Deutsche Stiftung Meeresschutz (DSM) / Aktuelles
Vaquita - Kalifornischer Schweinswal
Veröffentlicht am 24. Oktober 2025 von Ulrike Kirsch
Eigentlich grenzt es an ein großes Wunder, dass es heute überhaupt noch Vaquitas gibt. "Experten hatten damit gerechnet, dass die kleinen Wale 2021 ausgestorben sein würden", erklärt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz. "Damals lag die Populationsgröße bei etwa 20 Exemplaren und ist seitdem weiter gesunken. Nach wie vor ist es den mexikanischen Behörden auch nicht gelungen, die illegale Stellnetzfischerei im Lebensraum des Vaquita unter Kontrolle zu bekommen." Die kleinen Meeressäuger sterben darin als Beifang. Experten schätzen den Bestand der auch Kalifornischer Schweinswal genannten Art auf nur noch 6 bis 8 Tiere.
Um auf die drohende Ausrottung der kleinen Meeressäuger aufmerksam zu machen, begeht man seit einigen Jahren am 25. Oktober den "Save the Vaquita Day"[1]. Ins Leben gerufen wurde er von iVIVA Vaquita!, einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Meeres- und Naturschützern. An diesem Tag zur Rettung des Vaquitas finden hauptsächlich in den USA und in Mexiko zahlreiche Veranstaltungen statt. Dabei wird auf das Schicksal der auch "Panda der Meere" genannten Schweinswale und auf Aktionsmöglichkeiten wie Petitionen aufmerksam gemacht.
Der Vaquita (Phocoena sinus) ist mit bis zu 1,5 m Körpergröße einer der kleinsten Meeressäuger. Und er ist der seltenste. Zudem beansprucht die Art den kleinsten Lebensraum unter den Walen und Delfinen. Die auch Hafenschweinswal oder Kalifornischer Schweinswal genannten Vaquitas gibt es ausschließlich im Nordzipfel des Golfs von Kalifornien. Erst im Jahr 1958 hat man die Art dort entdeckt und beschrieben.
Es sind kräftige, mit maximal 1,5 m recht kleine Tiere. Ihre Flipper sind klein und breit. Die Finne ist dreieckig. Charakteristisch sind ihre mit einem schwarzen Fleck umrandeten Augen. Dieser Gesichtszeichnung verdanken sie den Namen "Panda der Meere".
"Das Schicksal der kleinen Meeressäuger liest sich wie die Chronik eines angekündigten Artentodes", beklagt Karlowski. Seit der Jahrtausendwende nahm der Bestand rasant ab: von 567 Tieren im Jahr 1997 auf rund 30 Exemplare im Jahr 2016. Im Jahr 2022 schätzte man den Bestand auf 18 erwachsene Exemplare. Nach einer 2024 durchgeführten Untersuchung gehen Experten der Weltnaturschutzunion IUCN von 6 bis 8 Tieren (Mindestschätzung) aus.
Ursache für den dramatischen Rückgang der Population sind illegale Stellnetze. Sie sind aus dünnem Nylon gefertigt. Schweinswale können sie nur schwer orten. Deshalb verfangen sie sich in den Netzen und sterben.
Die kleinen Zahnwale sterben als Beifang. Denn die Fischer haben es nicht auf sie, sondern auf die Schwimmblasen von Totoabas (Totoaba macdonaldi) abgesehen. Der Totoaba ist ein über 2 m großer und über 100 kg schwerer Umberfisch. Er ist laut Roter Liste der IUCN [2] gefährdet, mit abnehmender Bestandsentwicklung.
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Die große Schwimmblase der Totoabas wird ihnen und gleichzeitig den
Vaquitas zum Verhängnis. Denn die Schwimmblase gilt als Heilmittel und
Aphrodisiakum in der traditionellen chinesischen Medizin.
Bis zu 100.000 Dollar kostet 1 kg Totoaba-Schwimmblase auf dem
chinesischen Schwarzmarkt. In das lukrative Geschäft sollen laut dem
mexikanischen Nachrichtenportal Reporte Indigo inzwischen auch
mexikanische Drogenbanden verwickelt sein. Daher bezeichnet man
Totoaba-Schwimmblasen auch als das Kokain des Meeres.
