Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen
Pressemitteilung vom 15. Mai 2025
Neuer Report: Akuter Hunger und Mangelernährung steigen zum sechsten Mal in Folge in den fragilsten Regionen der Welt
Im Jahr 2024 hungerten weltweit über 295 Millionen Menschen in 53 Ländern und Gebieten akut - fast 14 Millionen mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig erreichte die Zahl der Menschen, die von katastrophalem Hunger betroffen sind, einen neuen Höchststand.
Genf/New York/Rom/Washington - Akute Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung bei Kindern haben im Jahr 2024 zum sechsten Mal in Folge zugenommen. Millionen Menschen wurden dadurch in den fragilsten Regionen der Welt an den Rand des Überlebens gedrängt, wie aus dem heute veröffentlichten Global Report on Food Crises (GRFC) hervorgeht.
Der Bericht zeigt: Konflikte, wirtschaftliche Schocks, extreme Wetterereignisse und Zwangsvertreibungen sind weiterhin die Haupttreiber von Hunger und Mangelernährung - mit verheerenden Auswirkungen, insbesondere in ohnehin fragilen Gebieten.
2024 waren über 295 Millionen Menschen in 53 Ländern und Gebieten von akutem Hunger betroffen - ein Anstieg um 13,7 Millionen im Vergleich zu 2023. Besonders besorgniserregend ist, dass mittlerweile 22,6 % der untersuchten Bevölkerung unter akuter Ernährungsunsicherheit leiden - der fünfte Anstieg über 20 % in Folge.
Die Zahl der Menschen, die sich in der katastrophalsten Hungerstufe (IPC/CH Phase 5) befinden, hat sich mehr als verdoppelt und liegt nun bei 1,9 Millionen - so hoch wie noch nie seit Beginn der GRFC-Erhebungen im Jahr 2016.
Auch die Mangelernährung, insbesondere bei Kindern, hat alarmierende Ausmaße erreicht - darunter im Gazastreifen, in Mali, im Sudan und im Jemen. In 26 Ernährungskrisen weltweit waren fast 38 Millionen Kinder unter fünf Jahren akut mangelernährt.
Der Bericht weist außerdem auf einen dramatischen Anstieg von Hunger infolge von Zwangsvertreibungen hin: Rund 95 Millionen Menschen auf der Flucht - darunter Binnenvertriebene, Asylsuchende und Geflüchtete - leben in Ländern, die selbst von Ernährungskrisen betroffen sind, etwa in der Demokratischen Republik Kongo, Kolumbien, im Sudan oder in Syrien. Weltweit sind derzeit 128 Millionen Menschen zwangsvertrieben.
UN-Generalsekretär António Guterres sagte:
"Dieser Bericht ist eine schonungslose Anklage gegen eine Welt, die
gefährlich vom Kurs abgekommen ist. Langanhaltende Krisen werden durch eine
neue Krise verschärft: den drastischen Rückgang humanitärer Hilfsgelder.
Das ist mehr als ein Versagen von Systemen - es ist ein Versagen der
Menschlichkeit. Hunger im 21. Jahrhundert ist nicht zu rechtfertigen. Leere
Mägen können nicht mit leeren Händen und abgewandten Blicken beantwortet
werden."
Hauptursachen für akute Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung:
Laut GRFC wird erwartet, dass die Hungerkrisen auch 2025 anhalten - unter anderem, weil ein massiver Rückgang humanitärer Finanzierung zu erwarten ist, der größte seit Beginn des Berichts.
Akute Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung sind auf dem Höchststand, doch die globalen Mittel zur Bekämpfung gehen rapide zurück - und der politische Wille nimmt ab. Der Bericht fordert deshalb einen mutigen Neustart, der evidenzbasierte und wirkungsorientierte Maßnahmen priorisiert. Es braucht mehr Ressourcen, skalierbare Lösungen - und vor allem den Fokus auf die betroffenen Gemeinschaften.
Neben der Notfallhilfe empfiehlt das Global Network Against Food Crises Investitionen in lokale Ernährungssysteme und integrierte Ernährungshilfen, um langfristige Verwundbarkeiten zu verringern - insbesondere in Krisenregionen, in denen 70 % der ländlichen Haushalte von der Landwirtschaft leben.
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Hadja Lahbib, EU-Kommissarin für Gleichstellung, Vorsorge und
Krisenmanagement:
"Der diesjährige Global Report on Food Crises zeichnet erneut ein
drastisches und inakzeptables Bild des wachsenden Hungers. Dies ist nicht
nur ein Aufruf zum Handeln - es ist ein moralisches Gebot. In einer Zeit,
in der Finanzierungskürzungen das humanitäre System unter Druck setzen,
bekräftigen wir unser Engagement im Kampf gegen den weltweiten Hunger. Wir
lassen die Schwächsten nicht im Stich, insbesondere nicht in fragilen und
konfliktbetroffenen Ländern. Wir werden das humanitäre Völkerrecht
weiterhin verteidigen und stärken. Die Herausforderungen unserer Zeit sind
größer denn je - doch ebenso unsere Solidarität. Jetzt ist der Moment,
entschlossen und geeint zu handeln - und zu zeigen, dass die Menschlichkeit
selbst in den schwierigsten Zeiten bestehen kann und wird."
