Fledermäuse haben allgemein einen schlechten Ruf. Möglicherweise liegt es daran, dass wir nicht viel über sie wissen, eher selten mit ihnen zusammentreffen, weil sie Nachtjäger sind und weil sie versteckt in Höhlen, auf Dachböden, in Kirchtürmen oder alten Gemäuern leben. Die Geschichten, die über sie verbreitet werden, lassen sie unheimlich oder gefährlich erscheinen. Filme wie "Nosferatu" oder "Dracula" haben sicher dazu beigetragen. Diese Vampire suchen des Nachts ihre Opfer heim, beißen sie mit ihren beiden spitzen Zähnen und saugen ihnen das Blut aus. Jeder weiß, dass es Vampire dieser Art nur in Büchern und Filmen gibt. Die Gemeinsamkeit zwischen Fledermaus und Film-Vampir besteht in den beiden spitzen Vorderzähnen und einem breiten Umhang, entsprechend der Flügelhaut der Fledermäuse. Da hört die Ähnlichkeit auf.
Im Tierreich gibt es tatsächlich Vampirfledermäuse, sie leben in den südlichen USA in Texas und ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich bis in den Süden von Südamerika, bis Chile, Argentinien und Uruguay. Doch von den vielen Fledermausarten, die weltweit existieren, gibt es bekanntermaßen nur drei Arten von Vampirfledermäusen: den Gemeinen Vampir, den Kammzahnvampir und den Weißflügelvampir. Durch einen langen Anpassungsprozess hat sich der Stoffwechsel dieser Tiere so verändert, dass sie sich ausschließlich vom Blut anderer Säugetiere und Vögel ernähren können. Ein weiterer Grund für den schlechten Ruf der Fledermäuse ist die Annahme, dass es durch sie zur Covid-19-Pandemie kommen konnte. All dessen ungeachtet sehen wir uns zunächst einmal an, wie Fledermäuse leben.
Der gemeinsame Vorfahre der Fledermäuse lebte schon vor ungefähr 64 Millionen Jahren auf der Erde, zu der Zeit, in der die Dinosaurier ausstarben. Anhand der ersten fossilen Funde von Fledermäusen (deren Skelette) wird davon ausgegangen, dass sie vor 50 Millionen Jahren gelebt haben. Sie zählen nicht nur zu den sehr alten Säugetieren, sondern auch zu den einzigen, neben den Flughunden, die fliegen können. Fledermäuse zu beobachten ist nicht ganz einfach, denn sie fliegen erst in der Abenddämmerung zum Jagen aus. Auch des Nachts sind sie unterwegs, am Morgen suchen sie dann ihre gut versteckten Schlafplätze auf.
Dank moderner Hightech Film- und Fotokameras konnten sie auch nachts beobachtet und ihr Verhalten erforscht werden. Ungefähr 1400 Fledermausarten sind weltweit bekannt und ihre Lebensgewohnheiten sind im Wesentlichen ähnlich. Wir wenden uns hier einer bei uns in Deutschland vorkommenden Art zu, dem Großen Abendsegler. Sie ist in ganz Europa beheimatet, außer in den nördlichen Gegenden Skandinaviens, in Irland und Schottland.
Wälder und Waldränder sind die bevorzugten Lebensräume des Abendseglers, er siedelt aber auch in Gebäuden, Ställen oder auf Dachböden. Eigens für ihn gebaute Fledermaus-Nistkästen werden gegebenenfalls genutzt. Der Große Abendsegler gehört zu den Wanderfledermäusen, die zwischen ihren Sommer- und Winterquartieren oft weite Strecken zurücklegen. Doch nur die Weibchen machen sich auf die lange Reise in Gebiete, in denen es reichlich Nahrung gibt. Gut genährt und gestärkt kehren sie dann wieder zurück an den Ort, an dem die Männchen sich aufgehalten haben. Es wurden Strecken von über tausend Kilometern errechnet, doch durch den Klimawandel und die allgemeine Erwärmung haben sich die Strecken, um in warme insektenreiche Regionen zu gelangen, verkürzt. Für ihren Winterschlaf suchen sie meist Baumhöhlen und verlassene Specht- oder Eulenbehausungen auf. Höhlen sind ebenfalls beliebte Unterkünfte, sie sind kühl und feucht und damit ideal für den Winterschlaf. Fledermäuse schlafen in dieser Zeit nicht durchgängig. Wenn sie aufwachen, hängen sie sich bequemer hin, vielleicht näher an ihre Artgenossen oder breiten mal ihre Flughäute aus. Aufwendige Bewegungen vermeiden sie. Ihr Stoffwechsel ist während dieser Zeit stark reduziert, das gilt für die Fledermäuse ganz allgemein. Sie schaffen es, ihre Körpertemperatur bis auf 3° Celsius abzukühlen und ihren Herzschlag stark zu verlangsamen. So sparen sie Energie, die sie von den im Sommer und Herbst angefressenen Fettreserven erhalten.
Der Körper des Großen Abendseglers misst ungefähr 8 Zentimeter, seine Flügel können eine Spannweite von 40 Zentimetern betragen. Er gehört neben dem Mausohr zu den größten Fledermäusen Deutschlands. Im Flug sieht er recht beeindruckend aus. Ein Blutsauger oder Vampir ist er nicht. Er jagt nach Insekten, die er mit hohen Geschwindigkeiten (bis zu 50 Stundenkilometer) im freien Flug fängt. Gern sucht er auch Gewässer auf, denn über der Wasseroberfläche finden sich eine Menge Insekten. Der Große Abendsegler ist ein wahrer Flugkünstler und das beeindruckende ist, er jagt mit Ultraschall, er kann seine Beute nicht sehen.