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Obwohl erste Schutzbemühungen ins Jahr 1993 zurückreichen, scheiterten diese an mangelnder Umsetzung. Damals rief Mexiko den Lebensraum der beiden endemischen Arten Vaquita und Totoaba zum Biosphärenreservat aus. Drei Jahre später trat ein Rettungsplan in Kraft. 2005 dann örtlich begrenzte Fischereiverbote. 2014 ein zweijähriges Stellnetzverbot.
Gleichzeitig stellte die Regierung 74 Millionen US-Dollar als Ausgleichszahlungen an die Fischer bereit. Doch all das half nichts. Denn vielfach floss das Geld in neue Boote und Motoren. Folglich nahm der Fischereidruck weiter zu.
Zwar ist die Stellnetzfischerei seit Juni 2017 endgültig verboten. Doch ohne konsequente Kontrollen und Strafen bleibt dies weitgehend wirkungslos.
Erstmals in seiner Geschichte warnte der Wissenschaftsausschuss der Internationalen Walfangkommission (IWC) im August 2023 vor der unmittelbar bevorstehenden Ausrottung einer Art. "Das Aussterben des Vaquita ist unvermeidlich, wenn nicht sofort alle Stellnetze durch alternative Fanggeräte ersetzt werden, die sowohl den Vaquita als auch den Lebensunterhalt der Fischer schützen. Wenn dies nicht jetzt geschieht, wird es zu spät sein", so die Erklärung der IWC-Wissenschaftler.
Das CITES-Sekretariat (Washingtoner Artenschutzübereinkommen [3]) verhängte Ende März 2023 ein generelles Handelsverbot für wild lebende Tieren und Pflanzen aus Mexiko. Damit wollte die Artenschutzbehörde in allerletzter Minute den Druck auf das mittelamerikanische Land erhöhen. Mexiko soll endlich effektive Schutzmaßnahmen für die letzten Vaquitas ergreifen. Bereits im November 2022 hatte CITES Mexiko aufgefordert, einen Rettungsplan zu erstellen. Dem kam die mexikanische Regierung jedoch nicht nach.
Mexiko exportiert Tiere und Pflanzen und Produkte daraus im Wert von Millionen von Dollar in die ganze Welt. Insgesamt sind rund 3.159 mexikanische Pflanzen und Tiere unter CITES gelistet.
"Trotz aller Widrigkeiten haben wir noch eine letzte Chance, den Vaquita zu retten", meint Barbara Taylor, Forscherin am Southwest Fisheries Science Center [4] von NOAA Fisheries und Mitautorin der Studie More vaquita porpoises survive than expected.(1) "Gib diesen Tieren eine Chance und sie können überleben!"
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Der einzige Weg, um das Aussterben der Art zu verhindern, besteht
darin, die illegale Stellnetzfischerei aus ihrem Lebensraum zu
verbannen.
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(1) Rojas-Bracho L, Taylor B, Booth C, Thomas L, Jaramillo-Legorreta
A, Nieto-García E, Cárdenas Hinojosa G, Barlow J, Mesnick SL,
Gerrodette T, Olson P, Henry A, Rizo H, Hidalgo-Pla E, Bonilla-Garzón
A (2022)
More vaquita porpoises survive than expected. Endang Species Res
48:225-234
https://doi.org/10.3354/esr01197
*
Im Herbst 2017 starteten mehr als 90 internationale Wissenschaftler eine Rettungsaktion, um das Aussterben der Art zu verhindern. Unter Leitung des mexikanischen Umweltministeriums (SEMARNAT) und mit Unterstützung mehrerer Zoos und Aquarien, unter anderem SeaWorld und der Tiergarten Nürnberg, wurde das Projekt VaquitaCPR [5] (Conservation Program Plan for Critically Endangered Vaquitas in the Upper Gulf of California) ins Leben gerufen.
