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INFEKTION/1922: Jede*r Achte im Krankenhaus aufgrund von Infektion - Infektionskrankheiten belasten das System erheblich (DGI)


Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) - Pressemitteilung vom 27. Mai 2025

Jede*r Achte im Krankenhaus aufgrund von Infektion

Deutsche Gesellschaft für Infektiologie fordert Ausbau von Versorgungsstrukturen in der Infektionsmedizin


München - Infektionskrankheiten belasten das deutsche Gesundheitswesen erheblich - sowohl zahlen- als auch kostenmäßig. Das zeigt die bislang umfassendste Auswertung zu Infektionsdiagnosen bei erwachsenen stationär behandelten Patientinnen und Patienten. Demzufolge wurde 2022 bei 12 Prozent aller Krankenhauspatientinnen und -patienten eine Infektionskrankheit als Hauptdiagnose festgestellt. Bei 28% diagnostizierten Ärztinnen und Ärzte mindestens eine Infektionskrankheit als Nebendiagnose. Menschen mit Infektionskrankheiten weisen zudem überdurchschnittlich lange Verweildauern in Kliniken auf. Ein modernes und zukunftsfähiges Krankenhaussystem brauche infektiologische Fachexpertise und Strukturen, um eine angemessene Versorgung sicherzustellen und Folgekosten zu minimieren, mahnt die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI). Zum schrittweisen Aufbau dieser Expertise und von Strukturen sei die Etablierung der Leistungsgruppe Infektiologie im Rahmen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) notwendig.


COVID-19-Pandemie, RSV- und Influenzawellen - infektionsmedizinische Akutereignisse haben das Gesundheitssystem und die Gesellschaft in den letzten Jahren teils erheblich gefordert, und werden auch in Zukunft immer wieder auftreten. "Weniger in der Öffentlichkeit präsent, aber im klinischen Alltag ebenso relevant ist die Zunahme von Infektionen bei komplex-kranken und immungeschwächten älteren Patienten, ebenso wie Infektionen, die infolge moderner Krebstherapien auftreten", erläutert Dr. med. Hartmut Stocker, Erstautor der aktuellen Untersuchung. Zu den Herausforderungen der Infektionsmedizin zählten außerdem Antibiotikaresistenzen sowie die Zunahme von Infektionen, die durch den Klimawandel bedingt sind.

Infektionspatienten mit komplexen Erkrankungen und langen Verweildauern

Die bisher umfassendste Auswertung zu Infektionsdiagnosen in Deutschland, die jetzt in der Fachzeitschrift Infection publiziert wurde, zeigt auf: 12% aller erwachsenen stationär behandelten Patientinnen und Patienten - insgesamt 1.728.824 Fälle - hatten 2022 eine Infektionskrankheit als Hauptdiagnose. In 28% aller Fälle wurde mindestens eine Infektionskrankheit als Nebendiagnose festgestellt. Infektionen der Atemwege traten am häufigsten auf (27%), gefolgt von Infektionen des Magen-Darm-Trakts und Bauchfells (19%) sowie der Harnwege (13%). "Bei etwa 4% der Patientinnen und Patienten wurde eine Sepsis diagnostiziert. Wir vermuten hier allerdings eine relevante Dunkelziffer, da eine Sepsis laut deutschen Kodierregeln nicht als Hauptdiagnose dokumentiert werden kann", so Professor Dr. med Jan Rupp, Letztautor der Studie. Die Daten zeigen auch: Betroffene mit Infektionskrankheiten sind häufig komplex erkrankt und weisen überdurchschnittlich lange Aufenthaltsdauern in Kliniken auf. Die mittlere Verweildauer betrug acht Tage. Die medianen Kosten pro Person mit einer infektiologischen Hauptdiagnose berechnete das Autorenteam auf 2.541 EUR.

Infektiologische Expertise bringt klare Vorteile

"Die aktuelle Publikation belegt: Infektiologische Expertise wird dringend gebraucht - und zwar sowohl, um eine angemessene Versorgung der vielen Betroffenen sicherzustellen als auch um Folgekosten gering zu halten", so Professor Dr. med. Maria Vehreschild, Vorsitzende der DGI. "Denn die Einbeziehung von Infektionsspezialisten kann Sterblichkeit und Komplikationsraten nachweislich senken, dafür gibt es zahlreiche wissenschaftliche Belege".

Leistungsgruppe Infektiologie erforderlich

Bis heute gebe es in vielen Krankenhäusern in Deutschland keine Strukturen - etwa infektiologische Konsiliardienste oder bettenführende Abteilungen - um Infektionspatienten bestmöglich zu versorgen. Ein wichtiger Schritt, um angemessene Versorgungsstrukturen zu etablieren, sei die Ausformulierung einer Leistungsgruppe Infektiologie, so wie sie die Fassung des KHVVG vom Dezember 2024 bereits vorgesehen hatte, wie sie jedoch in den aktuellen Plänen keine Berücksichtigung mehr findet. Ebenso wichtig: Eine angemessene finanzielle Abbildung infektiologischer Versorgungsleistung. "Ein modernes Gesundheitssystem muss sich bestehenden und zukünftigen Herausforderungen stellen. Die Infektionsmedizin wird unbedingt gebraucht - aber sie benötigt dann auch angemessene Rahmenbedingungen", so Vehreschild.


Über die Studie

Die Publikation "Caseload, clinical spectrum and economic burden of infectious diseases in patients discharged from hospitals in Germany" ist eine retrospektive Fall-Kontroll-Studie, basierend auf öffentlich zugänglichen Daten (aus InEK-Datenbrowser und G-DRG-Report-Browser) über Hauptdiagnosen nach ICD-10, Fallmerkmalen, Versorgungsstrukturen und Kostenbewertungen für alle im Jahr 2022 aus deutschen Krankenhäusern entlassenen Patientinnen und Patienten. Sie wurde im April 2025 in der Fachzeitschrift Infection veröffentlicht.


Literatur:

1. Stocker H, Kron F, Hartmann P, de With K, Addo M, Vehreschild M, Fätkenheuer G, Salzberger B, Sander LE, Rupp J.
Caseload, clinical spectrum and economic burden of infectious diseases in patients discharged from hospitals in Germany.
Infection. 2025 Apr 9.
doi: 10.1007/s15010-025-02507-x Epub ahead of print. PMID: 40202687
https://link.springer.com/article/10.1007/s15010-025-02507-x

2. Stephanie Shulder, et al
Infectious Diseases Consultation Associated With Reduced Mortality in Gram-Negative Bacteremia.
Clin Infect Dis 2023, 77: 1234
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37402637/


Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI)

Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft, die mit ca. 1400 Mitgliedern das Gebiet der humanmedizinischen Infektionslehre in Klinik, Praxis und Forschung vertritt. Sie versteht das Fach Infektiologie als primär klinisch orientiert, betont dabei jedoch dessen interdisziplinären Charakter wie auch die Relevanz der Infektionsmedizin für das öffentliche Gesundheitswesen und im Sinne internationaler Gesundheit.

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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e.V. (DGI)
Pressemitteilung vom 27. Mai 2025
Geschäftsstelle: Reinhardtstraße 1, 10117 Berlin
E-Mail: administration@dgi-net.de
Internet: www.dgi-net.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 6. Juni 2025

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