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VERBAND/057: 15 Jahre Humanistischer Verband (diesseits)


diesseits 4. Quartal, Nr. 81/2007 - Zeitschrift des Humanistischen Verbandes

EINBLICKE
15 Jahre Humanistischer Verband - Kontinuität sichern durch Reform der Bundesstrukturen
Ein Wort des Bundesvorsitzenden

Von Horst Groschopp


Liebe Freundinnen und Freunde in unserem Verband und unseres Verbandes,

der Bundeshauptausschuss - unser höchstes Organ zwischen den Delegiertenversammlungen - hat am Samstag, dem 22. September 2007, in Wuppertal getagt und Beschlüsse gefasst, die für die Zukunft des HVD entscheidend sein können.

Wir haben Zwischenberichte zur "Humanistischen Beratung" und zur Ausbildung von "Lebensberatern" als Alternative zu "Seelsorgern" entgegen genommen, hinsichtlich der Antragsverfahren zur "Humanistischen Lebenskunde" in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Stellung bezogen, über "Bundesrichtlinien" zur Vereinheitlichung der historisch gewachsenen, sehr unterschiedlichen Strukturen unserer Landesverbände beraten und uns zu Bündnisfragen und Ideen positioniert, wie eine bessere Interessenvertretung der Religionslosen und Bündelung ihrer Kräfte in unserem Land erreicht werden kann.


Der Zeitplan

Hauptpunkt unserer mehr als vierstündigen Debatte waren Fragen der Reform unserer inneren Verbandsstruktur. Sogar in dieser Organisationsdiskussion, also einem Thema, bei dem Einvernehmlichkeit keineswegs selbstverständlich ist, weil es auch um Finanzierungsfragen geht, haben wir einen Durchbruch in Richtung Stärkung der Bundesvertretung erzielt. Bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Doch da wir ohne Gott und Teufel auskommen müssen und wollen, sind wir bei der Umsetzung auf uns selbst verwiesen. Wir können das Reformprojekt nur selbst vermasseln.

Auch einen Zeitplan haben wir uns vorgegeben - wenn auch einen sehr engen: Bis Ende Oktober beraten die Landesverbände über ihre Haltung. Wenn ein Drittel von ihnen eine außerordentliche Bundesdelegiertenversammlung wünscht (das ist Satzungsnorm), wird sie der Bundesvorstand Mitte November zum 11. Januar 2008 abends nach Berlin einberufen. Wir werden aber dort nicht nur an unserer Satzung und einer neuen Beitragsordnung basteln, sondern einige inhaltliche Beschlüsse fassen, die dem Anlass angemessen sind, der am Tag darauf, am 12. Januar 2008, den Verband in einer Festveranstaltung zusammenführt: 15 Jahre Humanistischer Verband Deutschlands.

Das ist ein Zwischenschritt hin zu unserem "Humanistentag" am 7./8. Juni 2008, unserer regulären Bundesdelegiertenversammlung mit Neuwahlen des Vorstands für drei Jahre, dann einem Präsidium, etwas kleiner als bisher, aber mit einem aufgewerteten Bundeshauptausschuss. Dieser ist dann - stärker als bisher - ein "Kontrollrat" des Vorstandes und zugleich, was er schon jetzt ist, eine "Clearingstelle" für Konflikte zwischen Vorstand, Landesverbänden und Einzelmitgliedern, die wir ja auch zunehmend haben. (Erfreulicherweise verlieren wir diese als Bundesverband stets, wenn sie eine Landesorganisation gründen.)


Die Praxis als Beweis

Nach 15 Jahren kann man innerhalb und außerhalb des HVD resümieren, was die Gründung am 14. Januar 1993 der säkularen Szene und den Humanistinnen und Humanisten unter den Konfessionsfreien gebracht hat. Wir sind unseren Weg gegangen. Jeder freigeistige Verband kann seinen eigenen Weg gehen - auch in die Bedeutungslosigkeit. Der HVD ist offen für Humanistinnen und Humanisten, die sich dafür entscheiden, die in unserem "Humanistischen Selbstverständnis" im Kern begründete moderne Weltanschauung zu leben, zu vertreten und in praktischen Humanismus umzusetzen für und mit Menschen, die sich von Religionen und Kirchen verabschiedet haben.

