Schattenblick →INFOPOOL →UNTERHALTUNG → SATIRE

GLOSSE/016: Die Amoralität des Politischen als mediales Zuckerbrot (Werner Geismar)


Die Amoralität des Politischen als mediales Zuckerbrot

Philosoph Richard David Precht: "Je dreister die Lüge, desto größer ihr Wahrheitsgehalt"

von Werner Geismar, Juli 2013



Richard David Precht, der Philosoph, der die Welt dadurch erklärt, dass wir die Schule alle Scheiße fanden, nahm in einem vielbeachteten Beitrag in der Apotheken-Rundschau Stellung zu den Verlautbarungen der Bundesregierung und an ihrer Spitze Angela Merkel, vom Datenklau der NSA keinen blassen Schimmer gehabt zu haben. "Mir scheint, dass hier ein klassisches Beispiel der Dialektik des Sprechens "als ob" vorliegt", findet der Philosoph. "Und die dem Sprechen "als ob" inhärente Dialektik meint nichts anderes als: je dreister die Lüge, desto größer ihr Wahrheitsgehalt." Precht, der in diesem Beitrag für sich den philosophischen Tiefgang eines Plattfischs reklamiert, führt weiter aus: "Der Angehörige der politischen Klasse kann für sich, wie übrigens jedermann es kann, beanspruchen, dass, nur weil er sich verständlich ausdrückt, seine Aussage noch lange nicht unmissverständlich ist. Das liegt in der Natur der Sache, was immer sie auch sein mag. Das einzig Eindeutige in unserer postpopulären Moderne ist und bleibt also die Vieldeutigkeit als nucleus des Politischen. Zurecht, möchte man dem hinterher rufen!" Wie Precht schon in seinem kaum beachteten Aufsatz "Wie fasele ich mich kilometerweit am Wesentlichen vorbei" ausführte, sei die Politik der kleinen Lügen endgültig dem Maximal-Konsens der großen Lüge gewichen, die sich selbst das Wort rede und die Meinungsführerschaft im Rahmen eines weltweiten Unrechtsbewusstseins beanspruche. "Die Evolution der Menschheitsgeschichte führt uns gerade eine ihrer elegantesten Kapriolen vor: die Mutation vom globalen Produktkonsumenten zum globalen Datensammler!" Dies sei erst der Anfang einer Entwicklung hin zum herauf dämmernden Zeitalter der Datenauswertung. "Das wird sein wie im Märchen: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen", meinte der Philosoph. Das Grundmuster des Politischen aber bliebe erhalten, ein aus dem tiefenpsychologischen Kern der Märchen als "Knüppel-aus-dem Sack"-Prinzip bestens bekannt. Die Philosophie, insbesondere seine Variante, könne bei diesem Prozess eine nachhaltige Wirkung entfalten. "In verantwortungsbewussten Händen wie meinen kann Philosophie das Glätteisen sein, das alle lügenhaften Verwerfungen glatt bügelt."


Die Meinungsfreiheit schließt das unbequeme Recht auf Kritik, Witz, Satire, das Spiel mit Symbolen und Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten ein.

*

Quelle:
© 2013 by Werner Geismar, Remagen
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2013