Schattenblick →INFOPOOL →UNTERHALTUNG → SPUCKNAPF

SCHLUCKAUF/0136: Irre Aussichten! - Nachtisch & Satire (SB)


Irre Aussichten!



Zahlreiche Studien belegen, daß immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland als psychisch auffällig gelten. Und sie legen den Schluß nahe, daß psychische Erkrankungen allgemein schon in wenigen Jahren an zweiter Stelle der häufigsten Krankheiten überhaupt stehen werden (nach dem Herzinfarkt). In den meisten europäischen Ländern gibt es vergleichbare Entwicklungen. Nicht zuletzt die dadurch zu erwartenden wirtschaftlichen Verluste haben offenbar die EU-Kommission alarmiert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Sollte vielleicht die Drangsalierung der EU-Bürger, ihre planmäßige Zurichtung zur Verwertung für den weltweiten Turbo-Kapitalismus, bald gesetzlich untersagt werden? Will die EU ihre Bürger tatsächlich über den Zusammenhang zwischen Ausbeutung am Arbeitsplatz und den Verlust von Gesundheit und Lebensfreude systematisch aufklären??

Ganz im Gegenteil! Ähnlich wie nach dem Super-GAU in Fukushima, in dessen Folge die EU-Kommission am 25. März 2011 kurzerhand die Strahlengrenzwerte für Lebensmittel aus Japan erhöhte (z.B. bei Fisch von 600 Becquerel pro Kilogramm auf 1250 Bq/kg), wird auch der absehbare psychische Super-GAU der EU-Bürger durch eine Erhöhung der Gesundheits-Grenzwerte "bekämpft".

Was bisher als besorgniserregende Erkrankung galt, etwa das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) bei Kindern oder Depressionen bei Bürgern aller Altersgruppen, soll künftig per "Aufklärungskampagne" zur Norm erhoben werden. Unter dem Titel der Ent-Tabuisierung soll die Einnahme von ADS-Medikamenten wie Ritalin während des Schulunterrichts so normal werden wie das Naschen von Schokoplätzchen und der Griff zur Anti-Depressiva-Schachtel am Arbeitsplatz so alltäglich wie der Griff zum Kaffeebecher.

Damit das gelingt, fördert die EU verstärkt eine Öffentlichkeitsarbeit, wie sie etwa der Leipziger Verein "Irrsinnig menschlich" leistet. Im Rahmen einer bundesweiten Kampagne des Vereins, der europaweit noch Kooperationspartner sucht, soll beispielsweise an Schulen in Schleswig-Holstein das ganztägige Projekt "Verrückt? Na und!" für die Integration psychischer Probleme in den Alltag werben.

Ergänzend dazu startet die Pharmaindustrie eine europaweite Kampagne, um der regelmäßigen Einnahme von Psychopharmaka das Flair von Coolness und Urbanität zu verleihen. Zu Sprüchen wie "Nimm dir, was dich stark macht" wird lässig eine farbenfroh gestaltete Tablette eingeworfen oder unter dem Motto "Pills power People" übermütig um den Frühstücksteller gerollt. Alles gut, alles im grünen Bereich!

Nur die Leute, die immer noch daran festhalten, an den allgemeinen Lebensumständen unbedingt etwas ändern zu wollen, statt ihre Pillen zu nehmen, die, ja, das muß leider auch die tolerante EU-Kommission zugestehen, brauchen eine stationäre Behandlung. Doch neue Therapieansätze wie die Arbeitstherapie nach Prof. Eichmann oder das altsibirische Heilfasten lassen hoffen ...

6. Januar 2014