Wer jetzt zu uns stoßen möchte, ist gern willkommen. Wir werden nicht in der Vergangenheit bohren. Aber 15 Jahre Mühen der Ebene und Neuaufbau von unten und Umbau des Überkommenen, aber auch der Freude an Erfolgen, am Verändern und der Anerkennung dessen, was wir tun, sind Beleg genug für den guten Weg des HVD - wie auch die kritische Analyse angezeigt ist, wo wir uns geirrt haben und wo wir Freunde verloren haben, weil wir zu ungeduldig waren, noch nicht gut genug rechnen konnten, uns einfach zu ungeschickt anstellten oder es an Geduld, Freundlichkeit oder auch Achtung denen gegenüber mangelte, die sich uns näherten.

Wir haben für den organisierten Humanismus in Deutschland neue strategische Optionen und Arbeitsfelder eröffnet. Unsere 'diesseits' erscheint seit zwanzig Jahren regelmäßig. Wir haben eine bescheidene, aber doch gut funktionierende Zentrale für die innerverbandliche Kommunikation und äußere Darstellung. Der Verband hat Lebenskunde als Bundesprojekt auf den Weg geholfen.

Die Patientenverfügungen sind ein Erfolgsprojekt. Besonders auf diesem Feld hat der HVD politisch erfolgreich gearbeitet. Hier wie auf anderen Gebieten gelang der Erfolg auch deshalb, weil sich Einzelne auf ihren Spezialfeldern hervortun konnten. Gita Neumann möchte ich vor allen nennen und ihr hier öffentlich den Dank des Verbandes aussprechen.

Innere Konflikte haben wir immer wieder beigelegt. Wer als Verband keine Widersprüche und Interessenunterschiede kennt - ist schon irgendwie tot. Es gibt eine Partnerschaft mit Jugendweihe Deutschland. In Mecklenburg-Vorpommern wurde ein Landesverband gegründet. Weitere Gründungen stehen in Aussicht. Die Württemberger und Sachsen-Anhaltiner Humanisten haben wir "assoziiert" - wir arbeiten mit ihnen zusammen, als seien sie Mitglied.

Eine Bundesakademie und ein Hilfswerk sind entstanden. In die Umsetzung des Personenstandsrechtsänderungsgesetzes mischen wir uns ein. Mit dem "Humanistischen Pressedienst" gibt es eine tägliche Öffentlichkeit. Mit all dem und weiteren Initiativen wird der Name "Humanistischer Verband" immer mehr zu einem anerkannten Zeichen in Deutschland, das wir schützen müssen.


Die Reformen

Der Bundesverband HVD lässt sich nicht rein ehrenamtlich führen. Er braucht jedoch ein großes Maß an Ehrenamtlichkeit zu seiner Legitimation. Aber ein Teil seiner Arbeit, die mehr wird, muss auch bezahlt werden. Wir wissen - ich benutze etwas ironisierend einen Marxschen Begriff -, dass die "Springquellen des Reichtums" vor Ort nicht gerade lebhaft sprudeln. Aber wir werden zusammenlegen und schauen, was wir uns leisten können und müssen und wie wir zu einem "Generalsekretär" kommen.

Wir sind nun auf dem Weg, eine Reform der Verbandsstrukturen vorzunehmen mit den Zielen: mehr Bundespräsenz, größere Effektivität, Professionalität und Sparsamkeit, mehr politische Handlungsfähigkeit und überprüfbare Verantwortlichkeit. Wir wollen Verwaltungs- und Reisekosten zugunsten einer professionelleren Verbandsführung reduzieren.

