Der nationale Befreiungskrieg gegen das Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht in Italien
Die führende Rolle der Kommunisten
Mit dem bewaffneten Aufstand am 25. April 1945 befreiten die Partisanen
ganz Norditalien
von Gerhard Feldbauer, 25. April 2025
Im April 1945 waren die Tage des Besatzungsregimes der Hitlerwehrmacht und ihrer Vasallen, der Mussolini-Faschisten, gezählt. Am 25. April rief das Comitato di Liberazione Nazionale Alta Italia (CLNAI), die Regionalleitung des Nationalen Befreiungskomitees (CLN) für Norditalien, zum allgemeinen bewaffneten Aufstand auf. Die Initiative ging von der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI/IKP) aus, die auch die Aufstandsdirektive erarbeitet hatte. Die Erhebung war vorbereitet worden durch einen von Turin, dem Sitz des Rüstungskonzerns FIAT, ausgehenden Generalstreik, zu dem die IKP aufgerufen hatte und der fast alle noch von der Wehrmacht besetzten Städte Norditaliens erfasste.
Während des Aufstandes befreiten die mehr als 200.000 Kämpfer zählenden regionalen Partisanenverbände Gruppi d'Azione Patriottica (GAP), über 200 Städte Norditaliens, darunter alle Großstädte. Mailand wurde nach schweren Kämpfen am 27. April eingenommen. Zu diesem Zeitpunkt kämpften sich die alliierten Truppen erst auf das rund 200 km südlich liegende Bologna vor. Mailand erreichten sie erst fünf Tage nach der Einnahme durch die Partisanen.
Die Initiative für die Resistenza, den nationalen Befreiungskrieg, war von der IKP ausgegangen. Im Juli 1943 war Mussolini in einer Palastrevolte mit Militärs unter Marschall Pietro Badoglio an der Spitze gestürzt worden. Sie schlossen einen Waffenstillstand mit den Alliierten und brachen so mit der Achse mit Berlin. Die Palastrevolte spiegelte den Realitätssinn der herrschenden Kreise Italiens wider, die über 20 Jahre Träger der faschistischen Diktatur gewesen waren, sich aber nun nicht hineinziehen lassen wollten in das Scheitern der deutschen Aggressionspläne, wie es sich nach den verheerenden Niederlagen der Hitlerwehrmacht 1943 bei Stalingrad und Kursk-Belgorod, dem Sieg der angloamerikanischen Truppen in Nordafrika sowie der anschließenden Landung alliierter Verbände auf Sizilien abzeichnete. Sie befürchteten auch, dass die Arbeiter mit einer Kommunistischen Partei an der Spitze, die in Aktionseinheit mit den Sozialisten handelte, den Sturz Mussolinis durch eine antifaschistische Massenbewegung herbeiführen könnten.
Nach der Landung der Anglo-Amerikaner in Süditalien besetzte die Wehrmacht am 8. September Nord- und Mittelitalien. Einen Tag später konstituierte sich auf Initiative der IKP ein bereits bestehendes Komitee der antifaschistischen Strömungen (IKP, ISP, Aktionspartei, Christdemokraten, Liberale und Republikaner) zum Nationalen Befreiungskomitee, das alle Italiener zum Kampf gegen den Faschismus für ein freies Italien aufrief. Der Appell, den die von der IKP herausgegebene Zeitschrift "Il Combattente" in ihrer Nr. 1 vom 1. Oktober 1943 veröffentlichte, formulierte die Stoßrichtung gegen Hitlerdeutschland als Besatzungsregime mit der Losung: "Heute gibt es für die Italiener nur noch eine Front: Gegen die Deutschen und gegen die fünfte faschistische Kolonne. Zu den Waffen!" IKP und ISP bekräftigten am 28. September 1943, ihr während des Widerstandes gegen die Franco-Faschisten in Spanien geschlossenes Aktionseinheitsabkommen fortzusetzen und betonten, dass die gefestigte politische Einheit die Arbeiterklasse berechtige, im Befreiungskampf eine führende Rolle einzunehmen. Hatte die von Badoglio gebildete Regierung neutral bleiben wollen, wurde sie durch die Haltung des CLN gezwungen, am 13. Oktober 1943 Hitlerdeutschland den Krieg zu erklären. Italien trat damit auf die Seite der Antihitlerkoalition über.
