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ITALIEN/535: Mietertragödie in Mailand - 71-Jähriger springt nach Räumungsklage in den Tod (Gerhard Feldbauer)


Mietertragödie in Mailand

71-Jähriger springt nach Räumungsklage in den Tod

von Gerhard Feldbauer, 9. Oktober 2025


Ein 71-jähriger Mann ist bei einer angeordneten Zwangsräumung seiner Wohnung durch den Gerichtsvollzieher am Mittwoch, dem 8. Oktober, gegen 9 Uhr aus einem Fenster im sechsten Stock seiner Wohnung in Sesto San Giovanni in der Via Puricelli Guerra bei Mailand in den Tod gesprungen. Der Bericht darüber des kommunistischen Magazins Contropiano auf seinem Online-Portal erschüttert die Öffentlichkeit und hat zu scharfen Protesten der Gewerkschaften und von Mietern über das unmenschliche Vorgehen von Vermietern, dem die Regierung Giorgia Melonis wie auch die Stadtverwaltung unter dem Bürgermeister von Mitte-Links, Giuseppe Sala, unbekümmert zusehen, geführt.

Der Vermieter hatte die Räumungsklage für die Wohnung angesetzt, nachdem der allein von Sozialhilfe lebende Mann seit mehreren Monaten keine Miete zahlen konnte. Er heißt Letterio Buonomo und stammte ursprünglich aus Messina. Bevor er sich das Leben nahm, hinterließ er eine Nachricht, in der er seine Verzweiflung zum Ausdruck brachte: "Ich kann es nicht mehr ertragen, in einem System, das Profit und Spekulation belohnt, in dem das Leben bedeutungslos ist, zu leben. Es zählt nur, was man einnimmt, und wer nichts hat, kann sterben. Die Werte der westlichen Zivilisation werden in Euro oder Dollar gemessen, und wehe dem, der sie nicht besitzt."

Die Mietervereinigung ASIA der Basisgewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) enthüllte dazu, dass es sich um keinen Einzelfall handelt, sondern "in unserem Land im Jahr 2025 Menschen sterben, weil sie allein sind, von Zwangsräumung bedroht sind, mit Hungerlöhnen oder -renten und untragbaren Mieten leben müssen. Sie sterben, während die Regierung Eigentumsrechte mit allen Mitteln verteidigt, alle Investitionen in der Region zunichtemacht und die Militärausgaben oder Ausgaben für unnötige Großprojekte erhöht. Sie sterben aufgrund mangelnder Wohnungspolitik, des öffentlichen Wohnungsbaus und der Immobilienverwaltung, während Tausende nicht zugewiesene Wohnungen leerstehen und verfallen". Italien, so der Protest weiter, "ist kein Land für die Alten, kein Land für die Armen, nicht einmal für die Jungen: Es ist ein Land, das in 25 Jahren Mietliberalisierung und Mietpreisdämpfung alle zugunsten einiger weniger zurückgelassen hat; diese Wenigen haben die Wohnungsdiebe erfunden". Dem Mieterelend ausgelieferte Menschen springen in den Tod, während die als äußerst rechts geltende Ministerpräsidentin Meloni in den letzten beiden Jahren allein für Kriegsprojekte und Waffensysteme im Luftfahrtbereich 21,9 Milliarden Euro bereitgestellt hat, wie Contropiano erst kürzlich enthüllte.

In Mailand reagierte die Stadtverwaltung unter dem Bürgermeister Giuseppe Sala, wie es hieß, auf die Wohnungsnot mit Gleichgültigkeit. Täglich kommt es zu Zwangsräumungen, Obdachlose lernen den Schlagstock kennen, während mindestens 100.000 Wohnungen unbewohnt sind und leerstehen. Dann wurde im Juli bekannt, dass in der Metropole seit Jahren Architekten, Finanzinvestoren und Baufirmen um die Vergabe lukrativer Projekte mit Milliardeninvestitionen in den Immobilien- und Infrastrukturbereichen wetteifern und dass die Stadtverwaltung und Bürgermeister Sala persönlich in einen Korruptionsskandal verwickelt sind, in dem es um illegale Einflussnahme und die Manipulation bei der Vergabe von Aufträgen bei prominenten Bauprojekten, u. a. für den CEO eines namhaften Immobilienkonzerns, ging. Laut der Mailänder Staatsanwaltschaft wurde ein weit verzweigtes Netzwerk aus Politik, Verwaltung und Immobilienwirtschaft aufgedeckt, das beschuldigt wird, Aufträge für prestigeträchtige Bauprojekte in Mailand gezielt beeinflusst und an bestimmte Unternehmen vergeben zu haben, möglicherweise gegen illegale Zahlungen oder andere Vorteile. Wie in Italien üblich, schleppen sich die Ermittlungen seitdem ohne Ergebnisse hin.

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Quelle:
© 2025 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 10. Oktober 2025

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