Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
e.V.
EU-News - 02.10.2025
Kranker Kontinent: Der Umwelt in Europa geht es schlecht
Der Natur geht es nicht gut, aber auch die Lebensqualität der europäischen Bevölkerung nimmt ab. Das ist dem Bericht zum Zustand der Umwelt zu entnehmen, den die Europäische Umweltagentur (EEA) veröffentlicht hat. Die größten Herausforderungen: Übernutzung, Artenschwund und beschleunigter Klimawandel. Eine Kehrtwende sei geboten.
Zur Bestandsaufnahme des alle fünf Jahre erscheinenden EEA-Berichts werden keine Mühen gescheut: Die Grundlage sind Daten aus 38 Ländern. Fazit: Bei der Verringerung der Treibhausgasemissionen und der Luftverschmutzung gab es laut EEA zwar "erhebliche Fortschritte", doch insgesamt ist der Zustand der Umwelt in Europa nicht gut. Die Natur leidet unter Degradation, Übernutzung und Verlust der biologischen Vielfalt. Die Auswirkungen des sich beschleunigenden Klimawandels stellen ebenfalls eine große Herausforderung dar. "Die Aussichten für die meisten Umwelttrends sind besorgniserregend und bergen große Risiken für den wirtschaftlichen Wohlstand, die Sicherheit und die Lebensqualität in Europa", so die Umweltagentur.
"Die ausbleibenden Verbesserungen in allen Bereichen sind auf den Druck durch den Menschen zurückzuführen", heißt es im thematischen Briefing [1] zu Biodiversität. Die Verschmutzung durch Nährstoffe und Pestizide aus der Landwirtschaft habe sich negativ auf alle Ökosysteme ausgewirkt. Der Klimawandel und invasive Arten verschärften die bestehenden Belastungen zusätzlich.
Die Luftverschmutzung hat laut Datenlage zwar erheblich abgenommen, aber noch immer sterben Menschen frühzeitig an Feinstaub und anderen Schadstoffen. Lärm und chemische Verschmutzung schadeten nicht nur der Umwelt, sondern gingen auch auf Kosten menschlicher Gesundheit [2]. Die verfügbaren Daten aus der biologischen Überwachung des Menschen deuteten darauf hin, dass die Bevölkerung durch eine Reihe von Chemikalien kontaminiert ist, was aufgrund der kombinierten Wirkung (Gemischtoxizität) dieser Chemikalien besonders besorgniserregend sei. Darüber hinaus überschritten Grenzwerte von beispielsweise Bisphenol A und Per- und Polyfluoralkyle (PFAS) bei einem erheblichen Teil der europäischen Bevölkerung die sicheren Indikatorwerte und stellten somit ein potenzielles Gesundheitsrisiko dar.
Wir können es uns nicht leisten, unsere Ambitionen in Bezug auf Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit zu senken. Unser gemeinsam mit 38 Ländern erstellter Umweltzustandsbericht legt die wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse klar dar und zeigt, warum wir handeln müssen.
Leena Ylä-Mononen
EEA-Exekutivdirektorin
Die EEA fordert ein "grundlegendes Umdenken in Bezug auf die Gestaltung der Beziehung zwischen unserer Wirtschaft und der natürlichen Umwelt". Es brauche einen transformativen Wandel der Produktions- und Konsummuster, einschließlich Dekarbonisierung der Wirtschaft, Ausbau der Kreislaufwirtschaft, Verringerung der Umweltverschmutzung und nachhaltiger Nutzung natürlicher Ressourcen. Nur durch die Wiederherstellung der natürlichen Umwelt werde Europa in der Lage dazu sein, eine hohe Lebensqualität für die Bürger aufrechtzuerhalten.
Die EU-Politik, insbesondere der Europäische Grüne Deal, biete für den notwendigen Wandel einen klaren Rahmen. Naturbasierte Lösungen zur Wiederherstellung von Lebensräumen trügen nicht nur zur Anpassung an den Klimawandel bei, sondern stärkten zugleich die Resilienz und könnten bei der Folgenminderung helfen. Darüber hinaus ist eine Dekarbonisierung der wichtigsten Wirtschaftssektoren, insbesondere des Verkehrs und eine Verringerung der Emissionen aus der Landwirtschaft, unerlässlich. Die wachsende Kreislaufwirtschaft biete Chancen, Europas Abhängigkeit von Energieimporten und kritischen Rohstoffen zu verringern. Gleichzeitig könne Europa durch Investitionen in digitale und grüne Technologien seine Produktivität steigern und eine weltweite Führungsrolle bei nachhaltiger Innovation übernehmen, indem es Technologien zur Dekarbonisierung schwer dekarbonisierbarer Branchen wie Stahl und Zement entwickele.
Neben dem Hauptbericht [3] und thematischen Briefings [4] enthält die EEA-Publikation auch Länderprofile [5]. Deutschland hat laut EEA "bedeutende Fortschritte im Umwelt- und Klimaschutz" erzielt:
Dennoch bestünden "erhebliche Herausforderungen beim Erreichen der Klimaneutralität bis 2045". Die Durchschnittstemperaturen in Deutschland seien seit 1881 um 1,7°C gestiegen, wobei die letzten fünf Jahre von extremer Hitze und Dürren geprägt gewesen seien. Die Wasserverfügbarkeit unterliege zunehmend Schwankungen, wobei die südlichen und östlichen Regionen besonders anfällig seien. Starke Regenfälle und Überschwemmungen erschwerten die Wassermanagementstrategien zusätzlich.