Die IKP stellte als erste Partei Einheiten für den bewaffneten Widerstand auf. Als am 8. September 1943 in Rom italienische Soldaten den einrückenden Wehrmachtseinheiten Widerstand leisteten, kämpften an der Porta San Paolo an ihrer Seite bereits Kommunisten. In Belluno, der Regionalhauptstadt von Venetien, bildeten am 9. September 22 Arbeiter eine Partisanenabteilung, aus der die Garibaldi-Brigade "Nino Nanetti" [1] hervorging. Zu Beginn verfügten sie über 12 Gewehre, für jedes vier bis fünf Ladestreifen Munition, drei Revolver, eine Panzerbüchse mit 600 Schuss und einige Handgranaten.
Wichtige Erfahrungen brachten die italienischen Interbrigadisten in den Partisanenkampf ein. Luigi Longo, in Spanien im Generalsrang Generalinspekteur aller Interbrigadisten, wurde gleichberechtigt mit dem Sozialisten Sandro Pertini der Oberbefehl der Partisanenarmee übertragen. Longo berichtete, dass sofort nach dem deutschen Einfall im ganzen Land Tausende Italienerinnen und Italiener in verschiedensten Formen bewaffneten Widerstand leisteten. Sie streuten Nägel und Glassplitter auf Durchfahrtsstraßen der Wehrmacht, zerstörten Brücken und Telegrafenleitungen, unterbrachen Eisenbahnverbindungen und Elektrizitätszentralen, griffen bereits Einheiten der Besatzungstruppen an, verschafften sich in Handstreichen Waffen und Munition. "Man kann sagen, dass die Guerilla schon während des Oktober in allen Städten und Dörfern Italiens aufflammte" und sich durch "Schnelligkeit, Unangreifbarkeit und Überraschung auszeichnete", schrieb Longo. Aufsehen erregten im Oktober 1943 Sabotageakte auf der Strecke Rom-Neapel gegen einen Munitionszug, auf der Linie Florenz-Bologna eine Zugentgleisung und auf der Verbindung Arezzo-Florenz die Sprengung eines Treibstoffzuges. Im nördlichen Friaul widerstand eine Partisaneneinheit tagelang der Wehrmacht, die mit Artillerie, Panzern und der Luftwaffe angriff, und fügte dem Gegner schwere Verluste zu, bevor sie sich zurückzog. [2]
Einen historisch einmaligen Beitrag leistete die Bevölkerung von Neapel. Auf Befehl des deutschen Stadtkommandanten mussten sich alle Einwohner für einen Arbeitsdienst registrieren lassen. Als sich von 30.000 Einwohnern nur 150 meldeten, begannen die deutschen Besatzer mit Massenerschießungen von Männern, Frauen und Kindern, steckten Häuser in Brand, vertrieben 200.000 Neapolitaner aus ihren Wohnungen. Am 28. September 1943 ging der Widerstand in einen Aufstand über, in dessen Verlauf die Patrioten die Wehrmachtseinheiten aus der Stadt vertrieben. Als die angloamerikanischen Truppen am 1. Oktober Neapel erreichten, befand sich die Stadt bereits unter Kontrolle der Widerstandskämpfer. 311 Neapolitaner waren in den viertägigen Kämpfen gefallen, 162 verwundet worden. Zu ihnen gehörte der siebenjährige "Straßenjunge" Pasqual Illuminato, ein italienischer Gavroche, der während des Aufstandes Handgranaten auf einen deutschen Panzerwagen warf und umkam.
Die Brigade "Nino Nanetti" wurde am 15. Juni 1944 auch durch den "kühnen Handstreich von Belluno" bekannt. Elf Partisanen, sieben davon in deutschen Uniformen und vier in der Rolle von Gefangenen mit Handschellen, begaben sich in das schwer bewachte Gefängnis der Stadt, überwältigten die Wachmannschaften und befreiten 73 politische Häftlinge. Nach 20 Minuten entkam das Kommando zu seinem Stützpunkt in den Bergen. Um die peinliche Niederlage zu verhüllen, verbreitete die Wehrmachtskommandantur, die Stadt sei von 3.000 Partisanen umzingelt worden, 600 hätten das Gefängnis überfallen. Der Handstreich fand große Zustimmung vor allem unter Jugendlichen, von denen Hunderte danach zu der Brigade in die Berge gingen.