Es werden politisches Verständnis und organisatorisches Schöpfertum vor allem der gewählten Funktionäre und der Geschäftsführungen gefragt sein, wenn wir an die Reform der Bundesfinanzen gehen. Niemand will ein "Gesamtkunstwerk" - aber wir müssen die langfristigen Strukturänderungen unseres Verbandes zur Kenntnis nehmen und überlegen, wie wir eine gerechte Beitragsordnung so hinbekommen, dass das "Abgabensystem" nicht das innere demokratische System des Verbandes dominiert; dass die Teilnahme an Gremiensitzungen erschwinglich bleibt; dass die Verbandsstrukturen ebenfalls gerecht sind und nicht "reichere" Verbände die "ärmeren" (z.B. hinsichtlich der Delegiertenzahlen) an die Wand spielen oder den "reicheren" alle Deckungslücken des Haushaltes immer wieder aufgedrückt werden.

Je vielgestaltiger unser HVD agiert, desto differenzierter sind die Formen der Mitgliedschaft vor Ort, die Förderungen, die "Geschäfte" und deren Strukturen (z.B. gGmbH) sowie die Angebote "von der Wiege bis zur Bahre". Das müssen wir mitdenken.


Unsere Dienstleistungen

Viele säkulare Verbände haben diese Schwierigkeiten nicht, weil sie solche Projekte nicht haben. Wir wollen diese Probleme des organisierten Humanismus. Wir setzen auf Langfristigkeit, nicht auf den kurzen öffentlichen Erregungseffekt angesichts von Ungerechtigkeiten, die uns von Seiten der Regierungen und der Kirchen angetan werden.

Unsere Politik folgt unserem Tun. Wir sind gut im politischen und theoretischen Denken, wo wir etwas tun, wo wir Mitdenkende gewinnen, wo unsere Fragen gefragt sind. Unsere "Geschäfte" dienen zuallererst den Menschen und zwar allen, denen sie als Dienstleistung nützen - auch religiösen Menschen, wenn sie sie annehmen. Unsere "Geschäfte" tragen dazu bei, Humanismus zu befördern, wohl wissend, dass dies viel mehr ist als unser Verband bewegt. Sie bringen Menschen in Lohn und Brot - nicht nur Mitglieder unseres Verbandes. Sie geben Rückhalt für gemeinnütziges Wirken, überzeugen Menschen in ihrem Leben vom Gehalt des Humanismus. So nützen die "Geschäfte" auch dem Verband. Dass sie auch Geld bringen, das versteht sich von selbst. Aber in dieser Reihenfolge formulieren wir unsere Kriterien an unsere "Geschäfte".


Es darf gelacht werden

Wir sind kein Verband sauerteigiger Kirchenfrontkämpfer, sondern ernsthafte Hedonisten. Also, liebe Freundinnen und Freunde, verlieren wir bei all dem, was zu tun ist, nicht unseren Humor. Nehmen wir das Ganze einmal bergsteigerisch und schauen aus diesem Grund nach Großbritannien (für den Tipp bedanke ich mich beim Agenturleiter von hpd-online). Auf der Insel über dem Ärmelkanal ist "HVD" eine "Bergbewertungskategorie".

HVS z.B. heißt "hard very severe", was bedeutet, dass der englische technische Schwierigkeitsgrad 4b, 4c oder 5a vorliegt (was immer das ist; ich vermute: angeseilt wandern). Darauf aufbauend gibt es in aufsteigender Reihenfolge folgende Schwierigkeitsgrade: M wie "moderat", D wie "difficult", HD wie "hard difficult", VD wie "very difficult" - und schließlich HVD wie "hard very difficult".

Das haben wir immer geahnt - und sind im HVD.


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Quelle:
diesseits 4. Quartal, Nr. 81/2007, S. 18-19
Herausgeber: Humanistischer Verband Deutschlands
Wallstraße 61-65, 10179 Berlin
Telefon: 030/613 904-41
E-Mail: diesseits@humanismus.de
Internet: http://www.humanismus.de

"diesseits" erscheint vierteljährlich am
1. März, 1. Juni, 1. Oktober und 1. Dezember.
Jahresabonnement: 12,- Euro (inklusive Porto und
Mehrwertsteuer), Einzelexemplar 4,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2007