Deutschlands Wälder und Ökosysteme stünden unter zunehmendem klimabedingten Stress und der Landnutzungssektor verfehle möglicherweise seine Emissionsziele. Die Abfallerzeugung pro Kopf steige weiter, nur 9 Prozent der Oberflächengewässer erfüllten EU-Qualitätsstandards, und die Kreislaufmaterialnutzung bleibe derzeit noch unter dem 2030-Verdoppelungsziel der EU. Fortschritte seien bei Energieeffizienz, nachhaltiger Mobilität und Biodiversitätsschutz dringend erforderlich. "Die Beschleunigung systemischer Veränderungen in den Bereichen Ernährung, Mobilität und Energie bleibt jedoch entscheidend für die Erreichung langfristiger Nachhaltigkeitsziele." Die Fortschritte Deutschlands zeigten Potenzial, aber es müssten noch "erhebliche Hürden überwunden werden, um sich an die EU- und internationalen Benchmarks anzupassen".
Der WWF Europa weist darauf hin, dass wetter- und klimabedingte Katastrophen zwischen 1980 und 2023 Verluste in Höhe von 738 Milliarden Euro in der EU verursacht haben und Überschwemmungen und Dürren allein zwischen 2021 und 2023 162 Milliarden Euro. Drei Viertel der Unternehmen im Euroraum hingen in hohem Maße von Ökosystemleistungen ab.
Starke Umweltpolitik könne starke Ergebnisse liefern, mahnte der WWF.
So seien die Emissionen seit 1990 um 37 Prozent gesunken und seit 2005
habe sich der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung
verdoppelt. Auch die Zahl der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von
Luftverschmutzung sei zurückgegangen. Deshalb könne es sich Europa
einfach nicht leisten, bei der Umweltpolitik gesetzliche Regelungen
abzuschwächen. "Eine Verzögerung der EU-Entwaldungsverordnung oder
eine Schwächung unserer Natur- und Wassergesetze wären historische und
irreversible Fehler", so die Organisation. Die Wettbewerbsfähigkeit
Europas, die Lebensmittel- und Wasserversorgungssicherheit sowie das
Wohlergehen der Bevölkerung hingen davon ab. Das wüssten auch die
Bürgerinnen und Bürger, die sich an der kürzlich durchgeführten
Konsultation zum geplanten Umwelt-Omnibuspaket zur Vereinfachung
beteiligten: fast 200.000 [6] Menschen hätten sich entschieden gegen
jeden Versuch ausgesprochen, die Gesetze zum Schutz unserer Natur,
unserer Gewässer, unserer Wälder und unseres Wohlergehens aufzuheben.
[jg]
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Ergänzender Copernicus-Bericht über den Zustand der Ozeane
Von der Arktis bis zu den Tropen zeigt der jüngste Kommissionsbericht
zur Gesundheit der Ozeane alarmierende Ergebnisse.
• Beispiellose Erwärmung: Im Frühjahr 2024 erreichte das
globale Meer eine Rekordtemperatur von 21 Grad Celsius, mit
erheblichen Auswirkungen auf das Ökosystem der Erde.
• Meereswärmewellen: In den Jahren 2023 und 2024
übertrafen die Meerestemperaturen frühere Rekordwerte um über 0,25
Grad Celsius, was sich auf die Ökosysteme, die Fischerei und die
Küstenwirtschaft auswirkte.
• Steigender Meeresspiegel: Der Meeresspiegel stieg
zwischen 1901 und 2024 um 228 Millimeter und bedrohte 200 Millionen
Europäer, die in Küstengebieten leben, und gefährdete UNESCO-Welterbestätten.
• Invasive Arten: Während der Hitzewelle im Mittelmeer
2023 nahmen in wärmeren Gewässern invasive Arten wie atlantische
Blaukrabben und Feuerwürmer zu, was die lokale Fischerei an den Rand
des Zusammenbruchs brachte.
• Schmelzendes Eis: Zwischen Dezember 2024 und März 2025
verzeichnete das arktische Meereis vier aufeinanderfolgende
Allzeittiefs und verlor eine Fläche, die fast doppelt so groß ist wie
Portugal.
Diesjähriger Bericht
https://marine.copernicus.eu/access-data/ocean-state-report/ocean-state-report-9
Ende Texteinschub
EEA: State of Europe's environment not good: threats to nature and
impacts of climate change top challenges
https://www.eea.europa.eu/en/newsroom/news/state-of-europes-environment-2025
Pressemitteilung mit Deutschlandbezug
https://www.eea.europa.eu/en/newsroom/news/state-of-europes-environment-2025/germany_eea25-press-release-german.pdf/@@download/file
WWF: EEA Report: Europe's nature in crisis - but Commission pursues
deregulation drive
https://www.wwf.eu/?19361941/EEA-Report-Europes-nature-in-crisisbut-Commission-pursues-deregulation-drive
Links:
[1] https://www.eea.europa.eu/en/europe-environment-2025/thematic-briefings/biodiversity-and-ecosystems/overview
[2] https://www.eea.europa.eu/en/europe-environment-2025/main-report/top-10-non-communicable-diseases
[3] https://www.eea.europa.eu/en/europe-environment-2025/main-report
[4] https://www.eea.europa.eu/en/europe-environment-2025/thematic-briefings/thematic-briefings-index
[5] https://www.eea.europa.eu/en/europe-environment-2025/countries/country-profiles
[6] https://www.wwf.eu/?19162441/Hands-off-nature-nearly-200000-citizens-say-no-to-weakening-EU-environmental-laws
*
Quelle:
EU-News, 02.10.2025
Deutscher Naturschutzring
Dachverband der deutschen Natur-, Tier-
und Umweltschutzverbände e.V. (DNR) e.V.
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Tel.: 030/6781775-70, Fax: 030/6781775-80
E-Mail: info@dnr.de
Internet: www.dnr.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 10. Oktober 2025
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