Vom mutigen Kampf der Partisanen zeugen unzählige Heldentaten. Giani Nicolò, ein Kämpfer der GAP, verteidigte sich am 16. Juli 1944 fünf Stunden allein in den Trümmern eines Hauses gegen rund einhundert deutsche und italienische Faschisten. Als er keine Munition mehr hatte, warf er mit Steinen und fiel mit dem Ruf "Mörder! Verräter des italienischen Volkes! Meine Genossen werden mich rächen!".
Am 14. August 1944 wurde Irma Bandiera, Kurierin einer GAP-Gruppe, grausam ermordet. Nach ihrer Gefangennahme wurde sie gefoltert und, als sie den Stützpunkt ihrer Brigade nicht preisgab, geblendet und dann auf offener Straße erschossen. Unvergessen sind die sieben Brüder der Familie Cervi, die alle im bewaffneten Kampf den Tod fanden.
Die Partisaneneinheiten wuchsen zu einer schlagkräftigen, nach regulären militärischen Grundsätzen aufgebauten Armee an. Im November 1943 wurde auf Initiative der IKP ein einheitliches Generalkommando gebildet, dem alle Partisaneneinheiten unterstellt wurden. Es nahm seinen illegalen Sitz in Mailand. Das Kommando verfügte über einen Aufklärungs- und Sicherheitsdienst, Militärgerichte und ein Polizeikorps. Ein "Sicherheitsbericht" des Wehrmachtskommandos gab im Juni 1944 an, dass im Mai 2.035 und im Juni ungefähr 2.200 Partisanenaktionen stattfanden, dabei im Juni 17 Munitionsdepots und 24 Kasernen und Garnisonen des republikanischen Heeres (die faschistischen Hilfstruppen Mussolinis) sowie eine deutsche Kommandantur angegriffen wurden. [3]
Vom 28. Juli bis 3. August 1944 fand in der Emilia Romagna im Gebiet von Montefiorino die größte Partisanenschlacht des Befreiungskrieges statt. Die Partisanen hatten rund um die Ortschaft auf dem strategisch wichtigen 800 Meter hohen Apennin eine befreite Zone von etwa 400 Quadratkilometern geschaffen, die einen Keil in die deutsche Verteidigungsstellung, die sogenannte Gotenlinie, trieb. Die Besatzungstruppen versuchten vergeblich, die Partisanen zu vertreiben. Die befreite Zone verteidigten 8.000 Kämpfer gegen drei deutsche Divisionen, die mit schwerer Artillerie (152-mm- und 88-mm-Geschütze), Panzern und Flammenwerfern in drei Richtungen angriffen. Nachdem die Angreifer anfänglich Geländegewinne erzielt hatten, schlugen die Partisanen sie überall zurück. Sie verloren 2.080 Tote. Bei den Partisanen fielen 250 Kämpfer, 70 wurden verwundet. Bis zum Ende des Befreiungskrieges gelang es den Besatzungstruppen nie, die freie Zone von Montefiorino zurückzuerobern.
Wie im politischen achtete die IKP auch im militärischem Kampf darauf, Sonderinteressen der Parteien in den Hintergrund zu stellen und stattdessen gemeinsame nationale Interessen zur Grundlage zu nehmen. So nannte sie die von ihr aufgestellten Partisanenbrigaden nach dem Revolutionsgeneral des Risorgimento Giuseppe Garibaldi und nicht nach ihrem Parteigründer Antonio Gramsci. Außerdem bildete sie aufgrund ihrer Erfahrungen in Spanien gemischte Abteilungen aus den verschiedenen Parteien. Eine dieser Einheiten führte den Namen des Patrioten aus dem Risorgimento Graf Carlo Pisacane, eines engen Kampfgefährten Garibaldis, der das Militärkomitee der im Februar 1849 proklamierten Römischen Republik leitete.
