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ITALIEN/523: Breite Protestfront gegen neues Sicherheitsdekret Melonis (Gerhard Feldbauer)


Breite Protestfront gegen neues Sicherheitsdekret Melonis

Verfassungsfeindlichkeit angeprangert

von Gerhard Feldbauer, 3. Juni 2025


In Rom hat am Wochenende eine breite Protestfront der Linken Mitte erneut gegen ein neues sogenanntes Sicherheitsdekret der Rechtsaußen-Regierung von Giorgia Meloni, das am Donnerstag im Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde, demonstriert. Dem Aufruf des Netzwerkes "A Pieno Regime" hatten sich Gewerkschaften, Verbände und politische Bewegungen, darunter die mit über vier Millionen Mitgliedern stärkste Gewerkschaft CGIL, der 1,2 Millionen Mitglieder vertretende Kulturverein Arci, die Linkspartei Potere al Popolo (die Macht dem Volke), Studenten von Osa und Cambiare Rotta sowie Vertreter des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), das Bündnis von Linkspartei und Grünen (AVS) und die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) angeschlossen.

Da sich die Regierungschefin nicht sicher war, die erforderliche Mehrheit zu erhalten, hatte sie die Abstimmung - zum 89. Mal seit ihrem Amtsantritt im Oktober 2022 - mit der Vertrauensfrage verbunden, kam dann auf 201 Ja-, 117 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen. Bis Mitte Juni soll die Abstimmung in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, erfolgen. [1] Es ist, wie die Kritiker betonten, ein Maßnahmenpaket, das 14 neue Arten von Straftaten und neun erschwerende Umstände einführt, die es der Regierung u. a. erleichtern, besetzte Häuser schneller zu räumen und Straßenblockaden, die bisher eine Ordnungswidrigkeit waren, als Straftat zu verfolgen, worunter dann auch Proteste wie die der Umweltorganisation "No Tav" oder die gegen den Bau der Brücke über die Meerenge von Sizilien fallen, bis hin zu Maßnahmen gegen das Betteln. Selbst schwangere Frauen und Mütter kleiner Kinder könnten künftig unter bestimmten Umständen inhaftiert werden.

Über dem Marschblock von CGIL wehten rote Arbeiterfahnen, darunter auch welche der Palästinenser. Auf Plakaten und in Losungen wurden die neuen Gesetze als verfassungsfeindlich angeprangert. Teilnehmende Studenten der Sapienza-Universität nannten das Gesetz in einer Erklärung, wie das kommunistische Magazin Contropiano berichtete, eine "echte freiheitsfeindliche Offensive, die sich in die mittlerweile lange Liste repressiver Gesetze der letzten Jahre einfügt, die darauf abzielen, den Kampf gegen soziale Ausgrenzung zu kriminalisieren. Wenn wir zu alledem noch die anhaltenden Angriffe auf das Streikrecht hinzurechnen, wird der Wille der Regierung Meloni deutlich, jeden möglichen Raum für abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen".

Das verschärfte Repressionsgesetz stößt landesweit auf Widerstand. Elena Schlein, Sekretärin des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), der größten Oppositionspartei, warf der Regierung vor, sie erfinde "jede Woche einen neuen Straftatbestand" und setze, "statt echte Probleme wie Wohnungsnot, Armut oder Arbeitslosigkeit zu lösen, auf Repression und Einschüchterung." Cesare Antetomaso, Anwalt und Mitglied der linken Juristenvereinigung Giuristi Democratici, sprach vom "größten Angriff auf die Meinungsfreiheit" seit Gründung der italienischen Republik im Jahr 1946. Laut der katholischen Zeitung Avveniere haben 250 Juristen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Dekrets geäußert. Der Leiter der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), Ex-Premier Giuseppe Conte, hatte bereits in der Parlamentsdebatte angeprangert, mit dem Gesetz werde Italien "ein repressiver Staat".

Das Gesetz verstößt gegen die Verfassung der Republik, die am 2. Juni 1946 im Ergebnis des Sieges im Referendum proklamiert wurde, stellte die Plattform der CGIL Collettiva klar und rief dazu auf, bei den am kommenden Wochenende zur Abstimmung stehenden Referenden, den Gesetzen der Meloni-Regierung zur Repression, zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der Arbeiterrechte, eine Abfuhr zu erteilen.


Anmerkung der SB-Redaktion:

[1] Diese Abstimmung ist inzwischen erfolgt, das sogenannte "Sicherheitsdekret" ist Gesetz. Am 4. Juni wurde das heftig umstrittene Maßnahmenpaket im Senat, von Protesten und turbulenten Szenen begleitet, mit 109 Ja- zu 69 Nein-Stimmen angenommen.

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Quelle:
© 2025 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 6. Juni 2025

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