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NACHRUF/004: Peru - Mario Vargas Llosa, vom Castro-Anhänger zum Antisozialisten (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Peru
Mario Vargas Llosa - vom Castro-Anhänger zum Antisozialisten

von Isaac Bigio


Am 13. April starb der erfolgreichste peruanische Schriftsteller und Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa. In seinem 89-jährigen Leben wurde er von einem Linken zu einem Sprachrohr der Rechten.

(London, 14. April 2025, bolpress) - In der Nacht von Palmsonntag (13. April) starb in Lima der erfolgreichste peruanische Schriftsteller und einzige Nobelpreisträger des Landes, Mario Vargas Llosa, der 89 Jahre zuvor, am 28. März 1936 in Arequipa geboren wurde.

Wie viele meiner Landsleute habe ich diese Nachricht mit Trauer aufgenommen, denn er war eine Persönlichkeit, mit deren Werken wir aufgewachsen sind und deren Werdegang wir stets verfolgt haben.

Mein Beileid gilt seiner Familie, insbesondere seiner Witwe Patricia, die ich vor einem halben Jahrhundert zusammen mit ihrem nun verstorbenen Ehemann im Haus meiner Eltern und meiner Onkel kennenlernte, sowie seiner Tochter Morgana, die einmal zu meiner Geburtstagsfeier in meine Wohnung kam und eine gute Freundin war, als wir zusammen an der London School of Economics studierten.

Einziger Nobelpreisträger Perus

Vargas Llosa wurde mit seinen ersten drei Romanen berühmt: "Die Stadt und die Hunde" (1963), "Das grüne Haus" (1966) und "Gespräch in der Kathedrale" (1969). Zunächst konzentrierte er sich mit seinem Werk auf sein Heimatland Peru, später schrieb er über andere Nationen, wie in "Der Krieg am Ende der Welt" (1981), "Das Fest des Ziegenbocks" (2000) und "Der Traum des Kelten" (2010).

Er ist bis heute der einzige Andenbewohner, dessen Foto an der Fassade des Londoner "Kings College" zu sehen ist, wo wir uns beide einmal getroffen haben und beide auch Vorlesungen besucht haben (allerdings zu sehr unterschiedlichen Zeiten), aber er hat eine herausragende Stellung erreicht. Ich habe mich einmal mit Richard Barnes, dem stellvertretenden Bürgermeister von London (2008-2012), abgesprochen, um ihm eine Auszeichnung zu verleihen.

Vargas Llosa wurde Mitglied der Real Academia Española sowie anderer Akademien für verschiedene Sprachen: der US-amerikanischen, der brasilianischen und der französischen. Vargas Llosa lernte mehrere Fremdsprachen und wurde zu einem der "Unsterblichen" der französischsprachigen Welt, eine ungewöhnliche Leistung für jemanden, dessen Muttersprache nicht Französisch war.

Obwohl Vargas Llosa seine Kindheit in zwei Quechua sprechenden Städten (Arequipa und Cochabamba) verbrachte, beherrschte er nie eine indigene Sprache. Ganz anders als ein anderer großen Schriftsteller aus Apurímac, José María Arguedas (1911-1969). Sowohl er als auch Manuel Scorza (1928-1983) hätten Aussicht auf den Nobelpreis gehabt, wären sie nicht so früh verstorben (der erste wurde nur 58 Jahre alt, der zweite gerade einmal 55). Scorza war bereits wenige Jahre vor seinem Tod bei einem Flugzeugabsturz im Jahr 1983 und drei Jahrzehnte vor der Auszeichnung von Vargas Llosa im Jahr 2010 von der schwedischen Akademie in die engere Wahl gezogen worden.

Von der extremen Linken zur extremen Rechten

Auf politischer Ebene vollzog Vargas Llosa einen schrittweisen Wandel: Von einem Vertreter der extremen Linken wurde er zu einem Sprachrohr der extremen Rechten. Dies zeigte sich auch in seinen Romanen. In "Maytas Geschichte" (1984) erzählt Vargas Llosa vom ersten bewaffneten Aufstand der marxistischen Rebellen in Peru (ausgeführt von der Revolutionären Arbeiterpartei, Partido Obrero Revolucionario) und spürt die Ursprünge der Bewegung des Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) auf. Da hatte er sich bereits von der kubanischen revolutionären Fokustheorie zum Liberalismus hinbewegt. In diesem Roman zeigt er eine große Orientierungslosigkeit und sein Unvermögen, die linken Bewegungen zu verstehen, indem er beispielsweise den Maoismus mit dem Trotzkismus verwechselt (obwohl ersterer die Ermordung Trotzkis durch Stalin befürwortet und beide gegensätzliche Strategien zur Machtergreifung verfolgen).

In seiner Jugend sympathisierte Vargas Llosa mit der kubanischen Revolution und dem "militärischen Sozialismus" der peruanischen Regierung von Juan Velasco (1968-75), bewegte sich aber allmählich nach rechts. Er war Mitglied der zweiten Regierung von Fernando Belaúnde (1980-85), dessen erste Amtszeit (1963-68) er noch heftig attackiert hatte (er unterstützte sogar die Castro-treuen Guerillas).

Als dann die erste Regierung von Alan García (1985-90) die Banken verstaatlichte, wurde Vargas Llosa zur ersten öffentlichen Persönlichkeit, die die Unternehmer und die Mittelschicht gegen diese Maßnahme organisierte. Mit Hernando de Soto gründete er die "Freiheitsbewegung", die sich mit der traditionellen Rechten (Acción Popular und PPC) zusammenschloss, um die Demokratische Front zu gründen (FREDEMO, ein Name, der ähnlich wie das englische Wort "Freedom" für "Freiheit" klingt).