Die Partisanenarmee zählte in der Endphase der Resistenza 256.000 Kämpfer, von denen die IKP mit ihren aus Kommunisten und Sympathisanten zusammengesetzten Garibaldi-Brigaden 155.000 Mitglieder stellte. [4] Es gab 70 vor allem aus Sozialisten bestehende Matteotti-Brigaden, 198 von der Aktionspartei formierte, Giustizia e Libertà genannte und 181 vor allem auf die DC ausgerichtete Brigaden des Volkes (Brigate del Popolo). Von 70.930 Gefallenen waren 42.558, von 30.697 Verwundeten 18.416 Angehörige der Garibaldiner. 206.000 Partisanen zählten die GAP. Bereits Anfang 1944 führten die Partisanen in den besetzten Gebieten Operationen durch, die 15 Divisionen der Wehrmacht banden. In den Westalpen und den Nordapenninen entstanden im Frühjahr 1944 zwei Partisanenrepubliken und danach zeitweise 15 freie Zonen, in denen die örtlichen Befreiungskomitees überwiegend mit Kommunisten und Sozialisten an der Spitze die Macht ausübten und antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen einleiteten.
Der Haltung der Alliierten lag die Position zugrunde, die Churchill zum Überfall Hitlerdeutschlands auf die UdSSR eingenommen hatte: "Gewinnen die Deutschen, so soll den Russen geholfen werden, gewinnen aber die Russen, so soll den Deutschen geholfen werden - mögen sie einander so viel wie möglich umbringen." Einflussreiche reaktionärste US-Kreise vom Schlage des Ex-Präsidenten Herbert Hoover oder den Senatoren Robert Taft und Arthur Vandenberg erhofften sich mit offenen Anhängern der Nazis von den deutschen Aggressionen jedoch eine "politischen Neuordnung Kontinentaleuropas" und versuchten, "ihrem Land eine Sicht aufzudrängen, wonach der Sieg des Nazismus einem Triumph des Kommunismus in jedem Fall vorzuziehen war".
Nicht in diesen reaktionären Chor stimmte US-Präsident Franklin D. Roosevelt ein, dem es entscheidend zu verdanken war, dass die von der UdSSR verfolgte Anti-Hitler-Koalition überhaupt zustande kam. Mit den strategischen Schlägen, welche die Rote Armee der Hitlerwehrmacht an der Jahreswende 1942/43 bei Stalingrad und anschließend nochmals im Juli 1943 in der gewaltigen Schlacht bei Kursk-Belgorod beibrachte, war es diesen Kreisen nun nicht mehr möglich, Churchill zu folgen und Germany zu helfen. Das strategische Ziel blieb jedoch, dass die UdSSR sich in der gewaltigen militärischen Auseinandersetzung mit Hitlerdeutschland weiter ausbluten sollte, um geschwächt aus dem Kriege hervorzugehen, so dass sie den Weltherrschaftsplänen der USA keinen Widerstand entgegensetzen könnte. [5]
Dem entsprach, dass die westlichen Alliierten die Eröffnung einer zweiten Front in Westeuropa verzögerten und, wie ihr Verhalten nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands mit Italien zeigte, auch nicht an einem raschen Vorrücken ihrer Truppen in Italien interessiert waren. An einer starken Partisanentätigkeit in Italien war ihnen nicht gelegen. Da der antifaschistische Befreiungskampf in Italien wie auch andernorts im Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit stand, mussten sie notgedrungen den Forderungen des CLN nach Waffenlieferungen an die Partisanenverbände nachkommen. Die USA mussten auch Stimmungen aus den Reihen ihrer Armee Rechnung tragen, in der viele Farbige (Afroamerikaner und Inder) kämpften, die mit dem italienischen Widerstand sympathisierten. Insgesamt erhielten die Partisanen jedoch nur etwa die Hälfte der von ihnen benötigten Ausrüstung. Dabei wurde, wie Sophie Alf schrieb, "die Versorgung zunehmend selektiv vorgenommen, um die militanten Gruppen der kommunistischen Garibaldi-Brigaden von der Unterstützung auszuschließen. Da diese zahlenmäßig bedeutend und durch militärisch erfahrene Kommandeure geführt wurden, hatten sie dennoch ein großes Gewicht in der Koordination des militärischen Widerstandes".
