Marc A. Herren
Zeugen des Untergangs
Perry-Rhodan-Heft Nr. 3310
Terrania, Solsystem, 20. Juli bis 3. August 2250 NGZ
Das Brennende Nichts hat sich auch auf dem Mond über das vergangene Jahr hinweg 16 Kilometer weit ausgebreitet und gleich zu Anfang die Mondpositronik NATHAN zerstört. Shrells ehemaliger Gefangener Bonnifer hat sich angeboten, die Anomalie auf Luna zu untersuchen. Ihm steht die psychiatrische Forensikerin Rhea Caburra zur Seite, die ihm dabei helfen soll, sich zu erinnern, wie er in Shrells Gefangenschaft geraten ist. Er weiß inzwischen, dass er kein Leun wie Shrell ist, sondern ein Wyconder und er erinnert sich an Terrybor, mit der auf seinem Heimatplaneten Wengir eine neue Sippe gründen und das Habitat Quydanda renovieren wollte. Während er eine Audiodatei bespricht, fällt ihm immer mehr ein: Wie Shrell in sein Heimatsystem eingedrungen ist und das Brennenden Nichts auf Wengir gezündet wurde.
Die Missionsleiterin des Teams, dem als wissenschaftliche Koryphäe auch Icho Tolot angehört, ist Sira Nylling, eine 25 Jahre junge KIS-Agentin. Das 'Kommando Information und Sicherung' ist eine Elite-Abteilung des Terranischen Ligadienstes, die Agenten hervorbringt, die überall dort eingesetzt werden können, wo man mit nicht trainierbaren Umständen rechnen muss.
Icho Tolot pilotiert einen Gleiter und schlägt vor, die Ylanten zu besuchen - NATHANS Kinder, die mit der Vernichtung des Mondgehirns ihren Schöpfer verloren haben. Beim Anflug entdeckt man eine Fläche, auf der eine Vielzahl zerissener und zerfetzter Ylanten verstreut liegen.
Das Team wird von dem Ylanten Sloreg empfangen, der ihnen erläutert, dass von den hundert zuletzt auf Luna lebenden Ylanten nun nur noch drei aktiv sind. In dem Moment als NATHAN vernichtet wurde, haben sich alle Ylanten, die sich auf Luna aufgehalten haben, gegenseitig oder selbst zerstört. Sloreg zeigt ihnen daraufhin eine Halle, in der Hunderte von Ylanten bewegungslos stehen. Es sind diejenigen, die in Schiffen unterwegs waren, als NATHAN starb. Sie waren nach Luna zurückgekehrt und haben das Leichenfeld ihrer Geschwister vorgefunden. Sie selbst verspürten zwar nicht den Impuls, sich zu vernichten, nach wenigen Tagen aber verloren sie jeglichen Selbstantrieb. Daraufhin errichteten sie eine Halle, reihten sich darin auf und schalteten sich ab. Sloreg und seine beiden Begleiter, die in einer geheimen Mission unterwegs gewesen waren und NATHANS Tod gar nicht mitbekommen hatten, haben lange vergeblich versucht, diese inaktiven Ylanten zu wecken. Sie sind nun die drei einzigen noch wachen Ylanten - die letzten Zeugen des Untergangs der ylantischen Zivilisation.
Die Bezeichnung "Zeugen des Untergangs" löst bei Bonnifer einen weiteren Erinnerungsschub aus - daran, wie die von Shrell befehligten spinnenbeinigen Reptiloiden über die Wyconder hergefallen sind. Sie waren es, die das Brennende Nichts auf Wengir gezündet haben. Bonnifer hatte versucht, sie in eine Falle zu locken, was missglückt war. Er war mit seiner Plattform abgestürzt und in eine Felsspalte geraten, aus der er sich nicht befreien konnte. Das Brennende Nichts hatte ihn am Kopf berührt, was er allerdings überlebte. Als Shrell davon Kenntnis erhielt, hatte sie sich sofort für ihn interessiert und ihn gefangen genommen. Er sollte ihr Zeuge des Untergangs sein.