QU Dongyu, Generaldirektor, FAO:
"Wenn wir heute den Global Report on Food Crises 2025 vorstellen, wissen
wir: Akute Ernährungsunsicherheit ist nicht nur eine Krise - für Millionen
Menschen, vor allem in ländlichen Regionen, ist sie Alltag. Der Weg nach
vorn ist klar: Investitionen in die Notfall-Landwirtschaft sind
entscheidend - nicht nur als Reaktion, sondern als kosteneffizienteste
Lösung mit langfristiger Wirkung."
Alvaro Lario, Präsident, IFAD:
"Der Bericht macht deutlich: Humanitäre Hilfe muss Hand in Hand gehen mit
Investitionen in ländliche Entwicklung und Resilienzförderung - nur so kann
nachhaltige Stabilität entstehen, die über akute Nothilfe hinausgeht.
Ländliche Gemeinschaften - insbesondere Kleinbäuerinnen und -bauern - sind
zentral für Ernährungssicherheit, Widerstandsfähigkeit und wirtschaftliches
Wachstum. Das gilt umso mehr in fragilen Kontexten."
Raouf Mazou, Beigeordneter Hochkommissar für operative Einsätze,
UNHCR:
"Vertriebene Menschen zeigen eine bemerkenswerte Stärke - doch Resilienz
allein beendet keinen Hunger. Angesichts zunehmender Ernährungsunsicherheit
und langanhaltender Krisen müssen wir von kurzfristiger Nothilfe zu
nachhaltigen Lösungen übergehen. Das bedeutet: echte Perspektiven schaffen -
Zugang zu Land, Lebensgrundlagen, Märkten und Dienstleistungen - damit
Menschen sich heute und auch in Zukunft selbst versorgen können."
Catherine Russell, Exekutivdirektorin, UNICEF:
"In einer Welt des Überflusses gibt es keine Rechtfertigung dafür, dass
Kinder hungern oder an Mangelernährung sterben. Hunger zerfrisst nicht nur
den Magen eines Kindes - er untergräbt auch seine Würde, sein
Sicherheitsgefühl und seine Zukunft. Wie können wir weiter zusehen, wenn
doch genug Nahrung vorhanden ist, um jedes hungrige Kind dieser Welt zu
ernähren? Wie können wir das ignorieren, was direkt vor unseren Augen
geschieht? Millionen Kinderleben stehen auf dem Spiel, während
lebenswichtige Mittel für Ernährungsprogramme gekürzt werden."
Axel van Trotsenburg, Senior Managing Director für Entwicklungspolitik und
Partnerschaften, Weltbank:
"Die globale Hungerkrise bedroht nicht nur Menschenleben - sie gefährdet
die Stabilität und das Potenzial ganzer Gesellschaften. Jetzt braucht es
gemeinsames, entschlossenes Handeln, um eine Zukunft ohne Hunger zu
gestalten."
Cindy McCain, Exekutivdirektorin, WFP:
"Wie viele andere humanitäre Organisationen steht auch WFP vor massiven
Finanzierungslücken, die uns zu drastischen Kürzungen bei der
Nahrungsmittelhilfe zwingen. Millionen hungernder Menschen haben - oder
werden bald - den lebensrettenden Zugang zu unserer Unterstützung
verlieren. Wir haben erprobte Lösungen gegen Hunger und
Ernährungsunsicherheit. Doch um sie umzusetzen, brauchen wir die
Unterstützung unserer Geber und Partner."
Der Global Report on Food Crises (GRFC) wird jährlich vom Food
Security Information Network (FSIN) erstellt und durch das Global Network
Against Food Crises (GNAFC) veröffentlicht - einer multilateralen
Initiative unter Beteiligung von UN-Organisationen, der EU, USAID sowie
internationalen und zivilgesellschaftlichen Partnern.
Über GNAFC:
Das Global Network Against Food Crises (GNAFC) ist ein internationales
Bündnis der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, staatlicher und
nichtstaatlicher Organisationen, das gemeinsam daran arbeitet,
Ernährungskrisen zu bewältigen.
Als einzigartige Plattform vereint das GNAFC zentrale operative Akteure,
internationale Finanzinstitutionen, Mitgliedstaaten und Organisationen mit
dem gemeinsamen Ziel, Hunger durch evidenzbasierte und wirksame Maßnahmen
nachhaltig zu reduzieren - und langfristig zu überwinden.
Den vollständigen Bericht finden Sie unter:
https://www.fsinplatform.org/report/global-report-food-crises-2025/
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Quelle:
Pressemitteilung vom 15. Mai 2025
Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen
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Telefon: +49 30 206 149-0, Fax: +49 30 206 149 16
E-Mail: wfp.berlin@wfp.org
Internet: https://de.wfp.org
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 23. Mai 2025
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