In Unruhe versetzte die Angloamerikaner das rasche Vorrücken der Partisanenarmee in der Toskana und die Befreiung von Florenz im August 1944, vier Wochen vor dem Eintreffen ihrer Truppen. Zudem weigerte sich der dort vom regionalen CLN gewählte sozialistische Bürgermeister, Gaetano Pieraccini, nach dem Einrücken der US-Armee seinen Platz für einen von der Militärregierung benannten Nachfolger zu räumen. Pieraccini empfing die US-Offiziere in seinem Amtssitz im Palazzo Vecchio und sagte: "In diesen Palast bin ich eingezogen, als die Deutschen vor der Tür standen; aus diesem Palast werdet Ihr mich nur mit Bajonetten verjagen."
Als die Besatzungsmacht angesichts der entschiedenen Haltung der Bevölkerung das akzeptieren musste, verstärkten sich ihre Befürchtungen, den anwachsenden Volkswiderstand nicht kontrollieren zu können. Im Herbst 1944 verlangsamten die Alliierten ihren Vormarsch, um damit auch den Partisanenkampf zum Erliegen zu bringen. General Harold Alexander, Nachfolger Eisenhowers als angloamerikanischer Oberkommandierender, forderte die Partisanenverbände in einer Rundfunkbotschaft auf, in den Wintermonaten keine offensiven Kampfhandlungen mehr zu führen und ihre festen Verbände und Standorte aufzulösen. "Diese Rundfunkbotschaft, die auch von den Deutschen abgehört werden konnte, brachte die Widerstandsbewegung in große Gefahr", schrieb Sophie Alf. Das habe wahrscheinlich durchaus in der Absicht der Alliierten gelegen, die gemäß der Logik Churchills: "'in that way let them kill them as many as possible' die Dezimierung der fortschrittlichen Antifaschisten in ihre Rechnung einbezogen". [6]
Angesichts des Vordringens der Partisanen in Norditalien ordnete der alliierte Befehlshaber in Italien, General Mark Clark, am 10. April 1944 an, die Partisanen dürften ohne seine ausdrückliche Genehmigung keinerlei Initiativen eines bewaffneten Aufstandes unternehmen. Clark wollte verhindern, dass die Partisanen vor dem Eintreffen der Alliierten die noch von der Wehrmacht besetzten Städte Norditaliens einnahmen. Außerdem sollten die im März begonnenen Gespräche des Leiters des OSS (Vorläufer der CIA) in Bern, Allen Dulles, mit deutschen Unterhändlern, an ihrer Spitze der SS-Polizeichef in Norditalien, Obergruppenführer Karl Wolff, über eine separate Kapitulation der Wehrmachtsverbände in Norditalien nicht gestört werden. Das Oberkommando der Wehrmacht beabsichtigte, in diesem Fall die in Italien stehenden deutschen Verbände gegen die in Österreich vorrückende Rote Armee einzusetzen. [7]
Mit dem Aufstand vereitelten die Partisanen diese Pläne und befreiten an die 200 Städte, darunter alle Großstädte Norditaliens. Mit Beginn des Aufstandes übernahm das CLNAI als Beauftragter der von den Alliierten anerkannten Nationalen Einheitsregierung [8] die zivilen und militärischen Machtbefugnisse. Es erklärte den Ausnahmezustand, richtete Kriegsgerichte ein, erließ Justiz- und Verwaltungsdekrete und forderte alle italienischen Faschisten zur bedingungslosen Kapitulation auf. Die Partisanenarmee griff zwischen Piemont und Venetien auf einer Breite von über 400 Kilometern die Stellungen der Wehrmacht an, deren Truppen in Stärke von noch 19 Divisionen zwischen Friaul und Karnien konzentriert waren. In Genua kapitulierte der Ortskommandant, General Meinhold, mit 9.000 Mann vor dem Vorsitzenden des Befreiungskomitees der Stadt, dem Arbeiter und Kommunisten Remo Scappini. Am Fluss Piave legte das X. Panzerkorps die Waffen nieder. Insgesamt ergaben sich bis zum 2. Mai über 200.000 deutsche Soldaten den Partisanen. Die Gefangenen wurden nach dem Eintreffen der alliierten Truppen diesen übergeben. In allen Fällen hatten die Partisanenkommandeure auch hier einer Forderung General Clarks zuwidergehandelt, Wehrmachtsangehörige nicht gefangen zu nehmen, sondern in den Stellungen zu verharren und auf das Eintreffen der alliierten Truppen zu warten.