Die Isolation von seiner Sippe hatte ihn schließlich seelisch gebrochen und als Shrell androhte, Terrybor zu töten und ein weiteres Brennendes Nichts auf dem zweiten Planeten Rugyra zu zünden, wenn er nicht dabei helfen würde, Wycandor-Technik zu stehlen, knickte er ein. Sie verdammte ihn dazu, das Mentatron zu entwickeln. Seine Hoffnung war gewesen, zu seinem Volk zurückkehren zu können, wenn er all ihre Wünsche erfüllen würde. Als es dann aber so weit war, verließ Shrell das Wycosystem und flog Richtung Milchstraße. Sie habe ihm schließlich nicht gesagt, wann sie ihn wieder gehen lassen würde, bekam Bonnifer zu hören. Außerdem brauche sie ihn für ihr Wohlergehen. Auch Shrell kann nicht alleine sein, ohne unter dem Mangel an dem Hormon Rinathan zu leiden, dass nur in Gegenwart anderer Intelligenzwesen ausgeschüttet wird.
Sloreg benimmt sich Sira Nylling gegenüber merkwürdig. Normalerweise spiegeln die Ylanten auf ihrem eigenen konturlosen Gesicht das Antlitz ihres Gesprächspartners. Gegenüber Sira Nylling projiziert Sloreg das Gesicht einer alten Frau. Außerdem betont er ihren Nachnamen so merkwürdig, als wolle er damit ausdrücken, es sei nicht ihr richtiger. Sira Nyllings begegnet dem Ylanten ebenfalls mit Misstrauen. Sie glaubt nicht, dass seine beiden noch aktiven Brüder unabkömmlich sind, wie er behauptet hat. Außerdem ist Sloreg nicht bereit zu verraten, auf welcher Mission die Drei waren, als NATHAN starb. Er weist die KIS-Agentin darauf hin, dass er nicht auskunftspflichtig sei und beruft sich dabei auf das vor 200 Jahren von der Gesamt-LFG bestätigte positronische Konkordat, das NATHAN umfangreiche Rechte zur Autonomie zusichert. Die Geheimmission, auf der er und seine beiden Brüder unterwegs gewesen waren, falle unter dieses Autonomierecht.
Die drei Ylanten werden seit dem 5. April bei der Erforschung des Brennenden Nichts von drei Posbis unterstützt. Auch ihnen geht die Zerstörung NATHANS nahe. Da das Zellplasma des Mondgehirns ein Ableger des Zentralplasmas der Hundertsonnenwelt ist, die die Posbis hervorgebracht hat, fühlen sich alle Posbis sehr mit NATHAN verbunden.
Als Sira Nylling weiter auf Sloreg eindringt, zu verraten, wo sich seine beiden Brüder befinden, gibt dieser zu, dass es ein Problem gäbe, denn einer der Posbis sei vor zwei Tagen verschwunden. Dieser wäre mit einem Gleiter zur Universität von Luna-City unterwegs gewesen und dort nie angekommen. Von ihm und dem Gleiter fehle jede Spur. Solange das nicht geklärt sei, ruhe die Zusammenarbeit zwischen Ylanten und Posbis. Sloreg ist allerdings bereit, das Team zu den Posbis zu begleiten.
Als Bonnifer, der gehofft hatte, einen wesentlichen Forschungsbeitrag leisten zu können, Bekanntschaft mit den ausgesprochen schrulligen Posbis Winkelstein und Gladmann-Zwo macht, ist er enttäuscht. Sie und der Mattenwilly Tropf verhalten sich eher wie quengelige Kinder, die sich ständig gegenseitig zurechtweisen. Sie bestehen darauf, dass zuerst der verschwundene Posbi Wilhelm gefunden wird, bevor sie einer Zusammenarbeit zustimmen.
