Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) - 01.07.2025
Deutschland drastisch unvorbereitet auf extreme Hitzeereignisse:
"Zehntausende Todesfälle binnen Tagen zu vermeiden!"
Deutschland ist auf extreme Hitzeereignisse wie einen Hitzedom und anhaltende Temperaturen von mehr als 40 Grad bislang unzureichend vorbereitet. Zu diesem Schluss kommen Experten der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in einer neuen Analyse. "Wenn keine ausreichenden Vorbereitungen getroffen werden, können in extremen Hitzefällen Zehntausende Todesfälle binnen weniger Tage die Folge sein - und die wären zu vermeiden", sagt DGG-Präsident Professor Markus Gosch. Eine heute veröffentlichte Arbeit dokumentiert erschreckende Versäumnisse in der deutschen Hitzevorsorge.
"Während andere Länder bereits katastrophale Hitzewellen erlebt haben -
und das sind längst nicht mehr nur die Länder im Süden Europas -,
fehlen in Deutschland grundlegende Vorbereitungen für solche
Extremereignisse", sagt der federführende Autor Professor Clemens
Becker, Leiter der "Unit Digitale Geriatrie" am Geriatrischen Zentrum
des Universitätsklinikums Heidelberg.
Die Datenanalyse zeigt deutlich, dass ältere Menschen überproportional von hitzebedingten Todesfällen betroffen sind. Die dramatische Zunahme der Sterblichkeit mit dem Alter verdeutlicht die besondere Verantwortung der Geriatrie in dieser Krise. Bei älteren und hochaltrigen Personen sind vor allem physiologische Risikofaktoren zu beachten:
Besonders betroffen sind zudem Menschen mit chronischen Krankheiten - körperlich und psychisch - sowie Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere. Auch Menschen, die im Freien arbeiten - wie beim Bau oder in der Landwirtschaft - oder Obdachlose können besonders betroffen sein. Das Problem ist: Extreme Hitzeereignisse werden in Deutschland rechtlich nicht als Katastrophen eingestuft - das erschwert verbindliche Maßnahmen. Viele Vorkehrungen sind nur freiwillig und nicht verpflichtend. Es fehlen klare Zuständigkeiten und konkrete Pläne, zum Beispiel für Evakuierungen, Beschäftigungsverbote im Freien oder Urlaubssperren im Gesundheitswesen. Zudem sei die Kommunikation mit der Bevölkerung oft nicht ausreichend geplant oder koordiniert, wie aus dem Papier hervorgeht.
Für die Praxis raten die Experten: Vorbereitungen auf einen Hitzedom müssen mit einem Vorlauf von mehreren Monaten erfolgen, Hitzeaktionspläne müssen weiterentwickelt werden, extreme Krisenszenarien müssen explizit aufgeführt werden und in Ballungszentren wie Rhein-Main, dem Ruhrgebiet oder Berlin müssen zentrale Notaufnahmen auf die Versorgung von vielen Patientinnen und Patienten mit Hitzeschlag vorbereitet sein. "In alle Schritte für die medizinische Versorgung müssen Altersmedizinerinnen und -mediziner eingebunden sein", so DGG-Präsident Gosch. Zusammen mit den Autoren der heute veröffentlichten Analyse "Hitzedom in Deutschland und wie gut wir darauf vorbereitet sind" fordert die DGG eine präventive Hitzevorbereitung statt reaktive Krisenreaktion:
Vom Wetterphänomen eines Hitzedoms sprechen die Expertinnen und Experten, wenn eine starke Hochdruckzone wie eine Kuppel wirkt und dadurch die Hitze über einem Gebiet quasi einschließt. Dies führt zu lang anhaltenden, extrem hohen Temperaturen - oft über 40 Grad Celsius -, Trockenheit und einer erhöhten Gefahr für Mensch, Natur und Infrastruktur. In den vergangenen vier Jahren gab es in Regionen wie Arizona (USA), Indien, Saudi-Arabien, Australien und Kanada Hitzewellen mit Temperaturen von über 40 Grad Celsius. Die Dauer dieser Hitzewellen reichte von 14 Tagen bis zu mehr als drei Monaten (Arizona). Besonders der Hitzedom in Vancouver (Kanada) 2021 war ein Weckruf: Dort wurden fast zwei Wochen Temperaturen von bis zu 49 Grad Celsius gemessen, was zu zahlreichen Todesfällen führte.
In Deutschland gab es im Sommer 2003 eine Hitzewelle mit geschätzt
7.600 hitzebedingten Todesfällen. Weniger als 20 Prozent der deutschen
Bevölkerung sehen den Klimawandel aktuell als vorrangiges Problem an.
Das spiegele sich auch in den politischen Maßnahmen wider: "In zuletzt
nur 25 von mehreren Tausend Kommunen gibt es derzeit
Hitzeaktionspläne, die zudem kaum oder keine Maßnahmen für extreme
Hitzeereignisse wie einen Hitzedom enthalten", erklärt Becker. "Die
meisten Regionen in Deutschland sind auf Extremhitze nicht
vorbereitet. Wären sie es, könnten sie in Zukunft Zehntausende
Todesfälle verhindern."
Hier lesen Sie den gesamten Beitrag "Hitzedom in Deutschland und wie
gut wir darauf vorbereitet sind" von Professor Clemens Becker (Leiter
Unit Digitale Geriatrie, Universitätsklinikum Heidelberg), Dr. Thomas
Griebe (Leiter Abteilung Umweltschutz, Umweltamt Stadt Duisburg) und
Dr. Christian Weingart (leitender Oberarzt Nephrologie, Krankenhaus
Barmherzige Brüder):
https://www.springermedizin.de/hitzewellen/geriatrie-und-gerontologie/hitzedom-in-deutschland-und-wie-gut-wir-darauf-vorbereitet-sind/51152742
Originalpublikation:
https://www.springermedizin.de/hitzewellen/geriatrie-und-gerontologie/hitzedom-in-deutschland-und-wie-gut-wir-darauf-vorbereitet-sind/51152742
Weitere Informationen:
https://www.dggeriatrie.de/presse/pressemeldungen/2450-pm-deutschland-drastisch-unvorbereitet-auf-extreme-hitzeereignisse-zehntausende-todesfaelle-binnen-tagen-sind-zu-vermeiden
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
https://idw-online.de/de/institution1658
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) - 01.07.2025
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 5. Juli 2025
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