1990 verlor Vargas Llosa als Präsidentschaftskandidat gegen Fujimori

Bei den Wahlen von 1990 war er der erste Peruaner, der den ersten Wahlgang gewann und die Stichwahl verlor. Im zweiten Wahlgang riefen die sozialdemokratische APRA von Alan García und der größte Teil der Linken dazu auf, für Alberto Fujimori zu stimmen, der am Ende einen viel schlimmeren wirtschaftlichen Schock umsetzte, als ihn Vargas Llosa angekündigt hatte.

Während der zehnjährigen Regierungszeit Fujimoris kritisierte Vargas Llosa den Autoritarismus und den Staatsstreich von 1992. Um zu verhindern, staatenlos ohne Reisepass zu werden (da Fujimori drohte, ihm den peruanischen Pass zu entziehen), nahm Vargas Llosa die spanische Staatsbürgerschaft an.

Danach stand der Schriftsteller an der Seite von Alejandro Toledo, der von 2001 bis 2006 Präsident war. Später unterstützte er seinen ehemaligen Feind García aus Angst vor einem Wahlsieg von Ollanta Humala, den er als Castro-Chávez-Anhänger ansah. Im nächsten Stichwahlkampf (2011) schloss Vargas Llosa jedoch einen Pakt mit Humala und unterstützte ihn gegen Keiko Fujimori. Um zu verhindern, dass die ehemalige First Lady und Tochter des Diktators in den Präsidentenpalast einzieht, unterstützte Vargas Llosa 2016 seinen alten Freund Pedro Pablo Kuczynski.

Pakt mit der Fujimori-Familie

Doch in der letzten peruanischen Stichwahl 2021 schlossen die Familien Fujimori und Vargas Llosa wieder Freundschaft, um die Kandidatur von Keiko zu unterstützen.

Letzteres war eine Art politischer Selbstmord, für den ihm die große Mehrheit der Menschen, die zuvor seine Leistungen für die Verteidigung der Freiheit respektiert hatten, den Rücken kehrte. Dieser Prozess gipfelte darin, dass Vargas Llosa zum wichtigsten intellektuellen Unterstützer der aktuellen Präsidentin Dina Boluarte wurde (trotz des Staatsstreichs und der Massaker, mit denen sie an die Macht gekommen war). Die Diktatorin wiederum zeichnete ihn im Regierungspalast aus.

Der ehemalige Castro-Anhänger kastrierte alle seine "marxistischen" Wurzeln. Er wurde ein enger Vertrauter der post-franquistischen spanischen Volkspartei (Partido Popular) und ein Marquis des spanischen Königs Juan Carlos [1]. Er wollte kein einziges Buch über die indigenen Andenvölker und noch weniger über eine ihrer alten Zivilisationen schreiben. Sein Fokus auf Spanien veranlasste ihn, die Hispanisierung Amerikas zu fordern, mit der Begründung, dass dies die Vereinigung des Kontinents bedeute, und sich gegen jedes Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens auszusprechen. Geboren am Fuße des Vulkans Misti, dem Ort so vieler Revolutionen, landete Vargas Llosa schließlich im Schoß der feudalen Aristokratie Madrids.

Unterstützung für Bolsonaro in Brasilien und Kast in Chile

Bei allen jüngsten Präsidentschaftswahlen in Südamerika setzte er sich für die harte Rechte ein: für Jair Bolsonaro in Brasilien und für José Antonio Kast in Chile, beides Bewunderer früherer Militärjuntas. Im Jahr 2021 erklärte er: "Das Wichtigste ist nicht die Freiheit, sondern gut zu wählen". Damit erklärte er es für akzeptabel, eine Regierung (wie eine linke oder die von Pedro Castillo) zu stürzen, weil nicht "gut" gewählt wurde.

An dem Sonntag, an dem er starb, wurde in Ecuador Daniel Noboa trotz schwerer Betrugsvorwürfe wiedergewählt (es ist die erste Stichwahl, bei der eine/r der Sieger*innen der ersten Runde in der Stichwahl weniger Stimmen erhält als in der ersten Runde, obwohl er/sie die Unterstützung der drittstärksten Partei hatte). Vargas Llosa hätte, wenn er noch am Leben gewesen wäre, einen solchen Triumph gefeiert und jede Möglichkeit von Wahlmanipulationen ausgeschlossen. Wäre das Gegenteil eingetreten, wie es 2021 in Peru der Fall war, hätte er natürlich durchaus von "Betrug" sprechen können.

Der monarchistische Literat ist in seinem Heimatland verstorben, wo seine Romane noch viele Generationen lang gelesen werden und seine politischen Positionswechsel weiterhin für Diskussionen sorgen werden. Por Llosa el Misti llora "tristi" - um Llosa weint der Misti "tristi" ("traurig").

Übersetzung: Annette Brox


Anmerkung:
[1] https://www.infobae.com/espana/2025/04/15/el-titulo-nobiliario-que-juan-carlos-i-le-otorgo-a-mario-vargas-llosa-al-ganar-en-nobel-y-que-ahora-pasa-a-su-hijo/

URL des Artikels:
https://www.npla.de/thema/kultur-medien/mario-vargas-llosa-vom-castro-anhaenger-zum-antisozialisten/

Link zum Originalartikel:
https://bolpress.com/2025/04/14/mario-vargas-llosa-de-novelista-castrista-a-marques-antisocialista/


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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 25. April 2025

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