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BUCHBESPRECHUNG/270: Andreas Henning (Herausgeber) - "Honiggelb - Die Biene in der Kunst" (SB)


Andreas Henning (Herausgeber)

Honiggelb - Die Biene in der Kunst
Von der Renaissance bis in die Gegenwart

Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in Wiesbaden (*)



Buchcover 'Honiggelb - Die Biene in der Kunst' - © by Hirmer Verlag

Buchcover: © by Hirmer Verlag

Der mit 269 Abbildungen ausgestattete Band "Honiggelb - Die Biene in der Kunst" beginnt mit dem Essay "Die Biene (k)ein Fabelwesen", des Bienenexperten Jürgen Tautz und vermittelt einen umfassenden Einblick in die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse über Bienen, Bienenverhalten und -forschung. Ihm geht es ausschließlich um dieses kleine Insekt als Lebewesen und seine Bedeutung für Mensch und Umwelt. Seine Thesen über die Bienen klingen fantastisch, machen neugierig und regen zum Nachdenken an, was sich dahinter verbergen könnte:

Honigbienen
• haben die Welt der Blumen erschaffen
• sind Säugetiere
• stehen in ihrer Kommunikation mit dem Menschen auf einer Stufe
• entfalten ihre Intelligenz im Schwarm
• ernähren die Menschheit
• lehren den Menschen

(S. 19) 

Ohne Honigbienen wäre das Wachsen der Nahrungs- und Blütenpflanzen nicht in ausreichendem Maße möglich. Sie sind die wichtigsten Bestäuber. Zwar sind sie nicht die einzigen, denn auch Fliegen, Schmetterlinge, Käfer, Hummeln, Wespen, Wildbienen und viele mehr, können diese Aufgabe ebenso übernehmen, allerdings bleibt den Honigbienen der umfassendste Anteil mit 80% aller Blütenpflanzen mit rund 170.000 Arten. Ihre Bedeutung in der Landwirtschaft, insbesondere der Bienenzucht, ist von immenser Wichtigkeit für das Leben der Menschen. Das Interesse an diesen kleinen Insekten war und ist noch immer groß. Wie leben sie, wie pflanzen sie sich fort, wie arbeiten sie zusammen, wie verständigen sie sich?

"Honiggelb - Die Biene in der Kunst" entführt den Leser in die kulturellen, naturkundlichen und gesellschaftlichen Denkweisen vergangener Jahrhunderte. Wir erfahren viel über die Biene als Sinnbild und Vorbild in der christlichen Vorstellungswelt, über die Biene in der Antike, in der Dichtkunst, über ihre Bedeutung für Künstler als Inspiration. Als Nutznießer ihrer Fleißarbeit lesen wir über die Biene in der Imkerei, und schließlich hat sie es bis in die moderne Kunst geschafft. Honig und Waben wurden zu sogenannten Kunstwerken verarbeitet, Künstler wie Joseph Beuys mehrten damit ihren Ruhm, was angesichts der Verschwendung der Produkte der Biene doch bedenklich anmutet.

Was der Biene in dem Jahrtausende währenden Zusammenleben mit uns Menschen alles an Eigenschaften und Fähigkeiten zugeschrieben wurde, mag in Vergessenheit geraten sein. Unser Wissen und unsere Sorge um dieses bewundernswerte Insekt kreist heute um ihr mögliches Aussterben aufgrund von Umweltgiften und lebensfeindlichen Umweltgestaltungen und des Schadens, der durch die Folgen des Klimawandels auf sie einwirkt.

In vergangenen Gesellschaftsordnungen wirkte die Biene als Wertebotschafter in der Gestaltung der Moralvorstellungen. Sie gilt als fleißig, reinlich, keusch, fromm, weise und gehorsam. Sie bildet einen idealen Staat, aber auch einen gefährlichen Schwarm, stellt süßen Honig her und fügt mit ihrem Stachel Schmerzen zu. Schon Aristoteles hat die Biene mit der Menschengesellschaft verglichen, denn sie baut als Einzelwesen gemeinsam mit Abertausenden einen Bienenstaat auf. Ein Rätsel blieb lange Zeit, auch für Aristoteles, wie die Bienen sich vermehren. In Ermangelung genaueren Wissens ging man von einer asexuellen Fortpflanzung aus, oder auch von Bugonie, das heißt, man nahm an, dass die Bienen in einem toten Rinderbauch entstehen. Das Christentum übernahm diese Ansicht, dort sah man die Bienen als jene Wesen, die den Übergang vom Tod zum Leben symbolisieren. Von großer Bedeutung war es für die christlichen Kirchen, dass die Biene aufgrund ihrer asexuellen Zeugung rein und frei von sexuellen Leidenschaften war. Schließlich erlangte dieses "unschuldige" Insekt im Christentum, gestützt von mittelalterlicher Naturkunde, ihren Bedeutungshöhepunkt als Herrschaftssymbol im Wappen von Urban VIII., der von 1623 bis 1644 Papst der Katholischen Kirche war.

Die Vorstellung, dass es nur einen "Bienenkönig" geben kann, hielt sich lange. Es war unvorstellbar, dass es sich bei der wichtigsten Biene im Staat, um eine "Bienenkönigin" handeln könnte. Mitte des 17. Jahrhunderts konnte mit Hilfe der Mikroskopie endgültig bewiesen werden, dass bei Bienen eine sexuelle Fortpflanzung besteht und dass der "Bienenkönig" eine "Bienenkönigin" ist. Im Laufe der Zeit spielte der Vergleich zwischen Bienenstaat und Herrschaftssystemen der Menschen kaum noch eine Rolle.

Dieser reich bebilderte Band ist ein Lesevergnügen der besonderen Art. Die Ausflüge in die Denkweisen der Menschen, die mit Bienen gelebt haben, die wussten, dass sie der Biene reiche Ernten zu verdanken hatten, zollen diesem Insekt Respekt. Das heißt nicht, dass nicht schon zu Beginn ihrer Begegnung die Jagd auf Honig das Sinnen des Menschen beflügelte, neue Möglichkeiten zu erdenken, wie leichter an diesen begehrten Süßstoff zu gelangen wäre. War das der Beginn der Imkerei, so wusste man doch, dass ein Bienenvolk versorgt und bekümmert werden sollte. Künstler aus allen Jahrhunderten beschäftigten sich mit der Abbildung von Bienen in den Facetten des einstigen Wissens über dieses kleine Insekt. Ihnen verdanken wir die vielen Kunstgegenstände, die Vasen, Gemälde, Wappen, die Schmuckstücke, Skulpturen oder Medaillen, die Zeugnis über die Sicht der Menschen vergangener Zeiten auf die Biene ablegen.


(*) Die Ausstellung "Honiggelb - Die Biene in der Kunst. Von der Renaissance bis in die Gegenwart" kann noch bis zum 22. Juni 2025 im Hessischen Landesmuseum für Kunst & Natur in Wiesbaden besucht werden.

Weitere Informationen:
https://museum-wiesbaden.de/honiggelb-kunst

16. Mai 2025


Andreas Henning (Herausgeber)
"Honiggelb - Die Biene in der Kunst"
Von der Renaissance bis in die Gegenwart
Hirmer-Verlag GmbH, München 2025
272 Seiten, 269 Abbildungen
ISBN: 978-3-7774-4509-0


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