Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) - 29.04.2025
Nach dem Sturz vom Rad zuerst zum Hausarzt? - Ein gefährlicher Umweg!
Gerade im Falle eines Unfalls ist eine schnelle und kompetente medizinische Versorgung entscheidend. Insbesondere bei akuten Verletzungen, wie sie im Sport oder im Alltag häufig vorkommen, zeigt die aktuelle Diskussion um ein verpflichtendes Primärarztsystem für gesetzlich Krankenversicherte, das Union und SPD im Koalitionsvertrag vorschlagen, aus Sicht der zuständigen Fachgesellschaft DGOU und der Berufsverbände BDC, BVOU und BNC gravierende Schwächen auf. Sie warnen eindringlich vor den Folgen eines solchen Systems und fordern, den Direktzugang zu Unfallärztinnen und -ärzten im Gesundheitssystem zu erhalten.
"Wir sehen keinen Vorteil darin, dass jeder Unfall zunächst über den
Hausarzt beziehungsweise die Hausärztin laufen soll", erklärt
Professor Dr. Dietmar Pennig, Generalsekretär der Deutschen
Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). "Ein
verpflichtendes Primärarztsystem würde bedeuten, dass Betroffene mit
akuten Verletzungen des Bewegungsapparates, wie einem Armbruch beim
Radfahren oder einer Knieverletzung beim Treppensturz, zunächst eine
Hausarztpraxis aufsuchen müssen "das verursacht mehr Bürokratie und
ist vor allem ein gefährlicher Zeitverlust. Die Realität zeigt zudem,
dass Hausarztpraxen weder personell noch strukturell darauf ausgelegt
sind, akute Verletzungen zeitnah angemessen zu diagnostizieren und
dann auch zu behandeln."
Die unfallchirurgischen Ärzte und Ärztinnen fordern, dass das bewährte System der unmittelbaren Unfallversorgung durch entsprechend qualifizierte Fachärzte für gesetzlich Versicherte erhalten bleibt. Gerade bei Verletzungen des Bewegungsapparates sei eine schnelle und kompetente Versorgung entscheidend, um Folgeschäden und langwierige Behandlungen zu vermeiden.
Ein verpflichtendes rein hausärztlich gesteuertes Primärarztsystem birgt aus ihrer Sicht die Gefahr, das Gesundheitssystem zusätzlich zu belasten und Fehlsteuerungen zu begünstigen:
Jan Henniger, Vorsitzender des Berufsverbands der niedergelassenen Chirurgen (BNC), erklärt: "Die Realität ist, dass die niedergelassenen chirurgischen Praxen zurzeit sowohl die Hausärzte als auch die Kliniken entlasten. Zukünftig werden die Patienten aber den direkten Weg in die Notaufnahme nehmen, wenn sie nicht mehr unmittelbar von fachärztlichem Personal behandelt werden können. Im Kontext der Notfallreform ist die Idee eines verpflichtenden Primärarztsystems daher widersinnig."
Verbände und Fachgesellschaft verweisen zudem auf das bestehende
System der Durchgangsärzte (D-Ärzte), das sich bei der Behandlung von
Arbeitsunfällen seit Jahrzehnten bewährt habe. Dieses Netzwerk
spezialisierter Fachärztinnen und -ärzte gewährleiste eine schnelle
und qualitativ hochwertige Versorgung Unfallverletzter - ohne unnötige
Umwege.
"Aus gutem Grund bestehen die Berufsgenossenschaften auf der
verpflichtenden Primärversorgung durch qualifizierte D-Ärzte, weil am
Ende Kosten eingespart werden durch Minimierung teurer
Langzeitschäden." erklärt Dr. Jörg-A. Rüggeberg, Vizepräsident des
Berufsverbands der Deutschen Chirurgie (BDC). "Warum sollte ein
solches System nicht auch für Kassenpatienten ohne Arbeitsunfälle
gelten?"
"Ein verpflichtendes Primärarztsystem mag in der Theorie sinnvoll erscheinen, in der Praxis muss es jedoch intelligent und flexibel ausgestaltet werden, sonst bringt es nur mehr Kosten, mehr Bürokratie und unter Umständen mehr Gefahren für die Patienten, insbesondere bei der Versorgung von Unfallverletzten. Daher: Der Direktzugang zu spezialisierten Unfallärztinnen und -ärzten muss für alle gesetzlich Versicherten erhalten bleiben. Schnelle und fachgerechte Hilfe rettet nicht nur Leben, sondern auch die Lebensqualität der Patienten", erklärt Dr. Burkhard Lembeck, Präsident des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU).
Über den BDC
Der Berufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. ist mit rund 17.000
Mitgliedern europaweit die größte chirurgische Vereinigung. Er
repräsentiert Chirurginnen und Chirurgen aller Fachdisziplinen in
Klinik und Praxis in der Bundesrepublik Deutschland. Die BDC|-Akademie
organisiert jährlich fast 200 Veranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte
aller Karrierestufen. Damit fördert der BDC eine kontinuierliche und
professionelle Fort- und Weiterbildung in der Chirurgie.
Über den BNC
Der BNC ist der Berufsverband der freiberuflichen Chirurginnen und
Chirurgen in Deutschland, deren Interessen er durch einen
Bundesvorstand sowie regionale Landesverbände (ANC) vertritt. Er
engagiert sich für die Aus- und Weiterbildung seiner Mitglieder und
setzt sich für eine Förderung der ambulanten chirurgischen Behandlung
sowie des interdisziplinären Austauschs ein. Der Verband führt hierzu
auf Bundesebene den Dialog mit Politik, Krankenkassen, Wirtschaft und
anderen Berufsverbänden.
Über den BVOU
Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) ist
die berufspolitische Vertretung für mehr als 7.000 in Praxis und
Klinik tätige Kollegen und Kolleginnen. Der BVOU setzt die beruflichen
Interessen seiner Mitglieder durch, indem er zum Vorteil der Patienten
und des Gemeinwohls gemeinsam mit den wissenschaftlichen
Gesellschaften den Standard orthopädisch-unfallchirurgischer
Versorgung entwickelt, die politischen und wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen prägt und dadurch die öffentliche Wahrnehmung seiner
Mitglieder als Experten für orthopädisch-unfallchirurgische Versorgung
gestaltet.
Über die DGOU
Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU)
ist eine medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft mit rund
10.400 Mitgliedern. Die DGOU vertritt die übergeordneten und
gemeinsamen Interessen des Faches Orthopädie und Unfallchirurgie im
Bereich der Forschung und der Lehre, der Fort- und Weiterbildung, in
Klinik und in Praxis sowie auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik, um
die Rahmenbedingungen für das Fach O und U entsprechend zu
gestalten.
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
https://idw-online.de/de/institution1739
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
DGOU - Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. - 29.04.2025
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 2. Mai 2025
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