Allerdings sind sie bereit, die Ergebnisse ihrer Nachforschungen preiszugeben. Diese ergaben zwanzig Kilometer über dem Ylatorium einen blinden Ortungsfleck, der die exakten Maße eines Raumschiffs aufweist. Dieses Schiff muss über eine hochwertige Tarntechnologie verfügen. Sira Nylling scheint diese Information nicht zu überraschen, was Rhea Caburra zu denken gibt. Sie verdächtigt die Missionsleiterin, die Kommandantin dieses Schiffes zu sein, was die KIS-Agentin nicht weiter kommentiert. Ein weiteres Indiz für Caburra ist der Umstand, dass Nylling auf Rheas SERUN zugreifen konnte, obwohl dies nicht hätte möglich sein sollen, weil seine Trägerin die Sicherheitsroutinen ihres Anzugs geändert hatte. Sira muss also über höherwertigere Technologie, als der TLD sie besitzt, verfügen.
Winkelstein und Gladmann-Zwo berichten von irregulären Energie-Emissionen in einem vor Shrells Angriff bewohnten Khasurn, der von den Ylanten geräumt und versiegelt worden war. Offenbar hält sich dort doch noch jemand auf. Rhea forscht in der Vergangenheit dieses Khasurns. Vor zwanzig Jahren hatte es dort eine wochenlange Entführungs- und Mordserie gegeben, woraufhin mehr als die Hälfte der knapp dreitausendfünfhundert Bewohner ausgezogen sind. Die Täter wurden nie gefasst. Rhea fragt sich, ob der Posbi Wilhelm ebenfalls entführt worden ist. Als sie in der Geschichte Lunas weiterrecherchiert, entdeckt sie, dass es immer wieder Verbrechensserien auf dem Mond gab. Die älteste liegt siebenhundert Jahre zurück. Unter den Opfern befanden sich mindestens zwei Posbis.
Sie beschließt, den Khasurn auf die Irregularität im Energiehaushalt hin zu untersuchen und entdeckt in dessen Tiefe ein energetisch gesichertes Schott, das von einem separaten Aggregat gespeist wird. Als sie es abschaltet, bekommt sie Zugang zu einem altmodisch eingerichteten Zimmer, in dem ein Mann namens Dr. Anniwas Tercel lebt. Der unterbindet ihren Kontaktversuch nach draußen und kann sie trotz SERUN betäuben.
Nach zwei Tagen erwacht Rhea Caburra in einem Shift, das nach Terra unterwegs ist. Tercel will sie in die schottischen Highlands bringen. Als Rhea den Mann damit konfrontiert, dass sie dessen Namen im Zusammenhang mit ihren Recherchen zu den Mordserien des Jahres 1513 NGZ gelesen hat - was 737 Jahre zurückliegt! - ändert sich der Gesichtsausdruck des Mannes schlagartig. Er stürzt sich auf sie, um sie umzubringen. In dem Moment birst die Glassitkuppel des Gleiters und Sira Nylling stürzt hinein. Sie überwältigt den Mann und nimmt Rhea unter ihren Schutzschirm. Tercels Schutzanzug ist aufplatzt, wobei eine rot-gräuliche Masse hervorquillt. Das Wesen ist tot. Tercel schien ein Gestaltwandler gewesen zu sein.
Nach diesen dramatischen Erlebnissen will Rhea endlich wissen, wer Sira Nylling in Wirklichkeit ist. Da diese erkennt, der psychiatrischen Forensikerin nichts mehr vormachen zu können, vertraut sie ihr an, Sahira zu heißen und vor 1076 Jahren als Tochter von Alaska Saedelaere geboren worden zu sein. Bis zum Jahr 1289 NGZ alterte sie normal, dann führte ein unbekannter 5-D-Impuls dazu, dass sie wieder jünger wurde. Heute kann sie mit Hilfe des Geräts, das den 5-D-Impuls erzeugte, bestimmen, ob sie älter oder jünger werden will.
Auf Terra verbirgt sich Cameron Rioz vor den Behörden und kehrt in die Nähe des Brennenden Nichts zurück, statt sich wie alle anderen so schnell wie möglich davon zu entfernen. Er ist hungrig und ausgelaugt und sucht in den verlassenen Wohnungen nach etwas Essbaren. In einem der Wohnblöcke lebt noch ein über 200 Jahre alter Mann, der sein Zuhause, das noch voller Erinnerungen an seine vor sechzig Jahren verstorbene Frau steckt, nicht aufgeben will.
