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KIRCHE/2289: Leo XIV. tritt Pontifikat an - Kapitalismuskritik knüpft an Franziskus an (Gerhard Feldbauer)


Papst Leo XIV. trat sein Pontifikat an

Zehntausende Gläubige jubelten ihm zu - etwa 200 ausländische Gäste
Scharfe Kapitalismuskritik knüpft an Franziskus an

von Gerhard Feldbauer, 19. Mai 2025


In einer feierlichen Messe mit 200 Kardinälen, 740 Bischöfen, 30 ökumenischen Delegationen, darunter Vertreter der Ostkirchen, Zehntausenden Gläubigen und annähernd 200 ausländischen Gästen ist der neue Papst Leo XIV. am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom offiziell in sein Pontifikat eingeführt worden. Vor dem eigentlichen Gottesdienst war er mit einem weißen Papamobil über den Petersplatz gefahren und hatte ein Bad in der Menge genommen, die ihn mit Rufen "Lang lebe der Papst!" begrüßte. Auch in den umliegenden Straßen des Vatikans konnte die Zeremonie auf Großbildleinwänden verfolgt werden. Danach hatte der Papst gemeinsam mit den Oberhäuptern der orthodoxen Kirchen das Petrusgrab unter dem Petersdom besucht. Die päpstlichen Insignien, die Zeichen seiner Amtsausübung, die Franziskus sich dort hatte überreichen lassen, nahm Leo XIV. erst während der Messe auf dem Domplatz entgegen: das Pallium, eine weiße, mit roten Kreuzen bestickte Stola aus der Wolle eines Schafes, die die Einheit der Kirche und die pastorale Rolle des Papstes als Bischof von Rom symbolisieren soll und vom Papst bei großen Feiern getragen wird. Dann nahm er den eigens für ihn neu angefertigten Fischerring, der an den Apostel Petrus, der Fischer war und Menschenfischer genannt wurde, erinnern soll. Jeder Papst hat einen eigenen Fischerring. Der von Franziskus wurde nach seinem Tod zerstört.

In seiner Predigt, die er in Italienisch hielt, sagte er einleitend: "Ich wurde ohne jegliches Verdienst ausgewählt und komme mit Furcht und Zittern zu Euch", um danach die Gläubigen zu bitten, für die Einheit der katholischen Kirche zu wirken. "Eine geeinte Kirche, liebe Brüder und Schwestern, ist mein größter Wunsch", sagte er, womit er anmahnte, Richtungskämpfe innerhalb der katholischen Weltkirche zwischen Reformern und Konservativen zu überwinden. Deutlich knüpfte er an seinem Vorgänger Franziskus an, als er die Folgen von Kapitalismus und Machtgier geißelte und sagte: "In unserer Zeit erleben wir noch immer zu viel Zwietracht, zu viele Wunden, die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem Anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt". Der als äußerst rechts geltenden Ministerpräsidentin Meloni, die seine Wahl überschwänglich feierte, dürfte das kaum gefallen haben. Ausdrücklich mahnte er auch Frieden im Gazastreifen, in Myanmar und in der Ukraine an.

Laut Vatikan News nahmen an der Zeremonie annähend 250.000 Menschen teil sowie etwa 200 ausländische Gäste (die italienische Nachrichtenagentur ANSA sprach von 156 Delegationen), darunter mehrere Dutzend Staatspräsidenten, Regierungschefs, hochrangige Vertreter der Königshäuser und anderer Kirchen. Aus Deutschland Bundeskanzler Friedrich Merz, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger; von der EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch Perus Präsidentin Dina Boluarte war gekommen. US-Präsident Donald Trump ließ sich durch seinen Vize J.D. Vance vertreten. Leo XIV. hatte sich vor seiner Wahl von einzelnen Positionen des US-Präsidenten und auch von Äußerungen seines Stellvertreters in der Migrationsfrage distanziert. Zur Wahl hatte ihm Trump noch gratuliert. Nicht anwesend waren der britische König Charles wie auch Prinz William, dafür aber Prinz Edward. Der ebenfalls angereiste ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde vom Papst in kurzer Privataudienz empfangen. Aus Deutschland waren desweiteren der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, wie auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, nach Rom gekommen. Nach der Amtseinführung begrüßte Leo XIV. zahlreiche Ehrengäste mit Handschlag. Einen seiner Brüder, der eigens aus den USA angereist war, begrüßte er mit einer Umarmung.

An dem Akt nahmen neben der Mehrzahl der Kardinäle zahlreiche Ordensleute teil, darüber hinaus Vertreter der Ostkirchen wie etwa der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. Auch der Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Di Segni, war an der Spitze von 15 jüdischen Vertretern gekommen. Ihm hatte der neue Papst ausdrücklich die Wahrung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Zusammenarbeit mit dem jüdischen Volk im Geiste der Erklärung Nostra aetate in einer Botschaft mitgeteilt, mit der er sich deutlich von seinem Vorvorgänger distanzierte, dem Ratzingerpapst Benedikt XVI., der diese Beschlüsse abgelehnt hatte.

