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VERBAND/2447: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Union und SPD leiten keinen Politikwechsel ein (AbL)


AbL - Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
Pressemitteilung vom 9. April 2025

Union und SPD leiten keinen Politikwechsel ein!

AbL zum Koalitionsvertrag


Der heute veröffentlichte Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. in einzelnen Punkten wichtige Vereinbarungen zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft und Agrarpolitik. Hierzu zählen vor allem die finanzielle Stärkung der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) und des Umbaus der Tierhaltung in Richtung tierwohlgerecht. Auch die Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU auf "Einkommensanreize für die Erbringung von Klima-, Umwelt und Tierwohlleistungen" in der 1. Säule und die stärkere Förderung von landwirtschaftlichen Existenzgründungen ist begrüßenswert und greift wichtige Forderungen der AbL sowie Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) auf.

Trotz dieser positiven Aspekte leiten Union und SPD mit ihrem Vertrag keinen Politikwechsel ein, sondern verharren vielfach in Altbekanntem. Insbesondere die Frage der sozialen Gerechtigkeit kommt massiv zu kurz. Das im Kapitel Landwirtschaft zu Recht abgelegte Bekenntnis, dass alle Betriebe, unabhängig Ihrer Größe und Bewirtschaftungsform, Anerkennung und Respekt verdienen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vor allem die kleinen und mittleren Betriebe, sowie die Betriebe mit Tierhaltung sind, die Zusehens verloren gehen. Auch die Zielsetzung des Kapitels zu Umwelt und Ernährung blendet die soziale Frage aus. Hier werden Wettbewerbsfähigkeit, Ernährungssicherung und Ressourcenschonung als Ziele genannt, nicht aber die soziale Gerechtigkeit oder der Erhalt möglichst vieler und vielfältiger landwirtschaftlicher Betriebe. Und dies trotz der hohen Bedeutung einer kleinteiligen Agrarstruktur z. B. für die Biodiversität.

Die mangelnde Ausrichtung auf eine gerechte Agrarpolitik zeigt sich im Konkreten u.a. daran, dass im Vertrag keine nennenswerten Instrumente für die Durchsetzung gewinnbringender Erzeugerpreise genannt werden. Stattdessen ist von einer "modernen Agrarexportstrategie" die Rede. Die Umsetzung von Instrumenten für eine gerechte Vergabe der Fördergelder der GAP ist im Vertrag ebenso wenig enthalten wie eine Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit gentechnikfreier Märkte, sowohl konventionell wie ökologisch. Zudem wollen Union und SPD offenbar weiterhin am ungerechten und frustrierenden System der roten Gebiete in der Düngepolitik festhalten.

Bei der Frage einer stärkeren Reglementierung des landwirtschaftlichen Bodenmarktes beschränkt sich der Vertrag im Kern auf die Übertragung der BVVG-Flächen an die Bundesländer. Die Notwendigkeit der Umsetzung von Agrarstrukturgesetzen durch die Bundesländer wird dagegen weder genannt noch deren Unterstützung beteuert. Auch die Empfehlung der ZKL, Existenzgründer und Betriebe mit wenig Eigentum an Agrarflächen von der Grunderwerbsteuer zu befreien, um Ihnen den Zugang zu Land zu erleichtern, wurde von Union und SPD nicht aufgegriffen.

Claudia Gerster, AbL-Bundesvorsitzende und Betriebsleiterin in Sachsen-Anhalt kommentiert:

"Die lange bekannten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Herausforderungen in der Landwirtschaft kann man nicht mit alten Rezepten lösen, die schon bislang nicht funktioniert haben. Der Koalitionsvertrag bietet uns Bäuerinnen und Bauern im Kern aber nur wenig Neues. Union und SPD fehlt es offenbar an Mut, einen wirklichen Politikwechsel einzuleiten, obwohl dieser gerade in der Agrarpolitik dringend notwendig ist. Viele Betriebe stehen bei der Entwicklung ihrer Höfe seit Jahren auf der Bremse, weil die politisch Verantwortlichen keinen klaren und vor allem langfristigen Rahmen setzen. Die Signale aus Politik und Gesellschaft widersprechen sich vielfach. Während sich die Mehrheit der Bevölkerung eine bäuerliche Landwirtschaft wünscht, die unsere natürlichen Ressourcen schützt und damit für eine nachhaltige Ernährungssicherheit sorgt, ist die Agrarpolitik immer noch mehrheitlich auf globale Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet. Diese Diskrepanz zerreißt viele Betriebe und wird vom vorgelegten Koalitionsvertrag nicht aufgelöst. Wenn Union und SPD ihren Koalitionsvertrag in den kommenden Jahren mit Leben füllen, muss dabei stets die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben im Vordergrund stehen, die auf eine Qualitätsproduktion für die Märkte vor Ort setzen."