Ziel war es, die damals noch etwa 30 verbliebenen Kalifornischen Schweinswale mithilfe von Ortungsgeräten und vier Großen Tümmlern der US-Navy [6] aus San Diego, die auf das Aufspüren von Meeressäugern dressiert sind, einzufangen und in ein Meeresgehege vor San Felipe umzusiedeln. Dort sollten sie in Sicherheit leben und sich vermehren. Bis eines fernen Tages die Gefahren in ihrem natürlichen Lebensraum gebannt wären und sie wieder in die Freiheit entlassen werden könnten - Doch trotz geballter wissenschaftlicher Expertise endete VaquitaCPR in einem Desaster.
Eine Woche nach Beginn der Aktion am 12. Oktober 2017 gelang es, einen jungen, etwa sechs Monate alten weiblichen Kalifornischen Schweinswal einzufangen und in einen vorbereiteten Schwimmkäfig zu setzen. Jedoch geriet das Jungtier in extreme Panik. Sicherheitshalber ließ man es wieder frei. Die Forscher bejubelten dies als historischen Erfolg. Denn erstmals war es gelungen, einen der scheuen Wale zu fangen. Ob der kleine Vaquita die Prozedur und die zeitweise Trennung von der Mutter überlebt hat, ist unbekannt.
Beim zweiten Versuch kam es noch schlimmer. Das dabei eingefangene,
geschlechtsreife Weibchen zeigte ebenfalls starke Stress-Symptome.
Noch bevor man es wieder in die Freiheit entlassen konnte, starb es
unter den Händen der Tierärzte. Drei Stunden lang versuchten sie, es
zu reanimieren. Vergeblich. Daraufhin stellte VaquitaCPR weitere
Fangoperationen ein.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:
• Titelfoto: © Paula Olson/NOAA/public domain
• Meeressäuger wie der Vaquita und andere Schweinswale können
die feinen Fäden von Stellnetzen schlecht orten. © U.
Karlowski/DSM
• Ein Vaquita (Kalifornischer Schweinswal) im Golf von
Kalifornien. © Paula Olson/NOAA
Petition Save Mexico's Vaquita Porpoise
Petition auf change.org
Save Mexico's Vaquita-Porpoise from Imminent Extinction!
https://www.change.org/p/save-mexico-s-vaquita-porpoise-from-imminent-extinction
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
Weiterführende Informationen
Viel heiße Luft auf der UN-Ozeankonferenz UNOC-3 in Nizza
https://www.stiftung-meeresschutz.org/presse/un-ozeankonferenz-unoc-3-in-nizza/
Biodiversitätskonvention (Weltnaturkonferenz)
https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/fischerei/cbd-un-konvention-zur-biologischen-vielfalt/
Meeressäuger
https://www.stiftung-meeresschutz.org/foerderung/meeressaeuger/
Schweinswal
https://www.stiftung-meeresschutz.org/meerestiere/schweinswal/
Zum Tag des Artenschutzes - UN World Wildlife Day
https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/fischerei/tag-des-artenschutzes-un-world-wildlife-day/
Vaquita: Science von NOAA
https://www.fisheries.noaa.gov/species/vaquita/science
Vaquita: Conservation & Management von NOAA
https://www.fisheries.noaa.gov/species/vaquita/conservation-management
Links:
[1] https://vivavaquita.org/international-save-the-vaquita-day/
[2] https://www.iucnredlist.org/species/22003/2780880
[3] https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/artenschutz/besserer-schutz-fur-haie-und-rochen-durch-cites/#h-was-ist-cites
[4] https://www.fisheries.noaa.gov/about/southwest-fisheries-science-center
[5] https://www.vaquitacpr.org/
[6] https://www.stiftung-meeresschutz.org/kampfdelfine-soldaten-aus-dem-meer/
Originalartikel mit Bildern:
https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/artenschutz/vaquita-letzte-hoffnung-fuer-die-seltensten-meeressaueger
Veröffentlicht unter Artenschutz, Presse
*
Quelle:
Aktuelles - 24. Oktober 2025
Deutsche Stiftung Meeresschutz (DSM)
41460 Neuss
E-Mail: info[AT]stiftung-meeresschutz.org
Internet: https://www.stiftung-meeresschutz.org
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 30. Oktober 2025
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