hinter der Kamera: Wanda Badwal im Gespräch mit SB-Redakteurin
Foto: © 2012 by Schattenblick

Das "Komm du" sieht sich selbst als Fortsetzung oder auch Wiederbelebung alter Kaffeehaustradition: Angehörige verschiedener gesellschaftlicher Gruppen sitzen am selben Tisch zusammen, diskutieren und philosophieren, spielen, schreiben, lesen - und genießen. Dazu Live-Musik unplugged, Lieder & Lyrik, Lesungen, Kleinkunst- und Tanzperformances, Ausstellungen - "Kultur mit all ihren Verwandten", wie es auf der Website des neuen Cafés heißt. Das "Komm du" will den Künstlern aus der Region eine Plattform bieten und den Besuchern Kulturgenuß hautnah. Einen kleinen Vorgeschmack erhielten die Gäste gleich zur Eröffnung: Svantje Buchholz tanzte eine eigene Choreografie, Britta Barthel las ein Gedicht ihres Vaters und Wanda Badwal zeigte Ausschnitte aus ihrem Fotorepertoire. Ein erster offizieller Live-Act wird am Mittwoch und Freitag dann der Auftritt des deutsch-irischen Sängers und Gitarristen Stephen Foley sein.

Mädchenfotos von Wanda Badwal durchs Fenster des 'Komm du' aufgenommen - Foto: © 2012 by Schattenblick

Mädchenfotos von Wanda Badwal
Foto: © 2012 by Schattenblick

Britta Barthel und Mansen Chu wünschen sich einen Platz der Geborgenheit und Kreativität. Einen solchen Ort zu schaffen bildete die Basis der Gründer für ihren Entschluss. Geboren wurde die Idee in London, wo die beiden gelernt, studiert und gearbeitet haben. Erfahrung und Rüstzeug aus der internationalen Gastronomie bringen sie daher mit und haben sich einiges an Kaffeekultur in der britischen Metropole abgeschaut.

Angestrebt wird eine Lokalität mit ausgewählten und hochwertigen kleinen Speisen. Bei der Speisekarte soll sich die Vielfalt weniger auf die Anzahl der Gerichte als vielmehr auf deren Besonderheit richten. Es ist geplant, überschaubar mit fünf fest stehenden, ausgesuchten Spezialitäten aus aller Welt zu beginnen. Dazu zählen schwäbische Spätzle, aber auch handgemachte chinesische Frühlingsrollen und Snacks. Eine besondere Attraktion sollen die so genannten 'Pies' - eine Art Pastete mit je verschiedener Füllung - werden, eine englische Spezialität, die hierzulande noch wenig bekannt und verbreitet ist. Eine Seele des neuen Cafés werden Kaffeespezialitäten sein, von deren weichem Aroma und milder Anregung sich die zur Eröffnung geladenen Gäste ein Bild machen konnten.

Die Chefin an der Kaffeemaschine - Foto: © 2012 by Schattenblick

Die Seele des Ganzen
Foto: © 2012 by Schattenblick

Aus ausgesuchten Kaffeesorten wird je nach Wunsch Amerikano, Cappuccino, Café Latte, Latte Macchiato oder Espresso gezaubert, natürlich auch "To go". Auch besondere Tees sowie heiße Schokolade und Kaltgetränke kommen mit auf die Karte. Täglich wechselnde, frisch gebackene Kuchen aus eigener Herstellung werden das Angebot abrunden. Bei den Preisen wollen die neuen Betreiber "fair" und "im Rahmen" bleiben nach der Devise: Gute Qualität - bezahlbar für jedermann. Diese Mischung soll das Kulturcafé zu einem unverwechselbaren Ort des Verweilens und der Begegnung machen.

Selbstgemachte Kuchen und Finger-Food - Foto: © 2012 by Schattenblick

Handarbeit vom Feinsten
Foto: © 2012 by Schattenblick

Mit dem spürbaren Elan, den mitbringt, wer dabei ist, einen langgehegten Traum zu verwirklichen, könnte das neue Kulturcafé in der Harburger Buxtehuder Str. 13 ein Magnet werden. "Wir wollen ein Feuer machen", sagt Britta Barthel in ihrer Eröffnungsansprache. Wo vor nicht einmal sechs Wochen noch der bürgerlich-biedere Charme einer Eckkneipe aus den 60iger Jahren manch bierseligen Abend und manch angeheiterte Skatrunde erinnern ließ, ist mit einem unermüdlichen Einsatz und der Hilfe vieler befreundeter Hände in Eigenarbeit ein Ambiente entstanden, das zwischen blau lasiertem Holz, lichten Wänden und Decken und gemütlicher Beleuchtung zum Bleiben, Genießen und zu ganz viel Kreativität einlädt. Natürlich ist noch nicht alles fertig, aber der Start ist gemacht. Und schon jetzt fühlt sich der Besucher, der von draußen durch die großen, halbrunden Fenster blickt, in die Gemütlichkeit eingeladen. Alles andere, so die neuen Chefs, wird in den nächsten Wochen komplettiert.

Blick auf die Außenfront des neues Kulturcafés - Foto: © 2012 by Schattenblick

Komm du!
Foto: © 2012 by Schattenblick

Dann, wenn die Mitarbeiter und Anwälte aus dem benachbarten Amtsgericht auf einen Kaffee, eine Besprechung mit ihren Mandanten oder einen mittäglichen Snack vorbeikommen, die Studenten der in 10minütiger fußläufiger Entfernung gelegenen Technischen Universität mit ihren Laptops und Netbooks die Möglichkeit eines kostenlosen Internetanschlusses nutzen, sich zu Hausarbeiten treffen oder nach einem anstrengenden Seminartag einfach chillen und sehen wollen, was das Kulturprogramm demnächst bietet, wenn Mütter auf dem Weg von der nahen Kindertagesstätte auf ein Stückchen Kuchen und einen Cappuccino bleiben oder die Nachbarn einfach mal hereinschneien, um zu erfahren, was es Neues gibt.

Blick auf das Haus Buxtehuder Str. 13 - Foto: © 2012 by Schattenblick

Ein neues Zuhause für Kaffee und Kultur
Foto: © 2012 by Schattenblick

Geöffnet ist das "Komm du" montags bis samstags von 7:30 bis 17:00 Uhr, an Eventabenden bis 21:30 Uhr. Alle Veranstaltungen werden im Café selbst und auf der eigenen Homepage unter www.komm-du.de angekündigt. Das neue Kulturcafé bietet Platz für ca. 80 Personen und ist durch die Nähe zur A7, zur S-Bahn Harburg und eine Busstation vor der Tür leicht erreichbar.

Anmerkungen:
[1] http://www.gruenderwoche.de/ueber/index.php am 05.12.2012
[2] http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/kuenftig-kein-hartz-iv-fuer-selbststaendige-9001069.php am 05.12.2012

5. Dezember 2012