Zu einzelnen Politikfeldern im Detail:

  • Zum Umbau der Tierhaltung: Bezüglich des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes muss die im Vertrag angekündigte Reformierung auf Grundlage der Borchert-Kommission erfolgen, und das Gesetz auf weitere Tierarten, den gesamten Lebenszyklus und die Außerhausverpflegung erweitert werden. Begrüßenswert ist die Nennung staatlicher dauerhafter Verträge, das beinhaltet aus Sicht der AbL zwingend die Finanzierung der laufenden Mehrkosten für mehr Tierwohl. Ein Bekenntnis zu einer Tierwohlabgabe fehlt gänzlich. In Zeile 1181 fehlt aus Sicht der AbL bei "(...) Umsetzung von Umwelt- und Klimaschutzstandards" der Begriff Tierwohl.
  • Zur Förderung im Zuge der GAP: Instrumente für eine gerechte Verteilung von Fördermitteln, wie z.B. eine Stärkung der Umverteilungsprämie oder eine Staffelung oder Kappung sind im Vertrag nicht genannt. Das System "Wer hat, dem wird gegeben" soll demnach weitergeführt werden. Darüber kann auch die begrüßenswerte Ausweitung von Fördermitteln der 1. Säule für den Umwelt-, Klima und Tierschutz (Öko-Regelungen) nicht hinwegtäuschen. Gut ist, dass sich Union und SPD auf eine Vereinfachung der Antragstellung geeinigt haben. Dies macht das Vereinfachungspotenzial innerhalb der GAP, fernab eines weiteren Abbaus ökologischer und sozialer Standards deutlich, welches dringend genutzt werden muss.
  • Zur Marktregulierung bzw. gerechten Erzeugerpreisen: Die im Vertrag genannte "Ombudsperson" ist für die Umsetzung fairer Erzeugerpreise deutlich zu kurz gegriffen. Die Gemeinsame Europäische Marktordung (GMO) als zentraler Regelungsort wird mit keiner Silbe erwähnt. Die Umsetzung verpflichtender schriftlicher Lieferverträge als Grundlage für stabilere Preise und zur Stärkung von Bäuerinnen und Bauern innerhalb der Wertschöpfungsketten fehlt damit ebenso wie eine Umsetzung von Instrumenten zur freiwilligen Mengensteuerung zur Vermeidung von Preiskrisen auf EU-Ebene.
  • Zur neuen Gentechnik: Der Vertrag enthält keine klare Aussage, wie sich die neue Bundesregierung in Bezug auf das höchst umstrittene Deregulierungsvorhaben neuer Gentechniken verhalten wird. Zwar soll die Biotechnologie als Schlüsselindustrie gefördert werden, gleichzeitig beteuern Union und SPD, dass sie die selbstbestimmten Verbraucher umfassend und vorsorgend schützen wollen. Es wird also auf selbstbestimmte und vorsorgende Bauern und Verbraucher ankommen, wie sich die Bundesregierung bei den bevorstehenden Trilogverhandlungen auf EU-Ebene verhält. Die AbL steht für Risikoprüfung, Stärkung des Vorsorgeprinzips, verpflichtende Nachweisverfahren und Kennzeichnung bis zum Endprodukt, wirksame Koexistenzregelungen, verursachergerechte Haftungsregelungen und Stoppmechanismen im Falle von Schäden für Umwelt oder in der Lebensmittelerzeugung.
  • Zur Düngepolitik: Zu begrüßen ist die längst überfällige Verankerung des Wirkungsmonitorings. Damit können ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission und potenzielle Planungsunsicherheiten abgewendet werden. Gleichzeitig ist zu kritisieren, dass Union und SPD an dem pauschalen System der roten Gebiete festhalten möchten. Um wirkliche Verursachergerechtigkeit umzusetzen bräuchte es statt einzelner Ausnahmeregelungen innerhalb der roten Gebiete eine einzelbetriebliche Betrachtung der Nährstoffsalden. Diese bilden die Grundlage dafür, das ungerechte System der roten Gebiete schnellstmöglich abzuschaffen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 9. April 2025
AbL - Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
Bahnhofstraße 31, 590067 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: info@abl-ev.de
Internet: www.abl-ev.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 11. April 2025

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