Als Cameron ihm glaubhaft versichert, nicht von der Sozialbehörde zu kommen, die ihn evakuieren will, bittet der ruppige Alte ihn herein und verlangt, Camerons Geschichte hören. Dieser fasst Vertrauen zu dem alten Mann, der sich Archie nennt. Er erzählt ihm alles, was ihm widerfahren ist. Als der ihn fragt, warum er sich nicht den Wissenschaftlern zur Verfügung stelle, wenn er doch zu helfen versuche, meint Cameron, dass er nicht mit Icho Tolot zusammenarbeiten wolle. Dessen Anwesenheit erinnere ihn immer nur an den Tod seiner Freundin Lyta, was dazu führe, dass die Schattenhand aktiv werde. Damit wäre er eine Gefahr für alle.
Als Archie ihn darauf hinweist, dass er sich auf jeden Fall dafür entscheiden müsse, Verantwortung zu übernehmen, hört Cameron eine Stimme, die ihn ruft. Er kennt sie, denn es ist die von Jasper Cole, den er für tot hielt. Der junge Mann wartet draußen auf ihn und macht ihm nach der ersten Wiedersehensfreude klar, dass Cameron nur etwas erreichen könne, wenn er mit anderen zusammenarbeiten würde. Für diejenigen, die das Brennende Nichts löschen wollen, sei er der Schlüssel zum Ganzen und womöglich der einzige Mensch, der ihnen helfen kann.
Cameron ist klar, dass Jasper ihn nicht alleine ausfindig machen konnte. Icho Tolot, der die Nachricht bekommen hatte, dass man Cameron Rioz aufgespürt habe, hatte sein Team auf Luna verlassen und ist sofort nach Terra zurückkehrt. Um Cameron nicht zu einer unbedachten Reaktion zu veranlassen, hatte er bei Jaspers Kontaktaufnahme mit Cameron in der Nähe unter einem Deflektorfeld gewartet und es abgeschaltet, nachdem Jasper mit dem ehemaligen Trividder geredet hatte. Als dieser dem Haluter erneut vorwirft, seine Freundin Lyta nicht gerettet zu haben, wird die Schattenhand wieder aktiv. Doch Icho Tolot macht ihm klar, dass es damals seine Aufgabe gewesen war, so viele Menschen wie möglich zu retten. Sein Planhirn habe ihm dabei die optimalen Laufwege berechnet. Dieses Vorgehen entspreche nun einmal seiner Art, denn er kümmere sich um das Ganze. Und es täte ihm leid, dass ihm Partnerschaft nicht so vertraut sei wie den Terranern.
Dieses Eingeständnis führt dazu, dass Camerons Zorn verraucht und die Schattenhand sich wieder beruhigt. Er ist nun bereit, Icho Tolot zu helfen. Sie wollen eine kontrollierte Umgebung in der Nähe des Brennenden Nichts schaffen, in der sie experimentieren können.
Am 3. August trifft die von Cameron erzeugte Anomalie auf die bereits vorhandene. Von einem Forschungskreuzer aus beobachten Icho Tolot und sein Wissenschaftsteam die Verschmelzung der beiden. Die Kleinere wird von der Größeren geschluckt, wobei ein Puls von hochfrequentem und hochenergetischem weißem Hyperrauschen erzeugt wird, das stetig ansteigt und dann wieder aufhört. Cameron vergleicht es mit einem Aufeinanderprallen von Menschen, bei dem jeder in einer anderen Stimmlage schimpft und kreischt, bis man wieder Platz gefunden hat und die Menge sich beruhigt. Doch wer hat da geschrieen? Cameron vermutet, diejenigen, von denen der Sirenengesang ausgeht, den ein Conduit wie Bonnifer hört.
Icho Tolot fordert alle terranischen Schiffe in der Nähe auf, ihre Daten über den UHF-Puls zu senden. Als erster meldet sich Bonnifer vom Mond. Er sieht aus, als hätte er in die Hölle geschaut. Ihm sei es so vorgekommen, als sprenge der Sirenengesang seinen Kopf, berichtet er. Und der Puls hat noch etwas anderes bewirkt - die abgeschalteten Ylanten sind erwacht.
14. Februar 2025
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