Der große Abendsegler
Buntstiftzeichnung: © 2025 by Schattenblick
Wie das mit dem Ultraschall vor sich geht, ist einfach erklärt, aber richtig erfassen und verstehen können wir das kaum. Weder vermögen wir derartige Töne von uns zu geben, noch zu hören. Diese Fledermaus-Technik wird Echoortung genannt. Der Abendsegler fliegt vornehmlich hoch über den Baumwipfeln, wo sein Flug nicht durch Hindernisse gestört wird. Dabei stößt er fortwährend Laute im niederfrequenten Bereich (Ultraschall) aus. Man stellt sich das wie lang gedehnte Schallwellen vor. Ihre Laute reichen sehr weit und wenn sie auf ein Beutetier treffen, werden diese Schallwellen zurückgeworfen zur Fledermaus, die sich unverzögert auf das Insekt stürzt und es im Flug fängt. Bei dem Großen Abendsegler handelt sich um eine Fledermaus, die sich, wie viele andere, von Insekten, Faltern oder Käfern ernährt. Es gibt auch vegetarisch lebende Fledermäuse, doch sie siedeln eher in wärmeren Gegenden. Sie trinken Nektar, ernähren sich von Früchten oder den Pollen verschiedener Pflanzen.
Besonders zu Beginn der Corona-Pandemie war man auf der Suche nach dem Ursprung dieser furchtbaren Krankheit. Bald gerieten die Fledermäuse in Verdacht, da sie ein verwandtes Virus in sich tragen. Doch verwarf man die Theorie, dass eine direkte Übertragung von Fledermaus auf Mensch stattgefunden hatte, sondern vermutete in dem Marderhund oder dem Nerz einen Zwischenwirt, der dann in Berührung mit Menschen gekommen sein könnte. Die Weiterverbreitung von Mensch zu Mensch erlangte enorme Geschwindigkeiten und führte zu einer Pandemie, das heißt, Menschen steckten sich auf der ganzen Welt mit dem lebensbedrohlichen Virus an. Es dauerte lange, bis die Verbreitung des Virus eingedämmt werden konnte. Ein neuer Impfstoff sorgte dann letztlich dafür, dass eine fortdauernde Ausbreitung von Covid-19 weitgehend verhindert werden konnte.
Was allerdings das Forscherinteresse weckte, war die Tatsache, dass Fledermäuse ein ganzes Reservoir an sehr gefährlichen, todbringenden Viren in sich tragen, ohne jedoch zu erkranken. Fortan steigerte sich das Interesse an diesen fliegenden Säugetieren, denn man konnte beobachten, dass sie kaum an Krebs erkranken und sehr alt werden können. Ihr Lebensalter kann 20 Jahre überschreiten, manche Arten werden sogar bis zu 40 Jahre alt. Das ist für ein so kleines Säugetier sehr viel. Mäuse oder Hamster werden nur ungefähr fünf Jahre alt. Auch wir Menschen tragen Viren in uns. Als Virom bezeichnet man die Gesamtheit der ca. 380 Billionen Viren in unserem Körper. Viele helfen uns, aber manchmal führen sie auch zu Erkrankungen. Bei den Fledermäusen verhält es sich etwas anders. Von wissenschaftlicher Seite wird vermutet, dass die Fledertiere viele Millionen Jahre länger Zeit hatten, ein fein austariertes Immunsystem zu entwickeln, das eine Virus-Wirt-Koevolution ermöglichte. Sie kommen besonders gut mit "ihren" Viren klar. Das Ergebnis sind die oben genannte Langlebigkeit und die auffallend geringe Anfälligkeit für Krebserkrankungen.
Zum Schluss noch eines: die Klimaerwärmung bringt viele Veränderungen mit sich, für Mensch, Tier und Pflanze wie auch für die Meere, die Luft, das Trinkwasser. Die Menschen dringen auf der Suche nach Rohstoffen, Acker- und Weideland weiter in die Regionen vor, die einst nur von Tieren bevölkert waren und zerstören deren Lebensräume. Auf der Suche nach neuen Futterquellen weichen sie in die Dörfer und Städte der Menschen aus. Es kommt zu Kontakten zwischen Wildtieren und Menschen, die viele Möglichkeiten der Übertragung von bislang für den Menschen unbekannten Viren, Pilzen und Bakterien möglich machen. Dasselbe gilt auch für die verdrängten Wildtiere, die mit Menschen in Kontakt geraten und erkranken. So gesehen ist es von weitreichender Bedeutung, dass wir den Tieren ausreichend Raum lassen und sie nach Möglichkeit so leben lassen, wie sie es gewohnt sind. Das ist für uns gut, das ist für die Tiere gut.
Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:
https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2021/07/der-ursprung-des-coronavirus-vier-moegliche-szenarien
Isabella Eckerle "Von Viren, Fledermäusen und Menschen" - Eine folgenreiche Beziehungsgeschichte, S. 96 bis 103
https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/corona-ursprung-wuhan-marderhunde-101.html
28. Mai 2025
veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 183 vom 5. Juli 2025
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