Das Ansehen der IKP stieg insbesondere, als in Mailand bekanntgegeben wurde, dass eine Abteilung der 52. Garibaldi-Brigade der IKP Mussolini, der sich mit einer SS-Einheit auf der Flucht zur Schweizer Grenze befand, in der Nähe von Como in der Ortschaft Dongo gestellt und gefangen genommen hatte. Am 28. April wurde das vom CLNAI gegen ihn und weitere führende Faschisten, die sich geweigert hatten zu kapitulieren, unter dem Befehlshaber der Garibaldibrigaden, Oberst Walter Audisio (Kampfname Valerio), verhängte Todesurteil vollstreckt. [9] Die Leichen wurden nach Mailand gebracht und auf der Piazzale Loreto mit den Köpfen nach unten aufgehängt. Am selben Ort hatten die Mussolinifaschisten am 12. August 1944 fünfzehn ermordete Geiseln so zur Schau gestellt.
Auch mit der Hinrichtung Mussolinis war eine Weisung des Alliierten Kommando ignoriert worden, diesen bei einer Gefangennahme zu übergeben. Um diese Brüskierung nicht einzugestehen, erhob das Alliierte Kommando keine Einwände. Oberst Charles Poletti von der Alliierten Militärregierung gab für das CLN und eine Partisanenabordnung in Mailand einen Empfang und erklärte: "Wir haben in Mailand alles in ausgezeichneter Disziplin vorgefunden. Wir sind auch auf der Piazzale Loreto gewesen und haben dem CLN und den Partisanen unsere vollste Anerkennung für ihre bewundernswerte Operation ausgedrückt." [10]
[1] Nino Nanetti, Mitglied der IKP, Organisator der Garibaldi-Brigade in Spanien, 1937 als Divisionsgeneral gefallen.
[2] Luigi Longo: Viva L'Italia libera, Berlin/DDR 1963.
[3] Roberto Battaglia/Guiseppe Garritano: Der italienische Widerstandskampf 1943 bis 1945, Berlin/DDR 1964, S. 158 f.
[4] In diesen Zahlen sind nicht die in Jugoslawien und Griechenland in den Reihen der dortigen Partisanenarmeen kämpfenden Italiener enthalten, die meist den Kommunisten und Sozialisten bzw. ihren Sympathisanten zuzurechnen waren. Allein in Jugoslawien kämpften zwei Divisionen, darunter eine, die sich nach Garibaldi nannte. Siehe "La nostra lotta", Nr. 11/1943.
[5] Valentin Falin: Zweite Front. Die Interessenkonflikte in der Anti-Hitler-Koalition.
[6] Sophie G. Alf: Leitfaden Italien. Vom antifaschistischen Kampf zum Historischen Kompromiss. Berlin 1977.
[7] Bradley Smith/Elena Agarossi: Unternehmen "Sonnenaufgang", Köln 1981, S. 239 ff.
[8] In dem im Dezember 1944 unterzeichneten "Römischen Protokoll" musste das Alliierte Kommando das CLNAI als Organ der Nationalen Befreiungsregierung mit allen Vollmachten anerkennen. Im Gegenzug musste das Kommando der Partisanenarmee seine Einheiten dem alliierten Kommando unterstellen.
[9] Walter Audisio: In nome del popolo italiano, Mailand. In der Situation des Ausnahmezustandes wurde auch die Geliebte Mussolinis, Clara Petacci, die sich bei der SS-Einheit befand und sich schützend vor Mussolini stellte, erschossen. Da gegen sie kein Todesurteil vorlag, wollte die italienische Justiz später Audisio deswegen vor Gericht stellen. Da er Abgeordneter war und das Parlament seine Immunität nicht aufhob, kam ein Prozess nicht zustande.
[10] Pietro Secchia/Filippo Frassati: Storia della Resistenza, Bd. II, Mailand.
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Quelle:
© 2025 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 2. Mai 2025
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