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BUCHBESPRECHUNG/269: Erica Benner - Ist das noch Demokratie oder kann das weg? (Klaus Ludwig Helf)


Erica Benner: Ist das noch Demokratie oder kann das weg?

Gedanken zu der besten Staatsform, die wir kennen.

von Klaus Ludwig Helf, Mai 2025


Entlang ihrer eigenen politischen Biografie mit Erfahrungen aus fünf Kontinenten und aus der Perspektive einer Philosophin setzt sich Erica Benner mit Theorie und Praxis der Demokratie auseinander. Sie verbindet historische-politische Analysen mit anekdotisch angereicherten Erzählungen und Beobachtungen, die sie vor Ort erleben konnte z.B. in Südafrika, Polen, USA, Ungarn, in der Türkei und zuletzt in Georgien. Erica Benner geht es in ihrem Band vor allem darum, der "problematischen Beziehung zwischen Demokratie und Gleichheit in der Geschichte und in den verschiedenen Ländern dieser Welt" nachzuspüren (S. 12). Das gelingt ihr ganz vorzüglich mit scharfsinnigen Analysen und pragmatischen und realistischen Vorschlägen für die permanente Belebung und Ertüchtigung der Demokratie als der "besten Staatsform, die wir kennen".

Erica Benner ist politische Philosophin, lehrte an der Universität Oxford, der London School of Economics und in Yale. Ihre Machiavelli-Biografie Be Like the Fox wurde vom Guardian zu einem der besten Bücher des Jahres 2017 gewählt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Nach dem Vorwort folgen drei Hauptkapitel: Anfänge und Mythen, Anhaltende Kämpfe und Gefährliche Bedrohungen. Die Anmerkungen sind in die jeweiligen Seiten eingearbeitet; eine Literaturliste fehlt leider. Zunächst untersucht Erica Benner die historischen Vordenker der Demokratie und zieht daraus Konsequenzen für die Gegenwart. Sie entwickelt daraus eine Matrix von Maßnahmen, wie eine Demokratie in eine Diktatur verwandelt werden kann, ohne dass es die Menschen zunächst bemerken. Einige Anwendungsbereiche seien "... ausgesprochen modern, doch das Grundkonzept stammt aus Perikles' Athen; es wurde in Rom und Florenz ein wenig verfeinert, bevor neuzeitliche Demokratiezerstörer wie Mussolini, Hitler und andere es an uns weitergaben" (S. 251). Dazu gehören u.a.: Manipulation des Wahlsystems und des Geschichtsbildes, ideologische Konstruktion des Gegensatzes von wahrem Volk und den anderen und Einschränkungen der freien Medien und der unabhängigen Justiz.

Die Demokratie sei ein zerbrechliches Gut, das immer unter Druck stehe und jederzeit gefährdet sei durch Zukunftsängste, Neid und Gier, Überlegenheitsgefühle, Fremdenhass und Sehnsucht nach autoritären Persönlichkeiten und Strukturen, vor allem aber durch das nie eingelöste Gleichheitsversprechen. Geteilte Freiheit habe die besten Überlebenschancen, wenn niemand so viel Macht besitze, dass er oder sie sehr viel bessere Chancen und Möglichkeiten habe als andere. Demokratische Freiheit müsse mit einem Bekenntnis zur Gleichheit einhergehen:

"Nicht jener Gleichheit, die so manchen Freiheitsliebenden in Furcht und Schrecken versetzt: aufgezwungene ökonomische Nivellierung, Indoktrinierung durch einen 'woken' Egalitarismus und Derartiges mehr.

Nur gleicher Respekt für alle, gleiche Berücksichtigung ihrer Anliegen, gleiches Stimmrecht, gleiche Freiheiten. Und die Einsicht, dass signifikante Ungleichheit eine der größten Gefahren für die demokratische Freiheit darstellt." (S. 216/217) 


Erica Benner:
Ist das noch Demokratie oder kann das weg?
Gedanken zu der besten Staatsform, die wir kennen.
Kein&Aber AG Zürich + Berlin 2024
aus dem Englischen (UK) von Yamin von Rauch
280 Seiten, 20,00 Euro

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Quelle:
© 2025 by Klaus Ludwig Helf
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 9. Mai 2025

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