Mit dem 1955 in Chicago geborenen Robert Francis Prevost, so sein bürgerlicher Name, kommt erstmals ein US-Amerikaner auf den Heiligen Stuhl, der jedoch Eltern mit französisch-spanisch-italienischen und kreolischen Wurzeln hat und auch die Staatsbürgerschaft Perus, wo er lange Jahre als Missionar tätig war, besitzt. 2015 ernannte ihn sein Vorgänger Papst Franziskus zum Bischof von Chiclayo, einer Diözese im Norden des Landes. Obendrein gehört er dem Augustinerorden an, in dem Priester und Laien gleichgestellt und auch stimmberechtigt sind und Zugang zu allen Ämtern haben.

Nach nur vier Wahlgängen, einem weniger als bei Franziskus, hatten ihn bereits am zweiten Tag des Konklaves, dem 8. Mai, die 133 Kardinäle zum 267. Pontifex und Oberhaupt von weltweit 1,4 Milliarden Katholiken gewählt. Er gilt als Kompromisskandidat, dem die Mehrheit der Kardinäle zustimmte, um ein Signal der Einheit zu setzen und den Ausbruch kirchenpolitischer Gegensätze zu verhindern. Dass Vatican News hervorhob, dass der Gewählte 2023 von Franziskus zum Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe, das dem Papst die Berufung neuer Kardinäle vorschlägt, die seinen Nachfolger wählen, ernannt wurde, wurde so gedeutet, dass Franziskus damit ihm selbst als Nachfolger den Weg bereiten wollte, zumal Leo XIV. wie Franziskus in einer bescheidenen Lebensweise aufwuchs in einem unscheinbaren Einfamilienhaus mit knapp 70 Quadratmetern im Vorort Dolton bei Chicago, dort seine Kindheit mit seiner Familie, mit Mutter Mildred Martínez, Vater Louis Marius und seinen beiden älteren Brüdern Louis Martin und John Joseph, verbrachte.

Zur Wahl seines Namens, der auf Leo XIII. (Papst 1878-1903) zurückgeht, der ein Gegner der marxistischen Arbeiterbewegung war, versicherte Prevost, ihm gehe es um "soziale Gerechtigkeit, technologische Verantwortung und eine Kirche, die Hoffnung spendet in einer Welt im Wandel". Dafür soll sicher auch die in seiner Predigt nach der Amtseinführung geübte Kapitalismuskritik stehen.

Das kommunistichse Magazin Contropiano hatte seine ersten "politischen" Worte, "der Frieden muss entwaffnet und entwaffnend sein" hervorgehoben und bemerkt, er stehe damit im Gegensatz zur äußerst rechten Regierung Melonis, für die solche Worte "unverdaulich" seien, und gleichzeitig gemahnt: "Wir werden bald sehen, wie er sich in einer Welt voller Kriege zurechtfindet. Das Urteil über Menschen basiere wie immer auf dem, was sie tun, und nicht auf dem, was sie sagen."

Der marxistische Kirchenhistoriker Roberto Fineschi von der Universität in Siena warnte, nicht zu vergessen, dass das entscheidende Ziel auch dieses Papstes sein werde, die Kirche zu stärken und ihr eine zentrale Rolle in der Weltpolitik zu verschaffen. Das besage, bei aller Kapitalismuskritik sei nicht zu erwarten, dass Leo XIV. die Herrschaft des Kapitals beseitigen oder nur antasten werde, um eine von Ausbeutung befreite Gesellschaft zu errichten. Schon Johannes XXIII., in dem Franziskus sein Leitbild sah, thematisierte mit seiner Enzyklika "Mater et Magistra" (Mutter und Lehrmeisterin) Fragen von "Christentum und sozialem Fortschritt" und wollte eine vorsichtige Reform einiger überholter Leitsätze der katholischen Soziallehre einleiten, mit der Leo XIII. (Prevost' Leitbild) die "unerbittliche Hütung des Privateigentums" postuliert habe.

Auch Johannes XXIII. trat natürlich nicht für dessen Beseitigung ein, setzte aber einige neue Akzente. Seine Enzyklika ging auf die Ärmsten in den Industrienationen ebenso wie auf die noch Ärmeren in den Entwicklungsländern und in den damals noch bestehenden Kolonien ein. Er erwähnte ihren Bedarf an Grundgütern, aber auch ihre Menschenwürde und forderte soziale Gerechtigkeit, die er als Teilnahme aller Menschen am Wohlstand definierte. Der damalige Papst verstand darunter Mitbestimmung am Arbeitsplatz und Fragen der "Vergesellschaftung" durch Bildung von Genossenschaften. Er gebrauchte den Begriff der "Sozialisation" und nannte ihn "Ausdruck eines sozusagen unwiderstehlichen Strebens der menschlichen Natur; des Strebens, sich mit anderen zusammenzutun, wenn es darum geht, Güter zu erlangen, die von den einzelnen begehrt werden, jedoch die Möglichkeiten und Mittel des einzelnen überschreiten". Das waren natürlich lediglich reformistische Gedanken, die aber die meisten sozialdemokratischen Parteien zu dieser Zeit aufgegeben hatten. Und dieser Zustand hat sich heute eher noch verschlimmert.

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Quelle:
© 2025 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 23. Mai 2025

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